Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die römische Welt begann des Bürgerkrieges müde zu werden. Laut
klagt Horaz:*)


Schon in's zweite Geschlecht fortwüthet die Fehde der Bürger
Und Rom erliegt verblutend unter Römcrhand.
Sie, die nimmer zu stürzen vermocht der Marsische Nachbar,
Noch Porsenna's anstürmendes Etruskerheer,
Die nicht Capua's mächtiger Neid, nicht Spartakus Thatkraft,
Nicht Allobrogischer Hochverrath zu Boden zwang,
Selbst Germania nicht mit der Kraft blauäugiger Jugend,
Noch unserer Väter grauses Schreckbild, Hannibal,
Uns, dem uusel'gen Geschlecht aus sündigen Samen erliegt sie!
Und schweifend Wild wird Hausen wieder, wo sie stand.
Wehe, da pflanzt in den Schutt der Barbar sein Banner des Sieges,
Sein Reiter stampft mit schwerem Huf die Trnmmerstatt,
Und des Quirinus Gebein, aus heiligem Dunkel gerissen --
Fluchwürdiger Anblick! -- streut umher sein Uebermuth.

In der That: diese sehr gerechtfertigte Sorge vor dem Einbrüche der Barbaren
war der mächtigste Fürsprech für das einigende, kräftezusammenhaltende Jinpe-
ratorenthum.

Wenn auch die Feldherrn nicht selbst der Monarchie zustrebten -- sie mußte
dennoch kommen. Die Zusammensetzung des Heeres, die unaufhörlichen Kriege
gegen das Ausland verlangten die Militärherrschaft als einzige Möglichkeit,
die nothwendige kriegerische Einheit zusammenfassen und entfalten zu können.
Und auf dem Grunde dieser Nothwendigkeit erhob sich Cäsar's Prinzipal.

Die Entwickelung, wie sie sich seit Marius in der römischen Kriegsver¬
fassung vollzog, darf also nicht als Ausfluß eines Willkührakts betrachtet werden;
sie lag in der Natur der Dinge selbst. Seit Rom durch seine Waffenthaten
zu einem großen Reiche geworden war, vermochten die aus der ökonomischen
Arbeit hervorgegangenen Elemente nicht mehr, die ungeheuere Kriegsarbeit zu
leisten, welche schon die Greuzhut allein in Anspruch nahm. Denn die allge¬
meine Wehrpflicht der alten Zeit galt ja keineswegs für alle Männer, die im
Lande lebten, sondern nur für die Bürger, d. h. nur für die Grundbe¬
sitzenden, welche Antheil nahmen am Staate und dessen Regierung. Hatte der
Bürgerstaat Rom mit Hilfe des Krieges der Welt Gesetze vorgeschrieben, so
zwang nun der Krieg selbst den Römern neue Lebensnormen auf, nämlich die
Verallgemeinerung des Kriegsdienstes über den Kreis der Bürger hinaus, und
zwar nicht als Wehrpflicht, sondern als Söldnerei. Es ist kaum zu verkennen,
daß die Einführung des inländischen Werbesystems durch Marius den Staat
militärisch vom Untergange gerettet hat; gewiß aber ist, daß die marianische
Heereszusammensetzung die Monarchie herbeiführen mußte. -- Wohl bestand



*) Oden. "Während der Bürgerkriege" (Geibel'sche Uebertragung.)

Die römische Welt begann des Bürgerkrieges müde zu werden. Laut
klagt Horaz:*)


Schon in's zweite Geschlecht fortwüthet die Fehde der Bürger
Und Rom erliegt verblutend unter Römcrhand.
Sie, die nimmer zu stürzen vermocht der Marsische Nachbar,
Noch Porsenna's anstürmendes Etruskerheer,
Die nicht Capua's mächtiger Neid, nicht Spartakus Thatkraft,
Nicht Allobrogischer Hochverrath zu Boden zwang,
Selbst Germania nicht mit der Kraft blauäugiger Jugend,
Noch unserer Väter grauses Schreckbild, Hannibal,
Uns, dem uusel'gen Geschlecht aus sündigen Samen erliegt sie!
Und schweifend Wild wird Hausen wieder, wo sie stand.
Wehe, da pflanzt in den Schutt der Barbar sein Banner des Sieges,
Sein Reiter stampft mit schwerem Huf die Trnmmerstatt,
Und des Quirinus Gebein, aus heiligem Dunkel gerissen —
Fluchwürdiger Anblick! — streut umher sein Uebermuth.

In der That: diese sehr gerechtfertigte Sorge vor dem Einbrüche der Barbaren
war der mächtigste Fürsprech für das einigende, kräftezusammenhaltende Jinpe-
ratorenthum.

