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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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es sind zwei Hängematten, aus denen zwei Weiße springen. Die schwarzen
Träger der Hängematten werden zuerst abgefertigt, einer der Clerks eilt herzu,
öffnet den Fetisch und theilt an jeden der Männer ein kleines Glas Rum aus;
das ist so Brauch wie bei den Briefboten. -- Der Meeresstrand ist die Haupt¬
straße der Westküste Afrika's, an ihm entlang wird gereist und fast in jedem
Hanse spricht der Reisende ein, wenn er nicht gerade Eile hat. Ob fremd
oder bekannt oder befreundet -- er darf freilich keine notorisch zu dunkle
Existenz sein -- überall wird er zuvorkommend und freundlich aufgenommen.
Die Gastfreundschaft ist eine im ausgiebigsten Maße geübte Tugend in jenen
Gegenden; thut es doch jedem Weißen wohl, einmal ein anderes Gesicht zu
sehe" und einmal Neuigkeiten aus anderen Faktoreien zu hören. Besonders
der Portugiese öffnet jedem sein Haus mit einer Liebenswürdigkeit, die zu aus¬
gezeichnet ist, als daß sie nicht mit manchen Schattenseiten seines Charakters
versöhnen sollte. Kommen wir in die Faktorei eines Portugiesen, so stellt uns
der Wirth, vielleicht ohne unseren Namen zu kennen, sich und sein ganzes
Hauswesen zur Verfügung: "Lsndor shea na. sua o^Sö.-- Sie find in Ihrem
Hause!" --

Der Besuch währt nicht lange; eine Einladung zum Abendbrod wird nicht
angenommen, da die Herren (sie sind aus jener Faktorei, die wir etwa zwei
Stunden weit nach Norden noch am Strande erblicken können) auf dem Wege
zu einem Geschästsgenossen sind, und nur einsprechen, um einen Cognac zu
trinken und sich nach dem Befinden der hiesigen Weißen zu erkundigen. Noch
ein Trunk, der "Tschintschin", wird genommen, ein schriller Pfiff schallt von
der Veranda, und die Träger, die sich im Schatten des Hauses gelagert, sprin¬
gen auf und stehen mit ihren Hängematten bereit zur Weiterreise. Die Hänge¬
matte oder Tipoja ist das gebräuchliche Neisevehikel der Europäer in West¬
afrika; sie besteht aus einem übermannslangen und etwa meterbreiten Stück
starken Segeltuches, welches an beiden schmalen Enden mit festen Schnüren
an einer langen, armdicken Stange, dem spanischrohrähnlichen Wedelstiel einer
Naphiapalme hängt. In diese Hängematte legt sich, ein Kissen unter dem
Kopf, mit Tabak, Pfeife und Zündhölzchen verproviantirt, der Reisende, um
vermittelst der Stange auf den Schultern zweier kräftiger, auf diese harte
Arbeit eingeübter Neger im Trabe getragen zu werden. --

Fort ist der Besuch, und bis auf den Gesang der Krooboys, die ohne
Lieder nicht gut leben zu können scheinen, ist es wieder still in der Faktorei
am Strande. Rüstig schaffen die fleißigen ausdauernden Männer unter der
Aufsicht der Clerks, hier und dort ein lauter Befehl, ein ärgerliches Schelt¬
wort -- aber im Vergleich zu den gebräuchlichen portugiesischen Kraftaus-
drttcken stets anständig, ein gutmüthig spottender Scherz oder Schlag, aber


es sind zwei Hängematten, aus denen zwei Weiße springen. Die schwarzen
Träger der Hängematten werden zuerst abgefertigt, einer der Clerks eilt herzu,
öffnet den Fetisch und theilt an jeden der Männer ein kleines Glas Rum aus;
das ist so Brauch wie bei den Briefboten. — Der Meeresstrand ist die Haupt¬
straße der Westküste Afrika's, an ihm entlang wird gereist und fast in jedem
Hanse spricht der Reisende ein, wenn er nicht gerade Eile hat. Ob fremd
oder bekannt oder befreundet — er darf freilich keine notorisch zu dunkle
Existenz sein — überall wird er zuvorkommend und freundlich aufgenommen.
Die Gastfreundschaft ist eine im ausgiebigsten Maße geübte Tugend in jenen
Gegenden; thut es doch jedem Weißen wohl, einmal ein anderes Gesicht zu
sehe» und einmal Neuigkeiten aus anderen Faktoreien zu hören. Besonders
der Portugiese öffnet jedem sein Haus mit einer Liebenswürdigkeit, die zu aus¬
gezeichnet ist, als daß sie nicht mit manchen Schattenseiten seines Charakters
versöhnen sollte. Kommen wir in die Faktorei eines Portugiesen, so stellt uns
der Wirth, vielleicht ohne unseren Namen zu kennen, sich und sein ganzes
Hauswesen zur Verfügung: „Lsndor shea na. sua o^Sö.— Sie find in Ihrem
Hause!" —

Der Besuch währt nicht lange; eine Einladung zum Abendbrod wird nicht
angenommen, da die Herren (sie sind aus jener Faktorei, die wir etwa zwei
Stunden weit nach Norden noch am Strande erblicken können) auf dem Wege
zu einem Geschästsgenossen sind, und nur einsprechen, um einen Cognac zu
trinken und sich nach dem Befinden der hiesigen Weißen zu erkundigen. Noch
ein Trunk, der „Tschintschin", wird genommen, ein schriller Pfiff schallt von
der Veranda, und die Träger, die sich im Schatten des Hauses gelagert, sprin¬
gen auf und stehen mit ihren Hängematten bereit zur Weiterreise. Die Hänge¬
matte oder Tipoja ist das gebräuchliche Neisevehikel der Europäer in West¬
afrika; sie besteht aus einem übermannslangen und etwa meterbreiten Stück
starken Segeltuches, welches an beiden schmalen Enden mit festen Schnüren
an einer langen, armdicken Stange, dem spanischrohrähnlichen Wedelstiel einer
Naphiapalme hängt. In diese Hängematte legt sich, ein Kissen unter dem
Kopf, mit Tabak, Pfeife und Zündhölzchen verproviantirt, der Reisende, um
vermittelst der Stange auf den Schultern zweier kräftiger, auf diese harte
Arbeit eingeübter Neger im Trabe getragen zu werden. —

Fort ist der Besuch, und bis auf den Gesang der Krooboys, die ohne
Lieder nicht gut leben zu können scheinen, ist es wieder still in der Faktorei
am Strande. Rüstig schaffen die fleißigen ausdauernden Männer unter der
Aufsicht der Clerks, hier und dort ein lauter Befehl, ein ärgerliches Schelt¬
wort — aber im Vergleich zu den gebräuchlichen portugiesischen Kraftaus-
drttcken stets anständig, ein gutmüthig spottender Scherz oder Schlag, aber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/67>, abgerufen am 22.07.2024.