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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Blüthe, als zu den Zeiten eines Gallait, eines de Bicfve, eines Leps. Darum ist
die belgische Ausstellung auch reicher an echten historischen Bildern als jede
andere, die französische nicht ausgenommen. Die belgischen Historienmaler be¬
fassen sich nicht mit den Greuelgeschichten des Alterthums: sie greifen in die
bewegte Geschichte ihres Landes und suchen dramatische Momente hervor, die
sie mit vornehmer Gestaltungskraft zu veranschaulichen wissen. An der Spitze
dieser Historienmaler steht der Brüsseler Wärters, dessen ergreifende Komposition
"der Wahnsinn des Hugo van der Goes" bereits in Wien zu sehen war und
neben einer Episode aus dem Leben der Maria von Burgund lebhafte Bewun¬
derung fand. Seither hat der Maler noch eine zweite Episode aus dem Leben
der Fürstin behandelt. Zeigte uns jenes Bild die Fürstin vor den stolzen
Schöffen von Gent, fußfällig für ihre Räthe Hugonet und Hnmbercourt bittend,
so sehen wir sie auf dem neuen Bilde im Gewände der Majestät, die Privi¬
legien der Stadt Brüssel in einer Versammlung der Notabeln beschwörend.
Den Spuren der alten flandrischen Meister, eines van Eyck und Rogier van
der Weyden, zum Theil auch dem Vorgange Henri de Leps' folgen die Brüder
A. und I. de Vriendt, von denen namentlich der letztere den emailartigen
Farbenglanz der alten Meister trefflich zu imitiren versteht. Er hat u. a.
zwei Episoden aus dem Leben der Landgräfin Elisabeth ausgestellt, die durch
ihre ergreifende Wahrheit lebhaft ansprechen.

Es darf nicht Wunder nehmen, daß sich in einem von religiösen Kämpfen
so heftig bewegten Lande wie Belgien der Ultramontanismus auch in der Kunst
und vornehmlich in der Historienmalerei eingenistet hat. Ein Brüsseler Maler,
Namens Cluysenaer, ist auf den Gedanken gekommen, zur achthundertjähriger
Jubelfeier des Ganges nach Canossa diese für den Ultramontanismus ungemein
schätzbare Thatsache in einem riesengroßen Histvrienbilde zu verewigen. Glück¬
licherweise reichten die Kräfte dieses Malers nicht aus, um eine solche Aufgabe
zu bewältigen. Der Papst Gregor sieht wie ein Schlächter aus, der ein Opfer¬
thier erwartet, und die Mannen, die um ihn stehen, sind ihres Gebieters
würdig. Die Spitze dieser widerwärtigen Karrikatur -- ein Bild kann man
dieses Machwerk kaum nennen -- ist unverkennbar gegen Deutschland gerichtet.
Damit kein Zweisel über die Absicht des ultramontanen Tintoretto's übrig
bleibe, hat derselbe einem der Kriegsknechte, die neben dem Papste stehen, die
Züge unseres Fürsten Reichskanzlers gegeben. Die Annahme dieses Bildes
von Seiten der Weltausstellunzsjury wirft ein schlechtes Licht auf die Courtoisie
der Franzosen gegen Deutschland, von der die Pariser Blätter nicht genug Auf¬
hebens machen konnten.

An der Spitze der Antwerpener Schule steht der energische Naturalist
Charles Verlat, der eine Zeit lang auch an der Kunstschule in Weimar thätig


Blüthe, als zu den Zeiten eines Gallait, eines de Bicfve, eines Leps. Darum ist
die belgische Ausstellung auch reicher an echten historischen Bildern als jede
andere, die französische nicht ausgenommen. Die belgischen Historienmaler be¬
fassen sich nicht mit den Greuelgeschichten des Alterthums: sie greifen in die
bewegte Geschichte ihres Landes und suchen dramatische Momente hervor, die
sie mit vornehmer Gestaltungskraft zu veranschaulichen wissen. An der Spitze
dieser Historienmaler steht der Brüsseler Wärters, dessen ergreifende Komposition
„der Wahnsinn des Hugo van der Goes" bereits in Wien zu sehen war und
neben einer Episode aus dem Leben der Maria von Burgund lebhafte Bewun¬
derung fand. Seither hat der Maler noch eine zweite Episode aus dem Leben
der Fürstin behandelt. Zeigte uns jenes Bild die Fürstin vor den stolzen
Schöffen von Gent, fußfällig für ihre Räthe Hugonet und Hnmbercourt bittend,
so sehen wir sie auf dem neuen Bilde im Gewände der Majestät, die Privi¬
legien der Stadt Brüssel in einer Versammlung der Notabeln beschwörend.
Den Spuren der alten flandrischen Meister, eines van Eyck und Rogier van
der Weyden, zum Theil auch dem Vorgange Henri de Leps' folgen die Brüder
A. und I. de Vriendt, von denen namentlich der letztere den emailartigen
Farbenglanz der alten Meister trefflich zu imitiren versteht. Er hat u. a.
zwei Episoden aus dem Leben der Landgräfin Elisabeth ausgestellt, die durch
ihre ergreifende Wahrheit lebhaft ansprechen.

