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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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abhängiger, und endlich hatten sie sich Freiheiten herausgenommen, die ihnen
nicht durch die Gesetze zugewiesen waren. Martins unternahm, ohne anzu¬
fragen, einen Raubkrieg gegen die Galater; Cassius versuchte im Jahre 170
in eine Provinz einzudringen, die ihm nicht zugewiesen worden; Popilius
Lamas, Claudius, Martins Vnlso bekriegten Völker, mit denen Frieden zu
halten, sie angewiesen waren. Wenig nur galt noch den Heerführern das
überkommene Gesetz der Republik. Als Marius nach der Schlacht auf dem
raudischen Felde an zwei Kohorten italischer Bundesgenossen, ihrer tapferen Hal¬
tung wegen, auf der Wahlstatt selbst das Bürgerrecht gab, da war das eine
durchaus verfassungswidrige Handlung. Er aber entschuldigte sich damit, daß
er im Lärme der Schlacht die Stimme der Gesetze nicht habe unterscheiden
können. Wer mochte nun dafür stehen, daß, wenn einmal in wichtigeren
Fragen das Interesse des Heeres und des Feldherrn sich in verfassungswidrigen
Verlangen begegneten -- dann nicht noch andere Gesetze vom Geklirr der Waffen
übertönt werden würden! In alle dem zeigt sich eine bedeutungsvolle Stei¬
gerung der Gewalt und der Eigenmächtigkeit der Konsuln. -- Die Hinzuziehung
des Proletariats zum Militärdienste wirkte natürlich ebenfalls und um so
rascher in dieser Richtung, als uralte Satzungen dem Feldherrn ein nur mit
sehr soliden republikanischen Einrichtungen verträgliches willkürliches Belvh-
nungsrecht seiner Soldaten einräumten und den letzteren, insofern sie tüchtig
und glücklich waren, eine Art -Anrecht auf bewegliche Beute und auf ein Stück
des gewonnenen Ackers gewährten. Den Proletarier nahm nach seiner Ent¬
lassung aus dem Dienste kein Invaliden-, ja nicht einmal ein Arbeitshaus auf;
er mußte durchaus danach streben, so lange bei der Fahne zu bleiben, bis er
sich durch Donation des Feldherrn eine bürgerliche Existenz gegründet hatte.
Der Feldherr war seine einzige Hoffnung, und was darin lag, leuchtet ein.
Die Heere, welche nun die Schlachten Rom's schlagen, sind keine Bürgerheere
mehr; ergraut unter Aufruhr und Zuchtlosigkeit, umschmeichelt von den Par¬
teien, schwindet den Augen des römischen Soldaten das heilige Bild des Vater¬
lands. Nur noch als Kriegsknechte fühlen sie sich, als Trabanten des Feld¬
herrn. Nicht schärfer wußte Cäsar ihnen seine Unzufriedenheit zu bezeigen, als
wenn er sie einmal statt LiominilitonW! (Kameraden) yuiritss! anredete
(Bürger). -- Militärische Ehre, Korpsgeist, Kriegsbeute und die zwingherrliche
Stellung gegenüber den Fremden und Provinzialen entschädigte für die Be¬
haglichkeit eines kleinbürgerlichen Lebens; die immer wachsenden auxilig., die
Hilfsschaaren der Unterthanen und Bundesgenossen, erleichterten dem Legionär
den Dienst und machten den Krieg weniger mörderisch für ihn. -- Das neue
Exerzierreglement mit seiner den Knnstfechtern abgeborgten Routine forderte
viel Uebung, gewährte Beschäftigung und trug mit dazu bei, ein eigentliches


