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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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zurück; als wirklicher Heerkörper erscheint die Bürgerreiterei zuletzt im spani¬
schen Feldzuge vom Jahre 140, wo sie den Feldherrn durch ihren höhnischen
Hochmuth und ihre Unbotmcißigkeit zur Verzweiflung brachte; im jugurthini-
schen Kriege tritt sie schon nur noch als eine Art Nobelgarde für den
Feldherrn und fremde Fürsten auf, und endlich wurde der Name eines römi¬
schen Ritters gleichbedeutend mit dem eines reichen Spekulanten, eines großen
Banquiers oder Häusermaklers. Und dieser Abwendung der höheren Klassen
vom Heerdienst begegnete von Unten her das Drängen der Besitzlosen nach
Gleichberechtigung mit den Vollbürgern und ein hungriges Verlangen der dar¬
benden Massen nach Beute und Sold. Besonders wirkte auf das Proletariat
die Aussicht aus Grundbesitz, welche ihnen der Kriegsdienst nach Ablauf ihrer
Pflichtzeit eröffnete und durch welche wenigstens die Soldaten eines Theiles
der von den Gracchen angestrebten Güter theilhaftig werden mochten. Die
Aermeren begannen also, im Heerdienste eine Erwerbsquelle zu erblicken;
sie drängten sich heran zu räuberischen Feldzügen, um so mehr, als die Feldherrn
und Hauptleute, welche auch ihrerseits ehrgeizige und selbstsüchtige Zwecke in's
Auge faßten, nicht mehr im Stande waren, die alte stolze Kriegszucht aufrecht
zu erhalten, sondern bereitwillig Raub und Plünderung gestatteten. Die Gunst
und Käuflichkeit Derer, welche mit der Aushebung beauftragt waren, vermochte
aber die Abneigung der Besitzenden gegen den Waffendienst um so leichter zu
unterstützen, je mehr Freiwillige zu den Fahnen strömten, und sie handhabten
denn auch die Listen der wehrpflichtigen Mannschaft mit der größten Willkür.
So wandelte sich das freie Waffenrecht der Bürger allmälig um, und so konnte
es geschehen, daß zuletzt ein Bauernsohn wie Marius, in dessen gewaltiger
Persönlichkeit sich die ganze Macht des demokratischen Geistes zusammenfaßte,
mit einem Schlage die hohlgewvrdene Form der servianischen Kriegsverfassung
über den Haufen warf, das Waffenrecht von allen Schranken befreite und
während seines Konsulats im Jahre 107 v. Chr. an die Stelle des bürgerlichen
Aufgebotes das System der Werbung setzte.

Nur kurz kann ich an die Ereignisse erinnern, welche diesen Umschwung
unmittelbar herbeiführten. Die Nobilität hatte nach ihren Siegen über die
Gracchen und über die Bundesgenossen damit fortgefahren, die Zivil- und
Militärstellen aus ihrer Mitte zu besetzen, nur jetzt mit noch weniger Rücksicht
und Sorgfalt wie früher. Ihr Regiment schien ja sür immer gesichert. Als
sie jedoch in der auswärtigen Politik um schnödes Geld die Ehre des römi¬
schen Namens, der römischen Waffen an einen Barbarenfürsten verrieth, da er¬
hob sich das römische Volk mit unerwarteter Einmütigkeit und Energie. Harte
Strafe traf die Schuldigen oder die, welche für schuldig gehalten wurden, und
selbst die glückliche Kriegführung eines der ehrenhaftesten Mitglieder der Rodi-


zurück; als wirklicher Heerkörper erscheint die Bürgerreiterei zuletzt im spani¬
schen Feldzuge vom Jahre 140, wo sie den Feldherrn durch ihren höhnischen
Hochmuth und ihre Unbotmcißigkeit zur Verzweiflung brachte; im jugurthini-
schen Kriege tritt sie schon nur noch als eine Art Nobelgarde für den
Feldherrn und fremde Fürsten auf, und endlich wurde der Name eines römi¬
schen Ritters gleichbedeutend mit dem eines reichen Spekulanten, eines großen
Banquiers oder Häusermaklers. Und dieser Abwendung der höheren Klassen
vom Heerdienst begegnete von Unten her das Drängen der Besitzlosen nach
Gleichberechtigung mit den Vollbürgern und ein hungriges Verlangen der dar¬
benden Massen nach Beute und Sold. Besonders wirkte auf das Proletariat
die Aussicht aus Grundbesitz, welche ihnen der Kriegsdienst nach Ablauf ihrer
Pflichtzeit eröffnete und durch welche wenigstens die Soldaten eines Theiles
der von den Gracchen angestrebten Güter theilhaftig werden mochten. Die
Aermeren begannen also, im Heerdienste eine Erwerbsquelle zu erblicken;
sie drängten sich heran zu räuberischen Feldzügen, um so mehr, als die Feldherrn
und Hauptleute, welche auch ihrerseits ehrgeizige und selbstsüchtige Zwecke in's
Auge faßten, nicht mehr im Stande waren, die alte stolze Kriegszucht aufrecht
zu erhalten, sondern bereitwillig Raub und Plünderung gestatteten. Die Gunst
und Käuflichkeit Derer, welche mit der Aushebung beauftragt waren, vermochte
aber die Abneigung der Besitzenden gegen den Waffendienst um so leichter zu
unterstützen, je mehr Freiwillige zu den Fahnen strömten, und sie handhabten
denn auch die Listen der wehrpflichtigen Mannschaft mit der größten Willkür.
So wandelte sich das freie Waffenrecht der Bürger allmälig um, und so konnte
es geschehen, daß zuletzt ein Bauernsohn wie Marius, in dessen gewaltiger
Persönlichkeit sich die ganze Macht des demokratischen Geistes zusammenfaßte,
mit einem Schlage die hohlgewvrdene Form der servianischen Kriegsverfassung
über den Haufen warf, das Waffenrecht von allen Schranken befreite und
während seines Konsulats im Jahre 107 v. Chr. an die Stelle des bürgerlichen
Aufgebotes das System der Werbung setzte.

