Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

neben dem Nationalstolze steht und dem es entspricht, daß die Kriegs Ver¬
fassung sich zuerst im genokratischen Sinne gestaltet. Wie viele Ge¬
schlechter sich vereinigten, um eine der 30 Curien zu bilden, die das ganze
Volk der Patrizier darstellten, wissen wir nicht; deutlich lasse" sich dagegen
die Curien erkennen als Sitz der Souverünetüt, und durch Zusammenfassung von
je 10 Curien zu einer höheren Einheit ergaben sich die drei Stammtribus der
Raumer, Titier und Lucerer, deren uralte Namen schon den Römern fremd¬
artig klangen, indes wahrscheinlich eine Beziehung nicht nur zur ursprünglichen
Herkunft von ladinischen, sabinischen und etruskischen Ansiedlern, sondern auch
zum Heerwesen hatten. -- Das römische Heer bildete sich nämlich als le^lo,
d. h. als Auslese, in der Weise, daß jede der drei Stammtribus, wie sie in
10 Curien zu je 10 Decurien zerfiel, auch 100 Reiter und 1000 Fußgänger
stellte. Die Reiter hießen eslsrss ---- Schnelle oder üsximtizs ----- schwenkende, die
Fußgänger milites (iM-Sö) d. h. Tausendgäuger. ^) Die Legion zerfiel also
in drei Theile, deren jeder aus einer Nittercenturie (Hundertschaft) und einer
Fußvolks-Tausendschaft bestand, und jeder Abtheilung befahl ein Tribun.
Auf derselben militärischen Eintheilung beruht aber auch die Ordnung der
römischen Volksversammlung in 30 Curien und die noch in späten Zeiten der
Republik erhaltene Befugniß der Curien, den Konsul" durch die Isx eurig-t-z,
as iiQxsrio die oberste richterliche und militärische Machtvollkommenheit zu
verleihen.^) Dem auf der Dingstätte (oaivitwin) in seinen Curien ver¬
sammelten Volke, also den Curiatko mitten, fielen Königswahl und Gesetzgebung,
namentlich aber auch die Entscheidung über Krieg und Frieden zu.
Nur wenn die cowiris. mit dem Senate und dem sie einberufenden Könige in
der Kriegserklärung einig waren, galt der Krieg als ein gerechter, für den der
Segen der Götter mit Fug zu erwarten sei. -- Die Kriegsankündigung
geschah in feierlicher Weise durch die "Fetialen", öffentliche Herolde, welche
als Symbol des heimischen Bodens "das reine Kraut" und als Zeichen der
Kriegseröffnung einen angesengten blutigen Stab führten und ihren Auftrag
in uralten Formen pomphaft aufrichteten.

Als die Bürgerschaft sich vermehrt, ja verdoppelt hatte, forderte man ihr
auch die doppelte Zahl an Kriegsmannschaft ab. Beim Fußvolke
geschah dies wohl einfach dadurch, daß man statt einer zwei Legionen aufstellte.
Die Reiterei jedoch, welche nicht nach jedem Feldzuge neu formirt wurde,
sondern, gleich der der Athener, auch im Frieden bestand und gemeinsame




Mommsen: "Mimische Geschichte." I-
"
5") Jhre: "Rvimsche Geschichte. I.

