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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Diese wilden, kampfesfreudigen Germanen drangen nämlich meist gleich
zu Beginn der Schlacht mit wüthendem Ungestüm durch die Intervalle der
Manipularstellung bis in das Herz der Legion und nahmen dadurch den
römischen Feldherrn jede Möglichkeit, von den Vortheilen ihrer auf nachhaltigen
Kampf berechneten Treffenstellung Gebrauch zu machen. Etwas Aehnliches
hatte sich einst vor 200 Jahren gezeigt, als man zum erstenmale der hellenischen
Phalanx in den Heeren des Pyrrhos gegenübergetreten war. Damals hatte
man das Heilmittel darin gesucht und gefunden, daß man die Manipel der
beiden ersten Treffen, die der Hastaten und der Prinzipes, von 60 auf 100
Mann verstärkte und den Kompaguiekolonnen dadurch eine größere Wucht und
Widerstandskraft gab. Jetzt nun entschloß man sich, je drei auf gleiche Stärke
gebrachte Manipel zu vereinigen und die so entstandene, der Bataillonskolonne
angenäherte Form als taktische Einheit, als Grundlage der Schlachtordnung
anzunehmen. Diese neue taktische Einheit, nach der nun auch die Stärke der
Heere angegeben zu werden Pflegt, wurde vota-s genannt.

Die Erfahrungen gegenüber den Germanen waren übrigens gewiß nicht
der einzige Grund für die Annahme der Kohortenformation: ein nicht minder
starker Impuls lag unzweifelhaft in der Verschlechterung des Ersatzes. Die
Fechtweise der Mauipularlegion hatte große Selbständigkeit und Tüchtigkeit
des einzelnen Mannes vorausgesetzt, und darauf war jetzt weniger zu rechnen
als ehedem. Die Zusammenfassung der Manipel zur Kohorte mahnt in dieser
Beziehung an die Kolonnenmassirungen zur Zeit der ersten französischen Revo¬
lution, welche ähnlichen Rücksichten entsprangen.

Begriff und Ausdruck "cotwrs" waren, wie wir wissen, alt hergebracht;
neu war dagegen die reglemeutsmäßige taktische Eintheilung der Legion in
Kohorten, wobei übrigens der Manipel nach wie vor Unterabtheilung blieb.
-- Die Legion zerfiel nun in 10 Kohorten, 30 Manipel, 60 Centurien oder
Ordines. Bei einer Legions-Stärke von 6000 Mann -- und dies ist die
Regel*) -- zählte eine Kohorte also 600 Mann, und man darf sie daher wohl
als Bataillon bezeichnen. Diese Kohorte war jetzt die Gefechtseinheit der In¬
fanterie, und als solche hatte sie vermuthlich auch ihr eigenes sissmim.^) In
der Kohortenfront standen wahrscheinlich die Manipel nebeneinander, und zwar
nach dem Range der Centurionen und der Mannschaft vom rechten zum linken




?söll ox. x. 336; Lange I>. 13. - Die 6 Legionen des Lucullus berechnet ^xxi-"n
(L. UMr. 72) auf 30,000 Mann; Cicero hatte in Kilikien 12,000 Mann in 2 Legionen
(vio. ^et. 5, 16; ?1ut. vio. 36.)
**) Bernb: Das Wappenwesen der Griechen und Römer. Bonn. 1841. -- Linden-
schmit: Alterthümer. 1. Hft. 7. Taf. S, wo eine Silberplatte mit der Inschrift von. V ab-
gebildet ist.
Grenzboten III. 1S78. 62

Diese wilden, kampfesfreudigen Germanen drangen nämlich meist gleich
zu Beginn der Schlacht mit wüthendem Ungestüm durch die Intervalle der
Manipularstellung bis in das Herz der Legion und nahmen dadurch den
römischen Feldherrn jede Möglichkeit, von den Vortheilen ihrer auf nachhaltigen
Kampf berechneten Treffenstellung Gebrauch zu machen. Etwas Aehnliches
hatte sich einst vor 200 Jahren gezeigt, als man zum erstenmale der hellenischen
Phalanx in den Heeren des Pyrrhos gegenübergetreten war. Damals hatte
man das Heilmittel darin gesucht und gefunden, daß man die Manipel der
beiden ersten Treffen, die der Hastaten und der Prinzipes, von 60 auf 100
Mann verstärkte und den Kompaguiekolonnen dadurch eine größere Wucht und
Widerstandskraft gab. Jetzt nun entschloß man sich, je drei auf gleiche Stärke
gebrachte Manipel zu vereinigen und die so entstandene, der Bataillonskolonne
angenäherte Form als taktische Einheit, als Grundlage der Schlachtordnung
anzunehmen. Diese neue taktische Einheit, nach der nun auch die Stärke der
Heere angegeben zu werden Pflegt, wurde vota-s genannt.

Die Erfahrungen gegenüber den Germanen waren übrigens gewiß nicht
der einzige Grund für die Annahme der Kohortenformation: ein nicht minder
starker Impuls lag unzweifelhaft in der Verschlechterung des Ersatzes. Die
Fechtweise der Mauipularlegion hatte große Selbständigkeit und Tüchtigkeit
des einzelnen Mannes vorausgesetzt, und darauf war jetzt weniger zu rechnen
als ehedem. Die Zusammenfassung der Manipel zur Kohorte mahnt in dieser
Beziehung an die Kolonnenmassirungen zur Zeit der ersten französischen Revo¬
lution, welche ähnlichen Rücksichten entsprangen.