Es darf nicht Wunder nehmen, daß sich in einem von religiösen Kämpfen
so heftig bewegten Lande wie Belgien der Ultramontanismus auch in der Kunst
und vornehmlich in der Historienmalerei eingenistet hat. Ein Brüsseler Maler,
Namens Cluysenaer, ist auf den Gedanken gekommen, zur achthundertjähriger
Jubelfeier des Ganges nach Canossa diese für den Ultramontanismus ungemein
schätzbare Thatsache in einem riesengroßen Histvrienbilde zu verewigen. Glück¬
licherweise reichten die Kräfte dieses Malers nicht aus, um eine solche Aufgabe
zu bewältigen. Der Papst Gregor sieht wie ein Schlächter aus, der ein Opfer¬
thier erwartet, und die Mannen, die um ihn stehen, sind ihres Gebieters
würdig. Die Spitze dieser widerwärtigen Karrikatur — ein Bild kann man
dieses Machwerk kaum nennen — ist unverkennbar gegen Deutschland gerichtet.
Damit kein Zweisel über die Absicht des ultramontanen Tintoretto's übrig
bleibe, hat derselbe einem der Kriegsknechte, die neben dem Papste stehen, die
Züge unseres Fürsten Reichskanzlers gegeben. Die Annahme dieses Bildes
von Seiten der Weltausstellunzsjury wirft ein schlechtes Licht auf die Courtoisie
der Franzosen gegen Deutschland, von der die Pariser Blätter nicht genug Auf¬
hebens machen konnten.

An der Spitze der Antwerpener Schule steht der energische Naturalist
Charles Verlat, der eine Zeit lang auch an der Kunstschule in Weimar thätig


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[0520] Blüthe, als zu den Zeiten eines Gallait, eines de Bicfve, eines Leps. Darum ist die belgische Ausstellung auch reicher an echten historischen Bildern als jede andere, die französische nicht ausgenommen. Die belgischen Historienmaler be¬ fassen sich nicht mit den Greuelgeschichten des Alterthums: sie greifen in die bewegte Geschichte ihres Landes und suchen dramatische Momente hervor, die sie mit vornehmer Gestaltungskraft zu veranschaulichen wissen. An der Spitze dieser Historienmaler steht der Brüsseler Wärters, dessen ergreifende Komposition „der Wahnsinn des Hugo van der Goes" bereits in Wien zu sehen war und neben einer Episode aus dem Leben der Maria von Burgund lebhafte Bewun¬ derung fand. Seither hat der Maler noch eine zweite Episode aus dem Leben der Fürstin behandelt. Zeigte uns jenes Bild die Fürstin vor den stolzen Schöffen von Gent, fußfällig für ihre Räthe Hugonet und Hnmbercourt bittend, so sehen wir sie auf dem neuen Bilde im Gewände der Majestät, die Privi¬ legien der Stadt Brüssel in einer Versammlung der Notabeln beschwörend. Den Spuren der alten flandrischen Meister, eines van Eyck und Rogier van der Weyden, zum Theil auch dem Vorgange Henri de Leps' folgen die Brüder A. und I. de Vriendt, von denen namentlich der letztere den emailartigen Farbenglanz der alten Meister trefflich zu imitiren versteht. Er hat u. a. zwei Episoden aus dem Leben der Landgräfin Elisabeth ausgestellt, die durch ihre ergreifende Wahrheit lebhaft ansprechen. Es darf nicht Wunder nehmen, daß sich in einem von religiösen Kämpfen so heftig bewegten Lande wie Belgien der Ultramontanismus auch in der Kunst und vornehmlich in der Historienmalerei eingenistet hat. Ein Brüsseler Maler, Namens Cluysenaer, ist auf den Gedanken gekommen, zur achthundertjähriger Jubelfeier des Ganges nach Canossa diese für den Ultramontanismus ungemein schätzbare Thatsache in einem riesengroßen Histvrienbilde zu verewigen. Glück¬ licherweise reichten die Kräfte dieses Malers nicht aus, um eine solche Aufgabe zu bewältigen. Der Papst Gregor sieht wie ein Schlächter aus, der ein Opfer¬ thier erwartet, und die Mannen, die um ihn stehen, sind ihres Gebieters würdig. Die Spitze dieser widerwärtigen Karrikatur — ein Bild kann man dieses Machwerk kaum nennen — ist unverkennbar gegen Deutschland gerichtet. Damit kein Zweisel über die Absicht des ultramontanen Tintoretto's übrig bleibe, hat derselbe einem der Kriegsknechte, die neben dem Papste stehen, die Züge unseres Fürsten Reichskanzlers gegeben. Die Annahme dieses Bildes von Seiten der Weltausstellunzsjury wirft ein schlechtes Licht auf die Courtoisie der Franzosen gegen Deutschland, von der die Pariser Blätter nicht genug Auf¬ hebens machen konnten. An der Spitze der Antwerpener Schule steht der energische Naturalist Charles Verlat, der eine Zeit lang auch an der Kunstschule in Weimar thätig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/520>, abgerufen am 22.07.2024.