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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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lich bis Pisa marschiren und fuhr dann immer der Kiiste entlang bis Emporiä,
setzte hier wieder an's Land, um zu Fuß weiter zu marschiren bis Karthagena
oder Gades. Auf diesem Wege war die Entfernung von Rom bis Gades un¬
gefähr sechsmal so groß als die von Brundusium nach Tessalvnika in Make¬
donien, und dergleichen will bei großen Truppentransporten doch sehr bedacht
sein. Welche Wirkung mußte es aber bei einer Beamten- und Heeresorgani-
sation haben, die auf jährlichen Wechsel berechnet war!? Da sich die räum¬
lichen Verhältnisse nicht ändern ließen, mußte sich die Organisation ändern.
Der Bestand der Legionen mußte verlängert, die Zahl der Freiwilligen, der
Hilfstruppen und endlich der Söldner in außerordentlichem Umfange vermehrt
werden. Das beste Mittel, den Mangel eines stehenden Heeres zu ersetzen,
wäre die Kolonisation Spanien's durch Jtaliker gewesen; hatte doch die Repu¬
blik das eroberte Italien durch die römischen und ladinischen Kolonien in fester
Hand gehalten und sich bald assimilirt. Scipio Afrikcmus hatte auch den
Anfang dazu gemacht; aber die Sache war ohne Fortgang geblieben; man sah
sich von Jahr zu Jahr auf Rekrutirung angewiesen, soweit die einheimischen
Hilfstruppen und Söldner nicht reichen wollten. Der spanische Dienst ward
jedoch von der römischen Bürgerwehr und den italienischen Bauern sehr ge¬
scheut. In Spanien konnte man nicht wie im Osten leichte Siege und große
Beute mit wenig Blut erfechten; der Kampf war hart, der Ertrag gering. Was
hatten die sabellischeu Bauer" davon, wenn die Herren der römischen Nvbilität
Reichthümer und Triumphe gewannen! Um den Dienst nur einigermaßen
anlockend zu machen, ließ man den Krieg absichtlich in ein organisirtes Rauben
ausarten, bei welchem Führer und Mannschaft auf's Aeußerste verwilderten.
Nur die Kriegführung der Abkömmlinge der Spanier selbst in Mexiko und
Peru ist vielleicht noch widerwärtiger gewesen. Und die nackte Gewaltthat, die
Treulosigkeit und der Blutdurst, welchen die Römer in Spanien, die Spanier
in Amerika entwickelten, wären kaum erklärlich, wenn man nicht annehmen
dürfte, daß jene wie diese die Eingeborenen als eine Rasse betrachteten, der
gegenüber die sonst giltigen Gesetze der Treue und Menschlichkeit gar keine Be¬
deutung hätten. *)

Die Kriege, welche die Römer seit dem Jahre 200 in Spanien führten,
sind eine Reihe von Schlachten, Ueberfällen und Kriegslisten, von Eroberungen
und Niederlagen in buntem, uns nicht mehr entwirrbarem Durcheinander. Nach
einer entsetzlichen Unthat des Prütors Galba, erhob sich in Viriathus ein den
Römern weit überlegener genialer Gegner. Ebenso listig und verschlagen wie
tapfer, mahnt er an unsern deutschen Arminins. Er verstand es, die römischen



*) Mommsen a. a. O.

lich bis Pisa marschiren und fuhr dann immer der Kiiste entlang bis Emporiä,
setzte hier wieder an's Land, um zu Fuß weiter zu marschiren bis Karthagena
oder Gades. Auf diesem Wege war die Entfernung von Rom bis Gades un¬
gefähr sechsmal so groß als die von Brundusium nach Tessalvnika in Make¬
donien, und dergleichen will bei großen Truppentransporten doch sehr bedacht
sein. Welche Wirkung mußte es aber bei einer Beamten- und Heeresorgani-
sation haben, die auf jährlichen Wechsel berechnet war!? Da sich die räum¬
lichen Verhältnisse nicht ändern ließen, mußte sich die Organisation ändern.
Der Bestand der Legionen mußte verlängert, die Zahl der Freiwilligen, der
Hilfstruppen und endlich der Söldner in außerordentlichem Umfange vermehrt
werden. Das beste Mittel, den Mangel eines stehenden Heeres zu ersetzen,
wäre die Kolonisation Spanien's durch Jtaliker gewesen; hatte doch die Repu¬
blik das eroberte Italien durch die römischen und ladinischen Kolonien in fester
Hand gehalten und sich bald assimilirt. Scipio Afrikcmus hatte auch den
Anfang dazu gemacht; aber die Sache war ohne Fortgang geblieben; man sah
sich von Jahr zu Jahr auf Rekrutirung angewiesen, soweit die einheimischen
Hilfstruppen und Söldner nicht reichen wollten. Der spanische Dienst ward
jedoch von der römischen Bürgerwehr und den italienischen Bauern sehr ge¬
scheut. In Spanien konnte man nicht wie im Osten leichte Siege und große
Beute mit wenig Blut erfechten; der Kampf war hart, der Ertrag gering. Was
hatten die sabellischeu Bauer« davon, wenn die Herren der römischen Nvbilität
Reichthümer und Triumphe gewannen! Um den Dienst nur einigermaßen
anlockend zu machen, ließ man den Krieg absichtlich in ein organisirtes Rauben
ausarten, bei welchem Führer und Mannschaft auf's Aeußerste verwilderten.
Nur die Kriegführung der Abkömmlinge der Spanier selbst in Mexiko und
Peru ist vielleicht noch widerwärtiger gewesen. Und die nackte Gewaltthat, die
Treulosigkeit und der Blutdurst, welchen die Römer in Spanien, die Spanier
in Amerika entwickelten, wären kaum erklärlich, wenn man nicht annehmen
dürfte, daß jene wie diese die Eingeborenen als eine Rasse betrachteten, der
gegenüber die sonst giltigen Gesetze der Treue und Menschlichkeit gar keine Be¬
deutung hätten. *)

