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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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ohne jene grimmige Freude an den Leiden anderer, die uns im Busch so em¬
pörte. Noch eine Handelskaravcme trifft ein; das Geschäft wird zur Zufrie¬
denheit beider Theile abgeschlossen, als schon der Abend herniedersinkt. Mit
all' jener glorreichen, wunderbaren Pracht und Herrlichkeit, wie sie in diesem
Moment nur der eisige Nord, die Wüste und das Meer kennen, taucht die
Sonne fern unter die Wogen der See und während der Faktorist, wie so oft
schon, entzückt und staunend dein Farbendrama am westlichen Horizont zu¬
schaut, ertönt in klaren, melodischen Tönen der Schlag der Glocke, -- es ist
Feierabend; die Leute verzehren ihre einfachen Speisen, der Tisch zum Supper
der Weißen ist gedeckt, man nimmt das Mahl ein, unterhält sich, und wenn
das Abendbrod vorüber ist, sitzen die Herren noch ein Stündchen bei einem
Glase Wein, lesen, plaudern über dies und jenes und der Hausherr entlockt
dem vielgebrauchten Harmonium Melodien, deren choralartiger Charakter diesem
Instrument so sehr entspricht und in der friedlichen Ruhe der Niederlassung so
schön zu der heiligen Stille einer warmen Tropennacht paßt.--

So vergeht auch hier ein Tag nach dem anderen; hin und wieder mehr
oder weniger Besuch, eine Jagdpartie, oder auch mehr Arbeit, wenn die eng¬
lische Mail oder ein größeres Privatschiff der Firma kam, dann einmal eine
Inspektionsreise des Chefs, Ankunft von Zeitungen und Briefen, die für lange
Zeit Stoff zur Unterhaltung bieten -- genug des Wechsels, um das Leben der
auch hier immerhin etwas Abgeschiedenen reizvoller zu gestalten. Wie ganz
anders doch hier, wo sittlicher Ernst und harmloser Frohsinn in einem unserer
Zeit würdigen Bildungsfonds wurzeln, als in der Faktorei des Portugiesen,
der von seinen größeren Ahnen gar nichts gelernt, oder auch alles vergessen
hat. -- Wie wir auch bei uns auf dem "platten Lande" tiefe Unterschiede in
dem Charakter der Ansiedlungen und ihres Lebens finden, so drückt sich eine
gleiche Verschiedenheit auch in den wenigen Städten der Niederguineaküste aus.
Aus dem Hause des Portugiesen scheiden wir meist mit einer andern Art
von Bedauern, als von dem Heimwesen eines Engländers. Der Letztere
kommt aus seinem Vaterlande als Kaufmann hierher, sein guter Einfluß auf
die Eingeborenen verschwindet vor dem bösen der zahlreicheren Portugiesen, die
in den weitaus meisten Fällen ihr Vaterland verließen, weil sie dort nichts
mehr zu thun wissen, als Abenteurer, die das Ausland als letztes Refugium
betrachten und hier erst zu Kaufleuten werden, denen der Zweck jedes Mittel
heiligt.




ohne jene grimmige Freude an den Leiden anderer, die uns im Busch so em¬
pörte. Noch eine Handelskaravcme trifft ein; das Geschäft wird zur Zufrie¬
denheit beider Theile abgeschlossen, als schon der Abend herniedersinkt. Mit
all' jener glorreichen, wunderbaren Pracht und Herrlichkeit, wie sie in diesem
Moment nur der eisige Nord, die Wüste und das Meer kennen, taucht die
Sonne fern unter die Wogen der See und während der Faktorist, wie so oft
schon, entzückt und staunend dein Farbendrama am westlichen Horizont zu¬
schaut, ertönt in klaren, melodischen Tönen der Schlag der Glocke, — es ist
Feierabend; die Leute verzehren ihre einfachen Speisen, der Tisch zum Supper
der Weißen ist gedeckt, man nimmt das Mahl ein, unterhält sich, und wenn
das Abendbrod vorüber ist, sitzen die Herren noch ein Stündchen bei einem
Glase Wein, lesen, plaudern über dies und jenes und der Hausherr entlockt
dem vielgebrauchten Harmonium Melodien, deren choralartiger Charakter diesem
Instrument so sehr entspricht und in der friedlichen Ruhe der Niederlassung so
schön zu der heiligen Stille einer warmen Tropennacht paßt.--

So vergeht auch hier ein Tag nach dem anderen; hin und wieder mehr
oder weniger Besuch, eine Jagdpartie, oder auch mehr Arbeit, wenn die eng¬
lische Mail oder ein größeres Privatschiff der Firma kam, dann einmal eine
Inspektionsreise des Chefs, Ankunft von Zeitungen und Briefen, die für lange
Zeit Stoff zur Unterhaltung bieten — genug des Wechsels, um das Leben der
auch hier immerhin etwas Abgeschiedenen reizvoller zu gestalten. Wie ganz
anders doch hier, wo sittlicher Ernst und harmloser Frohsinn in einem unserer
Zeit würdigen Bildungsfonds wurzeln, als in der Faktorei des Portugiesen,
der von seinen größeren Ahnen gar nichts gelernt, oder auch alles vergessen
hat. — Wie wir auch bei uns auf dem „platten Lande" tiefe Unterschiede in
dem Charakter der Ansiedlungen und ihres Lebens finden, so drückt sich eine
gleiche Verschiedenheit auch in den wenigen Städten der Niederguineaküste aus.
Aus dem Hause des Portugiesen scheiden wir meist mit einer andern Art
von Bedauern, als von dem Heimwesen eines Engländers. Der Letztere
kommt aus seinem Vaterlande als Kaufmann hierher, sein guter Einfluß auf
die Eingeborenen verschwindet vor dem bösen der zahlreicheren Portugiesen, die
in den weitaus meisten Fällen ihr Vaterland verließen, weil sie dort nichts
mehr zu thun wissen, als Abenteurer, die das Ausland als letztes Refugium
betrachten und hier erst zu Kaufleuten werden, denen der Zweck jedes Mittel
heiligt.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/68>, abgerufen am 22.07.2024.