Wenn auch die Feldherrn nicht selbst der Monarchie zustrebten — sie mußte
dennoch kommen. Die Zusammensetzung des Heeres, die unaufhörlichen Kriege
gegen das Ausland verlangten die Militärherrschaft als einzige Möglichkeit,
die nothwendige kriegerische Einheit zusammenfassen und entfalten zu können.
Und auf dem Grunde dieser Nothwendigkeit erhob sich Cäsar's Prinzipal.

Die Entwickelung, wie sie sich seit Marius in der römischen Kriegsver¬
fassung vollzog, darf also nicht als Ausfluß eines Willkührakts betrachtet werden;
sie lag in der Natur der Dinge selbst. Seit Rom durch seine Waffenthaten
zu einem großen Reiche geworden war, vermochten die aus der ökonomischen
Arbeit hervorgegangenen Elemente nicht mehr, die ungeheuere Kriegsarbeit zu
leisten, welche schon die Greuzhut allein in Anspruch nahm. Denn die allge¬
meine Wehrpflicht der alten Zeit galt ja keineswegs für alle Männer, die im
Lande lebten, sondern nur für die Bürger, d. h. nur für die Grundbe¬
sitzenden, welche Antheil nahmen am Staate und dessen Regierung. Hatte der
Bürgerstaat Rom mit Hilfe des Krieges der Welt Gesetze vorgeschrieben, so
zwang nun der Krieg selbst den Römern neue Lebensnormen auf, nämlich die
Verallgemeinerung des Kriegsdienstes über den Kreis der Bürger hinaus, und
zwar nicht als Wehrpflicht, sondern als Söldnerei. Es ist kaum zu verkennen,
daß die Einführung des inländischen Werbesystems durch Marius den Staat
militärisch vom Untergange gerettet hat; gewiß aber ist, daß die marianische
Heereszusammensetzung die Monarchie herbeiführen mußte. — Wohl bestand