Nur kurz kann ich an die Ereignisse erinnern, welche diesen Umschwung
unmittelbar herbeiführten. Die Nobilität hatte nach ihren Siegen über die
Gracchen und über die Bundesgenossen damit fortgefahren, die Zivil- und
Militärstellen aus ihrer Mitte zu besetzen, nur jetzt mit noch weniger Rücksicht
und Sorgfalt wie früher. Ihr Regiment schien ja sür immer gesichert. Als
sie jedoch in der auswärtigen Politik um schnödes Geld die Ehre des römi¬
schen Namens, der römischen Waffen an einen Barbarenfürsten verrieth, da er¬
hob sich das römische Volk mit unerwarteter Einmütigkeit und Energie. Harte
Strafe traf die Schuldigen oder die, welche für schuldig gehalten wurden, und
selbst die glückliche Kriegführung eines der ehrenhaftesten Mitglieder der Rodi-


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[0494] zurück; als wirklicher Heerkörper erscheint die Bürgerreiterei zuletzt im spani¬ schen Feldzuge vom Jahre 140, wo sie den Feldherrn durch ihren höhnischen Hochmuth und ihre Unbotmcißigkeit zur Verzweiflung brachte; im jugurthini- schen Kriege tritt sie schon nur noch als eine Art Nobelgarde für den Feldherrn und fremde Fürsten auf, und endlich wurde der Name eines römi¬ schen Ritters gleichbedeutend mit dem eines reichen Spekulanten, eines großen Banquiers oder Häusermaklers. Und dieser Abwendung der höheren Klassen vom Heerdienst begegnete von Unten her das Drängen der Besitzlosen nach Gleichberechtigung mit den Vollbürgern und ein hungriges Verlangen der dar¬ benden Massen nach Beute und Sold. Besonders wirkte auf das Proletariat die Aussicht aus Grundbesitz, welche ihnen der Kriegsdienst nach Ablauf ihrer Pflichtzeit eröffnete und durch welche wenigstens die Soldaten eines Theiles der von den Gracchen angestrebten Güter theilhaftig werden mochten. Die Aermeren begannen also, im Heerdienste eine Erwerbsquelle zu erblicken; sie drängten sich heran zu räuberischen Feldzügen, um so mehr, als die Feldherrn und Hauptleute, welche auch ihrerseits ehrgeizige und selbstsüchtige Zwecke in's Auge faßten, nicht mehr im Stande waren, die alte stolze Kriegszucht aufrecht zu erhalten, sondern bereitwillig Raub und Plünderung gestatteten. Die Gunst und Käuflichkeit Derer, welche mit der Aushebung beauftragt waren, vermochte aber die Abneigung der Besitzenden gegen den Waffendienst um so leichter zu unterstützen, je mehr Freiwillige zu den Fahnen strömten, und sie handhabten denn auch die Listen der wehrpflichtigen Mannschaft mit der größten Willkür. So wandelte sich das freie Waffenrecht der Bürger allmälig um, und so konnte es geschehen, daß zuletzt ein Bauernsohn wie Marius, in dessen gewaltiger Persönlichkeit sich die ganze Macht des demokratischen Geistes zusammenfaßte, mit einem Schlage die hohlgewvrdene Form der servianischen Kriegsverfassung über den Haufen warf, das Waffenrecht von allen Schranken befreite und während seines Konsulats im Jahre 107 v. Chr. an die Stelle des bürgerlichen Aufgebotes das System der Werbung setzte. Nur kurz kann ich an die Ereignisse erinnern, welche diesen Umschwung unmittelbar herbeiführten. Die Nobilität hatte nach ihren Siegen über die Gracchen und über die Bundesgenossen damit fortgefahren, die Zivil- und Militärstellen aus ihrer Mitte zu besetzen, nur jetzt mit noch weniger Rücksicht und Sorgfalt wie früher. Ihr Regiment schien ja sür immer gesichert. Als sie jedoch in der auswärtigen Politik um schnödes Geld die Ehre des römi¬ schen Namens, der römischen Waffen an einen Barbarenfürsten verrieth, da er¬ hob sich das römische Volk mit unerwarteter Einmütigkeit und Energie. Harte Strafe traf die Schuldigen oder die, welche für schuldig gehalten wurden, und selbst die glückliche Kriegführung eines der ehrenhaftesten Mitglieder der Rodi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/494>, abgerufen am 22.07.2024.