neben dem Nationalstolze steht und dem es entspricht, daß die Kriegs Ver¬
fassung sich zuerst im genokratischen Sinne gestaltet. Wie viele Ge¬
schlechter sich vereinigten, um eine der 30 Curien zu bilden, die das ganze
Volk der Patrizier darstellten, wissen wir nicht; deutlich lasse» sich dagegen
die Curien erkennen als Sitz der Souverünetüt, und durch Zusammenfassung von
je 10 Curien zu einer höheren Einheit ergaben sich die drei Stammtribus der
Raumer, Titier und Lucerer, deren uralte Namen schon den Römern fremd¬
artig klangen, indes wahrscheinlich eine Beziehung nicht nur zur ursprünglichen
Herkunft von ladinischen, sabinischen und etruskischen Ansiedlern, sondern auch
zum Heerwesen hatten. — Das römische Heer bildete sich nämlich als le^lo,
d. h. als Auslese, in der Weise, daß jede der drei Stammtribus, wie sie in
10 Curien zu je 10 Decurien zerfiel, auch 100 Reiter und 1000 Fußgänger
stellte. Die Reiter hießen eslsrss ---- Schnelle oder üsximtizs ----- schwenkende, die
Fußgänger milites (iM-Sö) d. h. Tausendgäuger. ^) Die Legion zerfiel also
in drei Theile, deren jeder aus einer Nittercenturie (Hundertschaft) und einer
Fußvolks-Tausendschaft bestand, und jeder Abtheilung befahl ein Tribun.
Auf derselben militärischen Eintheilung beruht aber auch die Ordnung der
römischen Volksversammlung in 30 Curien und die noch in späten Zeiten der
Republik erhaltene Befugniß der Curien, den Konsul» durch die Isx eurig-t-z,
as iiQxsrio die oberste richterliche und militärische Machtvollkommenheit zu
verleihen.^) Dem auf der Dingstätte (oaivitwin) in seinen Curien ver¬
sammelten Volke, also den Curiatko mitten, fielen Königswahl und Gesetzgebung,
namentlich aber auch die Entscheidung über Krieg und Frieden zu.
Nur wenn die cowiris. mit dem Senate und dem sie einberufenden Könige in
der Kriegserklärung einig waren, galt der Krieg als ein gerechter, für den der
Segen der Götter mit Fug zu erwarten sei. — Die Kriegsankündigung
geschah in feierlicher Weise durch die „Fetialen", öffentliche Herolde, welche
als Symbol des heimischen Bodens „das reine Kraut" und als Zeichen der
Kriegseröffnung einen angesengten blutigen Stab führten und ihren Auftrag
in uralten Formen pomphaft aufrichteten.

Als die Bürgerschaft sich vermehrt, ja verdoppelt hatte, forderte man ihr
auch die doppelte Zahl an Kriegsmannschaft ab. Beim Fußvolke
geschah dies wohl einfach dadurch, daß man statt einer zwei Legionen aufstellte.
Die Reiterei jedoch, welche nicht nach jedem Feldzuge neu formirt wurde,
sondern, gleich der der Athener, auch im Frieden bestand und gemeinsame