Die Kriege, welche die Römer seit dem Jahre 200 in Spanien führten,
sind eine Reihe von Schlachten, Ueberfällen und Kriegslisten, von Eroberungen
und Niederlagen in buntem, uns nicht mehr entwirrbarem Durcheinander. Nach
einer entsetzlichen Unthat des Prütors Galba, erhob sich in Viriathus ein den
Römern weit überlegener genialer Gegner. Ebenso listig und verschlagen wie
tapfer, mahnt er an unsern deutschen Arminins. Er verstand es, die römischen



*) Mommsen a. a. O.
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[0490] lich bis Pisa marschiren und fuhr dann immer der Kiiste entlang bis Emporiä, setzte hier wieder an's Land, um zu Fuß weiter zu marschiren bis Karthagena oder Gades. Auf diesem Wege war die Entfernung von Rom bis Gades un¬ gefähr sechsmal so groß als die von Brundusium nach Tessalvnika in Make¬ donien, und dergleichen will bei großen Truppentransporten doch sehr bedacht sein. Welche Wirkung mußte es aber bei einer Beamten- und Heeresorgani- sation haben, die auf jährlichen Wechsel berechnet war!? Da sich die räum¬ lichen Verhältnisse nicht ändern ließen, mußte sich die Organisation ändern. Der Bestand der Legionen mußte verlängert, die Zahl der Freiwilligen, der Hilfstruppen und endlich der Söldner in außerordentlichem Umfange vermehrt werden. Das beste Mittel, den Mangel eines stehenden Heeres zu ersetzen, wäre die Kolonisation Spanien's durch Jtaliker gewesen; hatte doch die Repu¬ blik das eroberte Italien durch die römischen und ladinischen Kolonien in fester Hand gehalten und sich bald assimilirt. Scipio Afrikcmus hatte auch den Anfang dazu gemacht; aber die Sache war ohne Fortgang geblieben; man sah sich von Jahr zu Jahr auf Rekrutirung angewiesen, soweit die einheimischen Hilfstruppen und Söldner nicht reichen wollten. Der spanische Dienst ward jedoch von der römischen Bürgerwehr und den italienischen Bauern sehr ge¬ scheut. In Spanien konnte man nicht wie im Osten leichte Siege und große Beute mit wenig Blut erfechten; der Kampf war hart, der Ertrag gering. Was hatten die sabellischeu Bauer« davon, wenn die Herren der römischen Nvbilität Reichthümer und Triumphe gewannen! Um den Dienst nur einigermaßen anlockend zu machen, ließ man den Krieg absichtlich in ein organisirtes Rauben ausarten, bei welchem Führer und Mannschaft auf's Aeußerste verwilderten. Nur die Kriegführung der Abkömmlinge der Spanier selbst in Mexiko und Peru ist vielleicht noch widerwärtiger gewesen. Und die nackte Gewaltthat, die Treulosigkeit und der Blutdurst, welchen die Römer in Spanien, die Spanier in Amerika entwickelten, wären kaum erklärlich, wenn man nicht annehmen dürfte, daß jene wie diese die Eingeborenen als eine Rasse betrachteten, der gegenüber die sonst giltigen Gesetze der Treue und Menschlichkeit gar keine Be¬ deutung hätten. *) Die Kriege, welche die Römer seit dem Jahre 200 in Spanien führten, sind eine Reihe von Schlachten, Ueberfällen und Kriegslisten, von Eroberungen und Niederlagen in buntem, uns nicht mehr entwirrbarem Durcheinander. Nach einer entsetzlichen Unthat des Prütors Galba, erhob sich in Viriathus ein den Römern weit überlegener genialer Gegner. Ebenso listig und verschlagen wie tapfer, mahnt er an unsern deutschen Arminins. Er verstand es, die römischen *) Mommsen a. a. O.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/490>, abgerufen am 03.07.2024.