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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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erklärlich erscheinen, so wird immer gut sein, sich zu vergegenwärtigen, daß er
mit Faktoren rechnete, die wir nicht zu kontroliren vermögen. Endlich -- und
auch das kennzeichnet den jäh zu glänzender Höhe Aufgestiegenen -- er liebte
es, sich zu isoliren, er umgab sich mit dem Schimmer des Geheimnißvollen
und mit ostensibler Pracht, mit einem Hofhalte, der dem des Kaisers kaum
nachgab, nur daß er auf dem soliden Grunde einer vortrefflichen Güterver-
waltnug beruhte, denn sie warf ihm einen jährlichen Ertrag von circa
V2 Million Gulden ab. Aber er war doch mehr als ein Emporkömmling.
Vom Beginne seiner Feldherrnlaufbahn lenken ihn große Interessen; will er
Anfangs des Kaisers Macht über ganz Deutschland ausdehnen, selbst das Nord¬
meer ihm unterwerfen, fo strebt er später nach dem Frieden mit den evange¬
lischen Reichsfürsten. Denn weit entfernt lag ihm konfessionelle Engherzigkeit,
freilich auch jede religiöse Wärme. Aber jene großen Gesichtspunkte verbanden
sich untrennbar mit den persönlichen, und es ist kein Zweifel: diese standen
ihm zuweilen höher als jene und er zeigte sich wenig bedenklich, das Allge¬
meine zu opfern für sein eigenes Interesse.

Aber zu Allem, was er erstrebte, war doch die feste Grundlage seine Ge¬
walt über das Heer, dies Heer, das er geschaffen, dessen Offiziere er ernannt,
die zum Theil auf eigue Kosten ihre Regimenter geworben hatten und nur
von seinem Ansehen die Befriedigung ihrer Forderungen vom kaiserlichen Hofe
erwarteten, von dem also jeder Einzelne an ihn schon durch äußere Vortheile sich
gebunden fühlte, wo kein Unterschied der Nation, auch nicht des Glaubens galt,
dies Heer, das eben deshalb losgelöst war vom Staate, dem es diente, und
der den Meisten nicht die Heimath war, ja selbst von seinem kaiserlichen Kriegs¬
herrn, den es nie gesehen. Mit ihm hatte er Gustav Adolf bei Nürnberg die
Spitze geboten,Mit ihm bei Lützen geschlagen, und jetzt, im Winter 1632/3,
stand er an der Spitze von über 100,000 Mann, deren Aufstellungen sich von
den schlesischen Gebirgen bis an den Oberrhein erstreckten. Freilich war damals
die militärische Lage überhaupt wenig günstig. Süddeutschland befand sich
vollends seit dem Bündnisse von Heilbronn fast ganz in den Händen der
Schweden, auf wenige Festungen sah sich Max von Baiern beschränkt, in
Franken richtete sich eben der hochstrebende Bernhard von Weimar sein Herzog¬
tum ein, dessen Grundlagen die reichen Stiftslande von Würzburg und Bam-
berg bilden sollten. In Schlesien war schon im Jahre 1632 der kursächsische
Feldherr Hans Georg von Arnim eingebrochen; den alten Plan Ernst's von
Mansfeld und Gustav Adolf's wieder aufnehmend, hatte er die schlesischen
Fürsten und Stände zur Erhebung gegen den Kaiser fortgerissen- und dessen
General Gallas bis nach Reiße und an den Rand der oberschlesischen Gebirge
zurückgedrängt. In dieser Lage hätten die rein militärischen Interessen einen


erklärlich erscheinen, so wird immer gut sein, sich zu vergegenwärtigen, daß er
mit Faktoren rechnete, die wir nicht zu kontroliren vermögen. Endlich — und
auch das kennzeichnet den jäh zu glänzender Höhe Aufgestiegenen — er liebte
es, sich zu isoliren, er umgab sich mit dem Schimmer des Geheimnißvollen
und mit ostensibler Pracht, mit einem Hofhalte, der dem des Kaisers kaum
nachgab, nur daß er auf dem soliden Grunde einer vortrefflichen Güterver-
waltnug beruhte, denn sie warf ihm einen jährlichen Ertrag von circa
V2 Million Gulden ab. Aber er war doch mehr als ein Emporkömmling.
Vom Beginne seiner Feldherrnlaufbahn lenken ihn große Interessen; will er
Anfangs des Kaisers Macht über ganz Deutschland ausdehnen, selbst das Nord¬
meer ihm unterwerfen, fo strebt er später nach dem Frieden mit den evange¬
lischen Reichsfürsten. Denn weit entfernt lag ihm konfessionelle Engherzigkeit,
freilich auch jede religiöse Wärme. Aber jene großen Gesichtspunkte verbanden
sich untrennbar mit den persönlichen, und es ist kein Zweifel: diese standen
ihm zuweilen höher als jene und er zeigte sich wenig bedenklich, das Allge¬
meine zu opfern für sein eigenes Interesse.

Aber zu Allem, was er erstrebte, war doch die feste Grundlage seine Ge¬
walt über das Heer, dies Heer, das er geschaffen, dessen Offiziere er ernannt,
die zum Theil auf eigue Kosten ihre Regimenter geworben hatten und nur
von seinem Ansehen die Befriedigung ihrer Forderungen vom kaiserlichen Hofe
erwarteten, von dem also jeder Einzelne an ihn schon durch äußere Vortheile sich
gebunden fühlte, wo kein Unterschied der Nation, auch nicht des Glaubens galt,
dies Heer, das eben deshalb losgelöst war vom Staate, dem es diente, und
der den Meisten nicht die Heimath war, ja selbst von seinem kaiserlichen Kriegs¬
herrn, den es nie gesehen. Mit ihm hatte er Gustav Adolf bei Nürnberg die
Spitze geboten,Mit ihm bei Lützen geschlagen, und jetzt, im Winter 1632/3,
stand er an der Spitze von über 100,000 Mann, deren Aufstellungen sich von
den schlesischen Gebirgen bis an den Oberrhein erstreckten. Freilich war damals
die militärische Lage überhaupt wenig günstig. Süddeutschland befand sich
vollends seit dem Bündnisse von Heilbronn fast ganz in den Händen der
Schweden, auf wenige Festungen sah sich Max von Baiern beschränkt, in
Franken richtete sich eben der hochstrebende Bernhard von Weimar sein Herzog¬
tum ein, dessen Grundlagen die reichen Stiftslande von Würzburg und Bam-
berg bilden sollten. In Schlesien war schon im Jahre 1632 der kursächsische
Feldherr Hans Georg von Arnim eingebrochen; den alten Plan Ernst's von
Mansfeld und Gustav Adolf's wieder aufnehmend, hatte er die schlesischen
Fürsten und Stände zur Erhebung gegen den Kaiser fortgerissen- und dessen
General Gallas bis nach Reiße und an den Rand der oberschlesischen Gebirge
zurückgedrängt. In dieser Lage hätten die rein militärischen Interessen einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/11>, abgerufen am 05.02.2025.