*) Oden. „Während der Bürgerkriege" (Geibel'sche Uebertragung.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0506" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140857"/>
          <p xml:id="ID_1542"> Die römische Welt begann des Bürgerkrieges müde zu werden. Laut<lb/>
klagt Horaz:*)</p><lb/>
          <quote> Schon in's zweite Geschlecht fortwüthet die Fehde der Bürger<lb/>
Und Rom erliegt verblutend unter Römcrhand.<lb/>
Sie, die nimmer zu stürzen vermocht der Marsische Nachbar,<lb/>
Noch Porsenna's anstürmendes Etruskerheer,<lb/>
Die nicht Capua's mächtiger Neid, nicht Spartakus Thatkraft,<lb/>
Nicht Allobrogischer Hochverrath zu Boden zwang,<lb/>
Selbst Germania nicht mit der Kraft blauäugiger Jugend,<lb/>
Noch unserer Väter grauses Schreckbild, Hannibal,<lb/>
Uns, dem uusel'gen Geschlecht aus sündigen Samen erliegt sie!<lb/>
Und schweifend Wild wird Hausen wieder, wo sie stand.<lb/>
Wehe, da pflanzt in den Schutt der Barbar sein Banner des Sieges,<lb/>
Sein Reiter stampft mit schwerem Huf die Trnmmerstatt,<lb/>
Und des Quirinus Gebein, aus heiligem Dunkel gerissen &#x2014;<lb/>
Fluchwürdiger Anblick! &#x2014; streut umher sein Uebermuth.</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_1543"> In der That: diese sehr gerechtfertigte Sorge vor dem Einbrüche der Barbaren<lb/>
war der mächtigste Fürsprech für das einigende, kräftezusammenhaltende Jinpe-<lb/>
ratorenthum.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1544"> Wenn auch die Feldherrn nicht selbst der Monarchie zustrebten &#x2014; sie mußte<lb/>
dennoch kommen. Die Zusammensetzung des Heeres, die unaufhörlichen Kriege<lb/>
gegen das Ausland verlangten die Militärherrschaft als einzige Möglichkeit,<lb/>
die nothwendige kriegerische Einheit zusammenfassen und entfalten zu können.<lb/>
Und auf dem Grunde dieser Nothwendigkeit erhob sich Cäsar's Prinzipal.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1545" next="#ID_1546"> Die Entwickelung, wie sie sich seit Marius in der römischen Kriegsver¬<lb/>
fassung vollzog, darf also nicht als Ausfluß eines Willkührakts betrachtet werden;<lb/>
sie lag in der Natur der Dinge selbst. Seit Rom durch seine Waffenthaten<lb/>
zu einem großen Reiche geworden war, vermochten die aus der ökonomischen<lb/>
Arbeit hervorgegangenen Elemente nicht mehr, die ungeheuere Kriegsarbeit zu<lb/>
leisten, welche schon die Greuzhut allein in Anspruch nahm. Denn die allge¬<lb/>
meine Wehrpflicht der alten Zeit galt ja keineswegs für alle Männer, die im<lb/>
Lande lebten, sondern nur für die Bürger, d. h. nur für die Grundbe¬<lb/>
sitzenden, welche Antheil nahmen am Staate und dessen Regierung. Hatte der<lb/>
Bürgerstaat Rom mit Hilfe des Krieges der Welt Gesetze vorgeschrieben, so<lb/>
zwang nun der Krieg selbst den Römern neue Lebensnormen auf, nämlich die<lb/>
Verallgemeinerung des Kriegsdienstes über den Kreis der Bürger hinaus, und<lb/>
zwar nicht als Wehrpflicht, sondern als Söldnerei. Es ist kaum zu verkennen,<lb/>
daß die Einführung des inländischen Werbesystems durch Marius den Staat<lb/>
militärisch vom Untergange gerettet hat; gewiß aber ist, daß die marianische<lb/>
Heereszusammensetzung die Monarchie herbeiführen mußte. &#x2014; Wohl bestand</p><lb/>
          <note xml:id="FID_245" place="foot"> *) Oden.    &#x201E;Während der Bürgerkriege" (Geibel'sche Uebertragung.)</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0506] Die römische Welt begann des Bürgerkrieges müde zu werden. Laut klagt Horaz:*) Schon in's zweite Geschlecht fortwüthet die Fehde der Bürger Und Rom erliegt verblutend unter Römcrhand. Sie, die nimmer zu stürzen vermocht der Marsische Nachbar, Noch Porsenna's anstürmendes Etruskerheer, Die nicht Capua's mächtiger Neid, nicht Spartakus Thatkraft, Nicht Allobrogischer Hochverrath zu Boden zwang, Selbst Germania nicht mit der Kraft blauäugiger Jugend, Noch unserer Väter grauses Schreckbild, Hannibal, Uns, dem uusel'gen Geschlecht aus sündigen Samen erliegt sie! Und schweifend Wild wird Hausen wieder, wo sie stand. Wehe, da pflanzt in den Schutt der Barbar sein Banner des Sieges, Sein Reiter stampft mit schwerem Huf die Trnmmerstatt, Und des Quirinus Gebein, aus heiligem Dunkel gerissen — Fluchwürdiger Anblick! — streut umher sein Uebermuth. In der That: diese sehr gerechtfertigte Sorge vor dem Einbrüche der Barbaren war der mächtigste Fürsprech für das einigende, kräftezusammenhaltende Jinpe- ratorenthum. Wenn auch die Feldherrn nicht selbst der Monarchie zustrebten — sie mußte dennoch kommen. Die Zusammensetzung des Heeres, die unaufhörlichen Kriege gegen das Ausland verlangten die Militärherrschaft als einzige Möglichkeit, die nothwendige kriegerische Einheit zusammenfassen und entfalten zu können. Und auf dem Grunde dieser Nothwendigkeit erhob sich Cäsar's Prinzipal. Die Entwickelung, wie sie sich seit Marius in der römischen Kriegsver¬ fassung vollzog, darf also nicht als Ausfluß eines Willkührakts betrachtet werden; sie lag in der Natur der Dinge selbst. Seit Rom durch seine Waffenthaten zu einem großen Reiche geworden war, vermochten die aus der ökonomischen Arbeit hervorgegangenen Elemente nicht mehr, die ungeheuere Kriegsarbeit zu leisten, welche schon die Greuzhut allein in Anspruch nahm. Denn die allge¬ meine Wehrpflicht der alten Zeit galt ja keineswegs für alle Männer, die im Lande lebten, sondern nur für die Bürger, d. h. nur für die Grundbe¬ sitzenden, welche Antheil nahmen am Staate und dessen Regierung. Hatte der Bürgerstaat Rom mit Hilfe des Krieges der Welt Gesetze vorgeschrieben, so zwang nun der Krieg selbst den Römern neue Lebensnormen auf, nämlich die Verallgemeinerung des Kriegsdienstes über den Kreis der Bürger hinaus, und zwar nicht als Wehrpflicht, sondern als Söldnerei. Es ist kaum zu verkennen, daß die Einführung des inländischen Werbesystems durch Marius den Staat militärisch vom Untergange gerettet hat; gewiß aber ist, daß die marianische Heereszusammensetzung die Monarchie herbeiführen mußte. — Wohl bestand *) Oden. „Während der Bürgerkriege" (Geibel'sche Uebertragung.)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/506
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/506>, abgerufen am 22.07.2024.