abhängiger, und endlich hatten sie sich Freiheiten herausgenommen, die ihnen
nicht durch die Gesetze zugewiesen waren. Martins unternahm, ohne anzu¬
fragen, einen Raubkrieg gegen die Galater; Cassius versuchte im Jahre 170
in eine Provinz einzudringen, die ihm nicht zugewiesen worden; Popilius
Lamas, Claudius, Martins Vnlso bekriegten Völker, mit denen Frieden zu
halten, sie angewiesen waren. Wenig nur galt noch den Heerführern das
überkommene Gesetz der Republik. Als Marius nach der Schlacht auf dem
raudischen Felde an zwei Kohorten italischer Bundesgenossen, ihrer tapferen Hal¬
tung wegen, auf der Wahlstatt selbst das Bürgerrecht gab, da war das eine
durchaus verfassungswidrige Handlung. Er aber entschuldigte sich damit, daß
er im Lärme der Schlacht die Stimme der Gesetze nicht habe unterscheiden
können. Wer mochte nun dafür stehen, daß, wenn einmal in wichtigeren
Fragen das Interesse des Heeres und des Feldherrn sich in verfassungswidrigen
Verlangen begegneten — dann nicht noch andere Gesetze vom Geklirr der Waffen
übertönt werden würden! In alle dem zeigt sich eine bedeutungsvolle Stei¬
gerung der Gewalt und der Eigenmächtigkeit der Konsuln. — Die Hinzuziehung
des Proletariats zum Militärdienste wirkte natürlich ebenfalls und um so
rascher in dieser Richtung, als uralte Satzungen dem Feldherrn ein nur mit
sehr soliden republikanischen Einrichtungen verträgliches willkürliches Belvh-
nungsrecht seiner Soldaten einräumten und den letzteren, insofern sie tüchtig
und glücklich waren, eine Art -Anrecht auf bewegliche Beute und auf ein Stück
des gewonnenen Ackers gewährten. Den Proletarier nahm nach seiner Ent¬
lassung aus dem Dienste kein Invaliden-, ja nicht einmal ein Arbeitshaus auf;
er mußte durchaus danach streben, so lange bei der Fahne zu bleiben, bis er
sich durch Donation des Feldherrn eine bürgerliche Existenz gegründet hatte.
Der Feldherr war seine einzige Hoffnung, und was darin lag, leuchtet ein.
Die Heere, welche nun die Schlachten Rom's schlagen, sind keine Bürgerheere
mehr; ergraut unter Aufruhr und Zuchtlosigkeit, umschmeichelt von den Par¬
teien, schwindet den Augen des römischen Soldaten das heilige Bild des Vater¬
lands. Nur noch als Kriegsknechte fühlen sie sich, als Trabanten des Feld¬
herrn. Nicht schärfer wußte Cäsar ihnen seine Unzufriedenheit zu bezeigen, als
wenn er sie einmal statt LiominilitonW! (Kameraden) yuiritss! anredete
(Bürger). — Militärische Ehre, Korpsgeist, Kriegsbeute und die zwingherrliche
Stellung gegenüber den Fremden und Provinzialen entschädigte für die Be¬
haglichkeit eines kleinbürgerlichen Lebens; die immer wachsenden auxilig., die
Hilfsschaaren der Unterthanen und Bundesgenossen, erleichterten dem Legionär
den Dienst und machten den Krieg weniger mörderisch für ihn. — Das neue
Exerzierreglement mit seiner den Knnstfechtern abgeborgten Routine forderte
viel Uebung, gewährte Beschäftigung und trug mit dazu bei, ein eigentliches


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[0501] abhängiger, und endlich hatten sie sich Freiheiten herausgenommen, die ihnen nicht durch die Gesetze zugewiesen waren. Martins unternahm, ohne anzu¬ fragen, einen Raubkrieg gegen die Galater; Cassius versuchte im Jahre 170 in eine Provinz einzudringen, die ihm nicht zugewiesen worden; Popilius Lamas, Claudius, Martins Vnlso bekriegten Völker, mit denen Frieden zu halten, sie angewiesen waren. Wenig nur galt noch den Heerführern das überkommene Gesetz der Republik. Als Marius nach der Schlacht auf dem raudischen Felde an zwei Kohorten italischer Bundesgenossen, ihrer tapferen Hal¬ tung wegen, auf der Wahlstatt selbst das Bürgerrecht gab, da war das eine durchaus verfassungswidrige Handlung. Er aber entschuldigte sich damit, daß er im Lärme der Schlacht die Stimme der Gesetze nicht habe unterscheiden können. Wer mochte nun dafür stehen, daß, wenn einmal in wichtigeren Fragen das Interesse des Heeres und des Feldherrn sich in verfassungswidrigen Verlangen begegneten — dann nicht noch andere Gesetze vom Geklirr der Waffen übertönt werden würden! In alle dem zeigt sich eine bedeutungsvolle Stei¬ gerung der Gewalt und der Eigenmächtigkeit der Konsuln. — Die Hinzuziehung des Proletariats zum Militärdienste wirkte natürlich ebenfalls und um so rascher in dieser Richtung, als uralte Satzungen dem Feldherrn ein nur mit sehr soliden republikanischen Einrichtungen verträgliches willkürliches Belvh- nungsrecht seiner Soldaten einräumten und den letzteren, insofern sie tüchtig und glücklich waren, eine Art -Anrecht auf bewegliche Beute und auf ein Stück des gewonnenen Ackers gewährten. Den Proletarier nahm nach seiner Ent¬ lassung aus dem Dienste kein Invaliden-, ja nicht einmal ein Arbeitshaus auf; er mußte durchaus danach streben, so lange bei der Fahne zu bleiben, bis er sich durch Donation des Feldherrn eine bürgerliche Existenz gegründet hatte. Der Feldherr war seine einzige Hoffnung, und was darin lag, leuchtet ein. Die Heere, welche nun die Schlachten Rom's schlagen, sind keine Bürgerheere mehr; ergraut unter Aufruhr und Zuchtlosigkeit, umschmeichelt von den Par¬ teien, schwindet den Augen des römischen Soldaten das heilige Bild des Vater¬ lands. Nur noch als Kriegsknechte fühlen sie sich, als Trabanten des Feld¬ herrn. Nicht schärfer wußte Cäsar ihnen seine Unzufriedenheit zu bezeigen, als wenn er sie einmal statt LiominilitonW! (Kameraden) yuiritss! anredete (Bürger). — Militärische Ehre, Korpsgeist, Kriegsbeute und die zwingherrliche Stellung gegenüber den Fremden und Provinzialen entschädigte für die Be¬ haglichkeit eines kleinbürgerlichen Lebens; die immer wachsenden auxilig., die Hilfsschaaren der Unterthanen und Bundesgenossen, erleichterten dem Legionär den Dienst und machten den Krieg weniger mörderisch für ihn. — Das neue Exerzierreglement mit seiner den Knnstfechtern abgeborgten Routine forderte viel Uebung, gewährte Beschäftigung und trug mit dazu bei, ein eigentliches

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/501>, abgerufen am 22.07.2024.