Begriff und Ausdruck „cotwrs" waren, wie wir wissen, alt hergebracht;
neu war dagegen die reglemeutsmäßige taktische Eintheilung der Legion in
Kohorten, wobei übrigens der Manipel nach wie vor Unterabtheilung blieb.
— Die Legion zerfiel nun in 10 Kohorten, 30 Manipel, 60 Centurien oder
Ordines. Bei einer Legions-Stärke von 6000 Mann — und dies ist die
Regel*) — zählte eine Kohorte also 600 Mann, und man darf sie daher wohl
als Bataillon bezeichnen. Diese Kohorte war jetzt die Gefechtseinheit der In¬
fanterie, und als solche hatte sie vermuthlich auch ihr eigenes sissmim.^) In
der Kohortenfront standen wahrscheinlich die Manipel nebeneinander, und zwar
nach dem Range der Centurionen und der Mannschaft vom rechten zum linken




?söll ox. x. 336; Lange I>. 13. - Die 6 Legionen des Lucullus berechnet ^xxi-»n
(L. UMr. 72) auf 30,000 Mann; Cicero hatte in Kilikien 12,000 Mann in 2 Legionen
(vio. ^et. 5, 16; ?1ut. vio. 36.)
**) Bernb: Das Wappenwesen der Griechen und Römer. Bonn. 1841. — Linden-
schmit: Alterthümer. 1. Hft. 7. Taf. S, wo eine Silberplatte mit der Inschrift von. V ab-
gebildet ist.
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[0497] Diese wilden, kampfesfreudigen Germanen drangen nämlich meist gleich zu Beginn der Schlacht mit wüthendem Ungestüm durch die Intervalle der Manipularstellung bis in das Herz der Legion und nahmen dadurch den römischen Feldherrn jede Möglichkeit, von den Vortheilen ihrer auf nachhaltigen Kampf berechneten Treffenstellung Gebrauch zu machen. Etwas Aehnliches hatte sich einst vor 200 Jahren gezeigt, als man zum erstenmale der hellenischen Phalanx in den Heeren des Pyrrhos gegenübergetreten war. Damals hatte man das Heilmittel darin gesucht und gefunden, daß man die Manipel der beiden ersten Treffen, die der Hastaten und der Prinzipes, von 60 auf 100 Mann verstärkte und den Kompaguiekolonnen dadurch eine größere Wucht und Widerstandskraft gab. Jetzt nun entschloß man sich, je drei auf gleiche Stärke gebrachte Manipel zu vereinigen und die so entstandene, der Bataillonskolonne angenäherte Form als taktische Einheit, als Grundlage der Schlachtordnung anzunehmen. Diese neue taktische Einheit, nach der nun auch die Stärke der Heere angegeben zu werden Pflegt, wurde vota-s genannt. Die Erfahrungen gegenüber den Germanen waren übrigens gewiß nicht der einzige Grund für die Annahme der Kohortenformation: ein nicht minder starker Impuls lag unzweifelhaft in der Verschlechterung des Ersatzes. Die Fechtweise der Mauipularlegion hatte große Selbständigkeit und Tüchtigkeit des einzelnen Mannes vorausgesetzt, und darauf war jetzt weniger zu rechnen als ehedem. Die Zusammenfassung der Manipel zur Kohorte mahnt in dieser Beziehung an die Kolonnenmassirungen zur Zeit der ersten französischen Revo¬ lution, welche ähnlichen Rücksichten entsprangen. Begriff und Ausdruck „cotwrs" waren, wie wir wissen, alt hergebracht; neu war dagegen die reglemeutsmäßige taktische Eintheilung der Legion in Kohorten, wobei übrigens der Manipel nach wie vor Unterabtheilung blieb. — Die Legion zerfiel nun in 10 Kohorten, 30 Manipel, 60 Centurien oder Ordines. Bei einer Legions-Stärke von 6000 Mann — und dies ist die Regel*) — zählte eine Kohorte also 600 Mann, und man darf sie daher wohl als Bataillon bezeichnen. Diese Kohorte war jetzt die Gefechtseinheit der In¬ fanterie, und als solche hatte sie vermuthlich auch ihr eigenes sissmim.^) In der Kohortenfront standen wahrscheinlich die Manipel nebeneinander, und zwar nach dem Range der Centurionen und der Mannschaft vom rechten zum linken ?söll ox. x. 336; Lange I>. 13. - Die 6 Legionen des Lucullus berechnet ^xxi-»n (L. UMr. 72) auf 30,000 Mann; Cicero hatte in Kilikien 12,000 Mann in 2 Legionen (vio. ^et. 5, 16; ?1ut. vio. 36.) **) Bernb: Das Wappenwesen der Griechen und Römer. Bonn. 1841. — Linden- schmit: Alterthümer. 1. Hft. 7. Taf. S, wo eine Silberplatte mit der Inschrift von. V ab- gebildet ist. Grenzboten III. 1S78. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/497>, abgerufen am 22.07.2024.