Mommsen: „Mimische Geschichte." I-
"
5») Jhre: „Rvimsche Geschichte. I.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140443"/>
          <p xml:id="ID_266" prev="#ID_265"> neben dem Nationalstolze steht und dem es entspricht, daß die Kriegs Ver¬<lb/>
fassung sich zuerst im genokratischen Sinne gestaltet. Wie viele Ge¬<lb/>
schlechter sich vereinigten, um eine der 30 Curien zu bilden, die das ganze<lb/>
Volk der Patrizier darstellten, wissen wir nicht; deutlich lasse» sich dagegen<lb/>
die Curien erkennen als Sitz der Souverünetüt, und durch Zusammenfassung von<lb/>
je 10 Curien zu einer höheren Einheit ergaben sich die drei Stammtribus der<lb/>
Raumer, Titier und Lucerer, deren uralte Namen schon den Römern fremd¬<lb/>
artig klangen, indes wahrscheinlich eine Beziehung nicht nur zur ursprünglichen<lb/>
Herkunft von ladinischen, sabinischen und etruskischen Ansiedlern, sondern auch<lb/>
zum Heerwesen hatten. &#x2014; Das römische Heer bildete sich nämlich als le^lo,<lb/>
d. h. als Auslese, in der Weise, daß jede der drei Stammtribus, wie sie in<lb/>
10 Curien zu je 10 Decurien zerfiel, auch 100 Reiter und 1000 Fußgänger<lb/>
stellte. Die Reiter hießen eslsrss ---- Schnelle oder üsximtizs ----- schwenkende, die<lb/>
Fußgänger milites (iM-Sö) d. h. Tausendgäuger. ^) Die Legion zerfiel also<lb/>
in drei Theile, deren jeder aus einer Nittercenturie (Hundertschaft) und einer<lb/>
Fußvolks-Tausendschaft bestand, und jeder Abtheilung befahl ein Tribun.<lb/>
Auf derselben militärischen Eintheilung beruht aber auch die Ordnung der<lb/>
römischen Volksversammlung in 30 Curien und die noch in späten Zeiten der<lb/>
Republik erhaltene Befugniß der Curien, den Konsul» durch die Isx eurig-t-z,<lb/>
as iiQxsrio die oberste richterliche und militärische Machtvollkommenheit zu<lb/>
verleihen.^) Dem auf der Dingstätte (oaivitwin) in seinen Curien ver¬<lb/>
sammelten Volke, also den Curiatko mitten, fielen Königswahl und Gesetzgebung,<lb/>
namentlich aber auch die Entscheidung über Krieg und Frieden zu.<lb/>
Nur wenn die cowiris. mit dem Senate und dem sie einberufenden Könige in<lb/>
der Kriegserklärung einig waren, galt der Krieg als ein gerechter, für den der<lb/>
Segen der Götter mit Fug zu erwarten sei. &#x2014; Die Kriegsankündigung<lb/>
geschah in feierlicher Weise durch die &#x201E;Fetialen", öffentliche Herolde, welche<lb/>
als Symbol des heimischen Bodens &#x201E;das reine Kraut" und als Zeichen der<lb/>
Kriegseröffnung einen angesengten blutigen Stab führten und ihren Auftrag<lb/>
in uralten Formen pomphaft aufrichteten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_267" next="#ID_268"> Als die Bürgerschaft sich vermehrt, ja verdoppelt hatte, forderte man ihr<lb/>
auch die doppelte Zahl an Kriegsmannschaft ab. Beim Fußvolke<lb/>
geschah dies wohl einfach dadurch, daß man statt einer zwei Legionen aufstellte.<lb/>
Die Reiterei jedoch, welche nicht nach jedem Feldzuge neu formirt wurde,<lb/>
sondern, gleich der der Athener, auch im Frieden bestand und gemeinsame</p><lb/>
          <note xml:id="FID_21" place="foot"> Mommsen: &#x201E;Mimische Geschichte." I-<lb/>
"</note><lb/>
          <note xml:id="FID_22" place="foot"> 5») Jhre: &#x201E;Rvimsche Geschichte. I.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0092] neben dem Nationalstolze steht und dem es entspricht, daß die Kriegs Ver¬ fassung sich zuerst im genokratischen Sinne gestaltet. Wie viele Ge¬ schlechter sich vereinigten, um eine der 30 Curien zu bilden, die das ganze Volk der Patrizier darstellten, wissen wir nicht; deutlich lasse» sich dagegen die Curien erkennen als Sitz der Souverünetüt, und durch Zusammenfassung von je 10 Curien zu einer höheren Einheit ergaben sich die drei Stammtribus der Raumer, Titier und Lucerer, deren uralte Namen schon den Römern fremd¬ artig klangen, indes wahrscheinlich eine Beziehung nicht nur zur ursprünglichen Herkunft von ladinischen, sabinischen und etruskischen Ansiedlern, sondern auch zum Heerwesen hatten. — Das römische Heer bildete sich nämlich als le^lo, d. h. als Auslese, in der Weise, daß jede der drei Stammtribus, wie sie in 10 Curien zu je 10 Decurien zerfiel, auch 100 Reiter und 1000 Fußgänger stellte. Die Reiter hießen eslsrss ---- Schnelle oder üsximtizs ----- schwenkende, die Fußgänger milites (iM-Sö) d. h. Tausendgäuger. ^) Die Legion zerfiel also in drei Theile, deren jeder aus einer Nittercenturie (Hundertschaft) und einer Fußvolks-Tausendschaft bestand, und jeder Abtheilung befahl ein Tribun. Auf derselben militärischen Eintheilung beruht aber auch die Ordnung der römischen Volksversammlung in 30 Curien und die noch in späten Zeiten der Republik erhaltene Befugniß der Curien, den Konsul» durch die Isx eurig-t-z, as iiQxsrio die oberste richterliche und militärische Machtvollkommenheit zu verleihen.^) Dem auf der Dingstätte (oaivitwin) in seinen Curien ver¬ sammelten Volke, also den Curiatko mitten, fielen Königswahl und Gesetzgebung, namentlich aber auch die Entscheidung über Krieg und Frieden zu. Nur wenn die cowiris. mit dem Senate und dem sie einberufenden Könige in der Kriegserklärung einig waren, galt der Krieg als ein gerechter, für den der Segen der Götter mit Fug zu erwarten sei. — Die Kriegsankündigung geschah in feierlicher Weise durch die „Fetialen", öffentliche Herolde, welche als Symbol des heimischen Bodens „das reine Kraut" und als Zeichen der Kriegseröffnung einen angesengten blutigen Stab führten und ihren Auftrag in uralten Formen pomphaft aufrichteten. Als die Bürgerschaft sich vermehrt, ja verdoppelt hatte, forderte man ihr auch die doppelte Zahl an Kriegsmannschaft ab. Beim Fußvolke geschah dies wohl einfach dadurch, daß man statt einer zwei Legionen aufstellte. Die Reiterei jedoch, welche nicht nach jedem Feldzuge neu formirt wurde, sondern, gleich der der Athener, auch im Frieden bestand und gemeinsame Mommsen: „Mimische Geschichte." I- " 5») Jhre: „Rvimsche Geschichte. I.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/92
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/92>, abgerufen am 22.07.2024.