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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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löschte und nichtswürdigste von allen, die Dresdner .Neue Reichszeitnng", mit
Behagen liest und von de"l Sächsischen dentschkonservativen Blatte z. B. darüber
sich belehren läßt, daß ein Kompromiß der Deutschkonservativen mit den Ul-
tramontanen das Heil Deutschland's heraufführen werde. Alle Reichsfreunde
müssen wünschen, daß diesem Rathe des auch in seinen giftigsten und undeut¬
schesten Aeußerungen vou den Deutschkonservativen Sachsen's noch nie ver¬
leugneten Parteiblattes recht bald gefolgt werde. Für die Regierungen wie
für die Nation wäre dann die Maske abgelegt, mit welcher viele der deutsch-
konservativen Macher bei den Wahlen arglose, nationalgesinnte Wähler einzu-
fangen suchen. Der Reichsfeind träte dann naturgemäß zum Reichsfeind,
wie dies im preußischen Abgeordnetenhause schon einmal bei Bildung einer
ueukvuservativen Fraktion geschehen; der wahrhaft konservative, wahrhaft reichs¬
treue Mann dagegen sonderte sich ab von einer Gesellschaft, durch deren Be¬
rührung er nur verlieren kann. Vielleicht sind die Tage nicht fern, wo sich
diese heilsame Scheidung vollzieht.

Daß die Hochverdieuten früheren Präsidenten, welche der nationalliberalen
Partei angehören, Forckenbeck und Stauffeuberg, als solche wiedergewählt sind,
ist vom Standpunkte der parlamentarischen Geschäftsführung aus natürlich uur
mit Freuden zu begrüßen, Als spezieller Fraktionssieg aber würde dieser nur
dann vou besonders glücklicher Verheißung für die noch schwebende Hauptfrage
sein, wenn die nationalliberale Fraktion sich in dieser wichtigen Frage -- einer
der wichtigsten, welche jemals die deutsche Neichsvertretnng beschäftigt hat --
mit derselben Energie und Geschlossenheit zu einigen verstünde, wie in solchen
reinen Etiqnetteufragen, bei welcher in der Hauptsache nnr ans Fraktionscitel-
keit geschlossen gestimmt wird. Leider ist indessen, wie unten gezeigt werden
wird, bis jetzt wenig Hoffnung vorhanden, daß die nativnalliberale Partei der
neuen Sozialisteuvorlage gegenüber einmttthig Votiren werde.

Auch die Jnterpellation und Debatte über den Untergang des "Großen
Kurfürsten", die am Freitag den 13. September in Szene ging, ist nicht ge¬
eignet gewesen die Aufmerksamkeit vou der Hauptaufgabe des Reichstag weit
abzulenken, um so weniger, da diese Verhandlung eine genanere Aufklärung
über die Ursachen dieses schweren nationalen Unglückes nicht gegeben hat nud
auch nicht geben konnte, seitdem die Frage nach den Ursachen dieser Kata¬
strophe in das Stadium der kriegsgerichtlichen Untersuchung getreten ist. Wir
halten daher auch das Verlangen des Abgeordneten Hänel nach Veröffentlichung
einiger der Hanptnrknnden, welche dem künftigen Richterspruch zur Grundlage
dienen dürften, ebenso wie die Zusage des Marineministers, daß er sich für diese
Mittheilung verwenden wolle, der jetzigen Sachlage wenig angemessen. Soviel
scheint leider ans den Bemerkungen des Ministers schon jetzt unzweifelhaft,


löschte und nichtswürdigste von allen, die Dresdner .Neue Reichszeitnng", mit
Behagen liest und von de»l Sächsischen dentschkonservativen Blatte z. B. darüber
sich belehren läßt, daß ein Kompromiß der Deutschkonservativen mit den Ul-
tramontanen das Heil Deutschland's heraufführen werde. Alle Reichsfreunde
müssen wünschen, daß diesem Rathe des auch in seinen giftigsten und undeut¬
schesten Aeußerungen vou den Deutschkonservativen Sachsen's noch nie ver¬
leugneten Parteiblattes recht bald gefolgt werde. Für die Regierungen wie
für die Nation wäre dann die Maske abgelegt, mit welcher viele der deutsch-
konservativen Macher bei den Wahlen arglose, nationalgesinnte Wähler einzu-
fangen suchen. Der Reichsfeind träte dann naturgemäß zum Reichsfeind,
wie dies im preußischen Abgeordnetenhause schon einmal bei Bildung einer
ueukvuservativen Fraktion geschehen; der wahrhaft konservative, wahrhaft reichs¬
treue Mann dagegen sonderte sich ab von einer Gesellschaft, durch deren Be¬
rührung er nur verlieren kann. Vielleicht sind die Tage nicht fern, wo sich
diese heilsame Scheidung vollzieht.

Daß die Hochverdieuten früheren Präsidenten, welche der nationalliberalen
Partei angehören, Forckenbeck und Stauffeuberg, als solche wiedergewählt sind,
ist vom Standpunkte der parlamentarischen Geschäftsführung aus natürlich uur
mit Freuden zu begrüßen, Als spezieller Fraktionssieg aber würde dieser nur
dann vou besonders glücklicher Verheißung für die noch schwebende Hauptfrage
sein, wenn die nationalliberale Fraktion sich in dieser wichtigen Frage — einer
der wichtigsten, welche jemals die deutsche Neichsvertretnng beschäftigt hat —
mit derselben Energie und Geschlossenheit zu einigen verstünde, wie in solchen
reinen Etiqnetteufragen, bei welcher in der Hauptsache nnr ans Fraktionscitel-
keit geschlossen gestimmt wird. Leider ist indessen, wie unten gezeigt werden
wird, bis jetzt wenig Hoffnung vorhanden, daß die nativnalliberale Partei der
neuen Sozialisteuvorlage gegenüber einmttthig Votiren werde.

Auch die Jnterpellation und Debatte über den Untergang des „Großen
Kurfürsten", die am Freitag den 13. September in Szene ging, ist nicht ge¬
eignet gewesen die Aufmerksamkeit vou der Hauptaufgabe des Reichstag weit
abzulenken, um so weniger, da diese Verhandlung eine genanere Aufklärung
über die Ursachen dieses schweren nationalen Unglückes nicht gegeben hat nud
auch nicht geben konnte, seitdem die Frage nach den Ursachen dieser Kata¬
strophe in das Stadium der kriegsgerichtlichen Untersuchung getreten ist. Wir
halten daher auch das Verlangen des Abgeordneten Hänel nach Veröffentlichung
einiger der Hanptnrknnden, welche dem künftigen Richterspruch zur Grundlage
dienen dürften, ebenso wie die Zusage des Marineministers, daß er sich für diese
Mittheilung verwenden wolle, der jetzigen Sachlage wenig angemessen. Soviel
scheint leider ans den Bemerkungen des Ministers schon jetzt unzweifelhaft,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/484>, abgerufen am 22.07.2024.