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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Stadt ausschließlich der Kommunalgarde überlassen werde. 2. Daß das Militär
aus der Stadt entfernt werde und ein Garnisonwechsel stattfinde. 3. Daß eine
strenge Untersuchung über die Vorfälle am 12. Angust eingeleitet und zwar
nicht nur gegen die Tumultuanten, sondern gegen Alle, welche bei jenem be-
klagenswerthen Ereigniß ihre Pflicht nicht gethan oder überschritten haben."
u. s. w. Die letzte Bedingung war die feierliche Beerdigung der Erschossenen.*)
Das Organ des besonnenen Fortschritts in Leipzig, die D. Allg. Ztg. schließt
ihren Bericht über diese unglaubliche Erniedrigung des Rathes mit den Worten:
"Wahrlich, diese imposante Volksversammlung, ihre Haltung und Würde, ihr
Sinn für Ordnung und Gesetzlichkeit unter so aufregenden Umständen, gibt den
Bewohnern Leipzig's das ehrenvollste Zeugniß."

Am nächsten Tage legte dann, beiläufig bemerkt, noch der Kommandant
der Garnison, Herr Oberst von Bnttlar, das glänzendste Zeugniß ab für die
Ratlosigkeit, in der er selbst sich den Ereignissen gegenüber befand. Auch er
empfing eine Deputation der Schützenhausversammlung, welche ihm "die Bitte
und den Wunsch aussprach, er möge die geeigneten Maßregeln treffen, daß an
dem Tage der Beerdigung sich kein Schütze in den Straßen sehen lasse (!),
damit bei der zu erwartenden größeren Aufregung der Gemüther die traurige
Feierlichkeit in keiner Weise gestört (!) werde. Oberst von Buttlar erklärte, daß
er bereit sei, den Wunsch der Versammlung zu erfüllen, auch dazu bereits die
nöthigen Einleitungen getroffen habe" -- gerade wie der Rath Tags zuvor!
Noch fügte er hinzu: "die versammelten Bürger möchten aber auch bedenken,
daß die Schützen ihre Pflicht hätten erfüllen und gehorchen müssen; die
Bürger möchten ihre Vorwürfe auf den werfen, der den Be¬
fehl gegeben habe."**)

Auf den 13. August Nachmittags 5 Uhr hatte der Vorsteher der Stadt¬
verordneten, App. R. Dr. Haase das Kollegium zu einer Sitzung berufen. Hier
wurde eine Adresse an den König beschlossen, in der folgende Stelle vorkam:
"Unser Schmerz wird noch dadurch vermehrt, daß, um die gestörte Ruhe wieder
herzustellen, nicht die eigene Kraft unserer Stadt, unsere Kommunalgarde, in
Anspruch genommen worden ist, welche, folgen wir der allgemeinen Stimme,
nach der Revue nicht entlasten oder doch nach dieser zeitiger herbeigerufen, treu
ihrer Pflicht, nichts verabsäumt haben würde, das blutige Unglück abzuwenden,
das uns Alle mit gerechter Trauer erfüllt. Wir bitten Ew. König!. Majestät
ehrfurchtsvoll um eine strenge Untersuchung gegen Alle, welche bei diesen Er-




") D. Mg. Ztg. a, a. O.
**) "Generalanzeiger für Deutschland/' Leipzig, den Is. Aug. 184S. -- Biedermann,
Unsre Gegenwart und Zukunft, Sächsische Zustände, S, 340. -- "Die Opfer des 12. August"
S. 14.

Stadt ausschließlich der Kommunalgarde überlassen werde. 2. Daß das Militär
aus der Stadt entfernt werde und ein Garnisonwechsel stattfinde. 3. Daß eine
strenge Untersuchung über die Vorfälle am 12. Angust eingeleitet und zwar
nicht nur gegen die Tumultuanten, sondern gegen Alle, welche bei jenem be-
klagenswerthen Ereigniß ihre Pflicht nicht gethan oder überschritten haben."
u. s. w. Die letzte Bedingung war die feierliche Beerdigung der Erschossenen.*)
Das Organ des besonnenen Fortschritts in Leipzig, die D. Allg. Ztg. schließt
ihren Bericht über diese unglaubliche Erniedrigung des Rathes mit den Worten:
„Wahrlich, diese imposante Volksversammlung, ihre Haltung und Würde, ihr
Sinn für Ordnung und Gesetzlichkeit unter so aufregenden Umständen, gibt den
Bewohnern Leipzig's das ehrenvollste Zeugniß."

Am nächsten Tage legte dann, beiläufig bemerkt, noch der Kommandant
der Garnison, Herr Oberst von Bnttlar, das glänzendste Zeugniß ab für die
Ratlosigkeit, in der er selbst sich den Ereignissen gegenüber befand. Auch er
empfing eine Deputation der Schützenhausversammlung, welche ihm „die Bitte
und den Wunsch aussprach, er möge die geeigneten Maßregeln treffen, daß an
dem Tage der Beerdigung sich kein Schütze in den Straßen sehen lasse (!),
damit bei der zu erwartenden größeren Aufregung der Gemüther die traurige
Feierlichkeit in keiner Weise gestört (!) werde. Oberst von Buttlar erklärte, daß
er bereit sei, den Wunsch der Versammlung zu erfüllen, auch dazu bereits die
nöthigen Einleitungen getroffen habe" — gerade wie der Rath Tags zuvor!
Noch fügte er hinzu: „die versammelten Bürger möchten aber auch bedenken,
daß die Schützen ihre Pflicht hätten erfüllen und gehorchen müssen; die
Bürger möchten ihre Vorwürfe auf den werfen, der den Be¬
fehl gegeben habe."**)

Auf den 13. August Nachmittags 5 Uhr hatte der Vorsteher der Stadt¬
verordneten, App. R. Dr. Haase das Kollegium zu einer Sitzung berufen. Hier
wurde eine Adresse an den König beschlossen, in der folgende Stelle vorkam:
„Unser Schmerz wird noch dadurch vermehrt, daß, um die gestörte Ruhe wieder
herzustellen, nicht die eigene Kraft unserer Stadt, unsere Kommunalgarde, in
Anspruch genommen worden ist, welche, folgen wir der allgemeinen Stimme,
nach der Revue nicht entlasten oder doch nach dieser zeitiger herbeigerufen, treu
ihrer Pflicht, nichts verabsäumt haben würde, das blutige Unglück abzuwenden,
das uns Alle mit gerechter Trauer erfüllt. Wir bitten Ew. König!. Majestät
ehrfurchtsvoll um eine strenge Untersuchung gegen Alle, welche bei diesen Er-




») D. Mg. Ztg. a, a. O.
**) „Generalanzeiger für Deutschland/' Leipzig, den Is. Aug. 184S. — Biedermann,
Unsre Gegenwart und Zukunft, Sächsische Zustände, S, 340. — „Die Opfer des 12. August"
S. 14.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/111>, abgerufen am 05.02.2025.