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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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standen ist. Das reichhaltige Museum, welches köstliche Proben von der
Porzellanfabrikation aller Zeiten und aller Völker enthält, ist noch vor der
Okkuption von Sevres durch die preußischen Truppen nach Paris in Sicherheit
gebracht worden. An diesem kostbaren Material ist also keim Einbuße erlitten
worden. Auch die Fabrikation wird nach wie vor mit einem erhöhterem Er¬
folge fortgesetzt, wenngleich die englische Konkurrenz immer gefährlicher wird.
In einem Punkte hat sie die Manufaktur von Sevres sogar bereits überflügelt,
in der?als-srcr-Mo-Malerei. Seit der Wiener Weltausstellung hat sich dieser
Zweig dekorativer Porzellansabrikation auch in Deutschland viele Freunde
erworben. Jedermann kennt heute die graziösen, durchsichtigen, alabasterartigen
Figürchen, die schwebenden Nymphen, Genien und Amoretten, welche, zart und
duftig wie Frühlingsreif, das tiefe Blau oder das lichte Grau einer Vase
durchbrechen. Der genialste und kunstfertigste dieser ?!le0-8iir-xÄtö-Maler,
Mr. Solon, arbeitet heute nicht mehr in der Porzellaufabrik von Sevres.
Während des Krieges gelang es den Mintvns in Stoke-upon-Trent diese un¬
schätzbare Kraft sür ihre Fabrik zu gewinnen und dadurch den Sieg über die
französische Konkurrenz davonzutragen.

Indessen lehrt uns ein Blick auf die Ausstellung der Sevres - Fabrik in
der Ehrengalcrie, daß der alte Ruhm des Sevres-Porzellan noch im hellen
Glänze strahlt. Das berühmte Kobalt-Blau, das disu as Lvvrss xs.r oxoellöneo,
ist nach wie vor das Monopol der Manufaktur, und alle Anstrengungen der
Engländer, diesen herrlichen saphirblauen Glanz nachzuahmen, sind bis auf
den heutigen Tag vergeblich gewesen. Die Ausstellung enthält eine Reihe von
solchen Prachtvasen in seltener Größe und Schönheit. Man hat sich nicht
immer mit dem reinen Blau begnügt. Bei einigen Vasen durchbrechen hie und
da lichte, weißleuchteude Stellen, die wie Krystalle aussehen, die blaue Fläche,
so daß man wähnt, die Vasen seien aus dunkelblauen: Achat geschliffen.

Zwei Henkel von vergoldeter Bronze und eine starke Schnur aus dem¬
selben Stoffe, die fest um deu Hals des Gefäßes geschlungen ist, bilden die
einzige ornamentale Zuthat. Diese Vasen wirken in ihrer Einfachheit am
wohlthuendsten. Wo ein mehreres hinzugekommen ist, hat man nicht immer das
Abenteuerliche und Geschmacklose vermieden. So kleben z. B. auf dem Bauche
einer überaus zart gefärbten, lichtgrünen Vase zwei Genien aus weißem Por¬
zellan, welche die Füße weit von sich strecken, als wollten sie jeden Augenblick
herunterpurzeln. Man sieht, wie die Sucht, immer etwas neues und origi¬
nelles zu bieten, selbst die auf klassischen Traditionen fußende Scvresfabrikation
zur Stillosigkeit verleitet. Freilich sind die Franzosen in dieser Richtung viel
weniger skrupulös als wir. Ihr Ranzen ist mit Schulweisheit nicht so voll¬
gepfropft wie der unsrige. Sie sind mit dem Katechismus der Aesthetik nicht


standen ist. Das reichhaltige Museum, welches köstliche Proben von der
Porzellanfabrikation aller Zeiten und aller Völker enthält, ist noch vor der
Okkuption von Sevres durch die preußischen Truppen nach Paris in Sicherheit
gebracht worden. An diesem kostbaren Material ist also keim Einbuße erlitten
worden. Auch die Fabrikation wird nach wie vor mit einem erhöhterem Er¬
folge fortgesetzt, wenngleich die englische Konkurrenz immer gefährlicher wird.
In einem Punkte hat sie die Manufaktur von Sevres sogar bereits überflügelt,
in der?als-srcr-Mo-Malerei. Seit der Wiener Weltausstellung hat sich dieser
Zweig dekorativer Porzellansabrikation auch in Deutschland viele Freunde
erworben. Jedermann kennt heute die graziösen, durchsichtigen, alabasterartigen
Figürchen, die schwebenden Nymphen, Genien und Amoretten, welche, zart und
duftig wie Frühlingsreif, das tiefe Blau oder das lichte Grau einer Vase
durchbrechen. Der genialste und kunstfertigste dieser ?!le0-8iir-xÄtö-Maler,
Mr. Solon, arbeitet heute nicht mehr in der Porzellaufabrik von Sevres.
Während des Krieges gelang es den Mintvns in Stoke-upon-Trent diese un¬
schätzbare Kraft sür ihre Fabrik zu gewinnen und dadurch den Sieg über die
französische Konkurrenz davonzutragen.

Indessen lehrt uns ein Blick auf die Ausstellung der Sevres - Fabrik in
der Ehrengalcrie, daß der alte Ruhm des Sevres-Porzellan noch im hellen
Glänze strahlt. Das berühmte Kobalt-Blau, das disu as Lvvrss xs.r oxoellöneo,
ist nach wie vor das Monopol der Manufaktur, und alle Anstrengungen der
Engländer, diesen herrlichen saphirblauen Glanz nachzuahmen, sind bis auf
den heutigen Tag vergeblich gewesen. Die Ausstellung enthält eine Reihe von
solchen Prachtvasen in seltener Größe und Schönheit. Man hat sich nicht
immer mit dem reinen Blau begnügt. Bei einigen Vasen durchbrechen hie und
da lichte, weißleuchteude Stellen, die wie Krystalle aussehen, die blaue Fläche,
so daß man wähnt, die Vasen seien aus dunkelblauen: Achat geschliffen.

Zwei Henkel von vergoldeter Bronze und eine starke Schnur aus dem¬
selben Stoffe, die fest um deu Hals des Gefäßes geschlungen ist, bilden die
einzige ornamentale Zuthat. Diese Vasen wirken in ihrer Einfachheit am
wohlthuendsten. Wo ein mehreres hinzugekommen ist, hat man nicht immer das
Abenteuerliche und Geschmacklose vermieden. So kleben z. B. auf dem Bauche
einer überaus zart gefärbten, lichtgrünen Vase zwei Genien aus weißem Por¬
zellan, welche die Füße weit von sich strecken, als wollten sie jeden Augenblick
herunterpurzeln. Man sieht, wie die Sucht, immer etwas neues und origi¬
nelles zu bieten, selbst die auf klassischen Traditionen fußende Scvresfabrikation
zur Stillosigkeit verleitet. Freilich sind die Franzosen in dieser Richtung viel
weniger skrupulös als wir. Ihr Ranzen ist mit Schulweisheit nicht so voll¬
gepfropft wie der unsrige. Sie sind mit dem Katechismus der Aesthetik nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/78>, abgerufen am 22.07.2024.