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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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meist nach unter verzweigten Röhrchen, deren innere Höhlung mit Salz inkru-
stirt ist. Diese Salzkruste wirkt erhaltend auf die Struktur der Erdart. Die
jener Zeit eigenthümliche Fauna wurde gebildet durch die auch dem chinesischen
Löß eigenthümlichen Landschnecken. Die gute Kouservirnng der zarten, dünn¬
schaligen Gehäuse erklärt sich ebenfalls aus der Entstehungsart des Löß, indem
sich eine feine Staubschicht über sie hinbreitete und sie nach und nach in sanf¬
tester Weise einbettete. Die jedesmalige Vegetationsdecke hielt die sich nieder¬
schlagenden Stanbinassen fest, und der Boden erhöhte sich allmählich. Und wenn
derselbe alljährlich nur um einige Millimeter zunahm, so konnten doch in vielen
Tausend Jahren jene großen, breiten und oft mehrere Hundert Fuß tiefen
Lößbänke ihren Ursprung nehmen, denn für den Verlauf eines jeden geologischen
Vorganges, der mittelst ruhiger Entwickelung und nicht durch plötzliche Kata¬
strophen erfolgt, dürfen lange Zeiträume in Anspruch genommen worden.

Noch aber muß der Thätigkeit des fließenden Wassers gedacht werden,
denn auf den Zentralafien umthürmenden Gebirgen entspringen zahlreiche
Flüsse, genährt von gewaltigen Firnfeldern und Gletscherrevieren. Das Wasser
wirkt theils in Kanälen fließend, theils spülend; der Regen und die Gebirgs-
bäche nehmen von den blosgelegten Felstheilen fort, was der Wind übrig ge¬
lassen, und füllen die kleinen Unebenheiten in der Nähe aus, so daß der Schutt
darüber hinweggeschoben werden kann. Indeß da das Wasser stark verdurstete
und kein Zufluß aus dem Lande selbst herzukam, so wurde sein Einfluß, je
weiter es vom Gebirge sich entfernte, desto unwesentlicher. Da die Natur Zen-
tralasien's eine große Anzahl von Becken und Mulden aufweist, so wurden
diese durch Staub und Schutt ausgefüllt, das Wasser aber suchte sich den
jedesmal tiefsten Punkt aus, blieb dort stehen und bildete einen Salzsee, der
je nach den wechselnden Mengen der Niederschläge wuchs und fiel und manch¬
mal austrocknete. Noch jetzt erinnern dicke Salzkrusten auf der Steppe an der¬
artige vertrocknete Salzseen. Das sind alles Vorgänge, die nicht etwa blos
mittelst Hypothese angenommen sind, sondern die man noch jetzt in Zentral¬
asien beobachten kann, nur daß in früherer Zeit sich der abflußlose Steppen¬
zustand auf bedeutende Strecken ausdehnte, die seitdem Abfluß erlangt haben.

Wie konnte nun die so wichtige, folgenreiche Aenderung eintreten, welche
Nordchina zu einem der ergiebigsten Kulturländer umschuf? Ein Blick auf
die Karte Asien's lehrt, daß sich an Asien in Südosten und Osten zahlreiche
Inseln anschließen, die nur durch verhältnißmäßig seichte, klippenreiche, untiefen¬
volle Meeresarme vom Festlande geschieden sind: erst östlich von den
japanischen Inseln und den Philippinen zeigt sich der Abfall des Meeres¬
bodens sehr steil; er sinkt auf einmal sehr tief und unvermittelt ein. Dort
ergaben die Messungen des amerikanischen Schiffes Tnskarvra (im Jahre l874)


meist nach unter verzweigten Röhrchen, deren innere Höhlung mit Salz inkru-
stirt ist. Diese Salzkruste wirkt erhaltend auf die Struktur der Erdart. Die
jener Zeit eigenthümliche Fauna wurde gebildet durch die auch dem chinesischen
Löß eigenthümlichen Landschnecken. Die gute Kouservirnng der zarten, dünn¬
schaligen Gehäuse erklärt sich ebenfalls aus der Entstehungsart des Löß, indem
sich eine feine Staubschicht über sie hinbreitete und sie nach und nach in sanf¬
tester Weise einbettete. Die jedesmalige Vegetationsdecke hielt die sich nieder¬
schlagenden Stanbinassen fest, und der Boden erhöhte sich allmählich. Und wenn
derselbe alljährlich nur um einige Millimeter zunahm, so konnten doch in vielen
Tausend Jahren jene großen, breiten und oft mehrere Hundert Fuß tiefen
Lößbänke ihren Ursprung nehmen, denn für den Verlauf eines jeden geologischen
Vorganges, der mittelst ruhiger Entwickelung und nicht durch plötzliche Kata¬
strophen erfolgt, dürfen lange Zeiträume in Anspruch genommen worden.

Noch aber muß der Thätigkeit des fließenden Wassers gedacht werden,
denn auf den Zentralafien umthürmenden Gebirgen entspringen zahlreiche
Flüsse, genährt von gewaltigen Firnfeldern und Gletscherrevieren. Das Wasser
wirkt theils in Kanälen fließend, theils spülend; der Regen und die Gebirgs-
bäche nehmen von den blosgelegten Felstheilen fort, was der Wind übrig ge¬
lassen, und füllen die kleinen Unebenheiten in der Nähe aus, so daß der Schutt
darüber hinweggeschoben werden kann. Indeß da das Wasser stark verdurstete
und kein Zufluß aus dem Lande selbst herzukam, so wurde sein Einfluß, je
weiter es vom Gebirge sich entfernte, desto unwesentlicher. Da die Natur Zen-
tralasien's eine große Anzahl von Becken und Mulden aufweist, so wurden
diese durch Staub und Schutt ausgefüllt, das Wasser aber suchte sich den
jedesmal tiefsten Punkt aus, blieb dort stehen und bildete einen Salzsee, der
je nach den wechselnden Mengen der Niederschläge wuchs und fiel und manch¬
mal austrocknete. Noch jetzt erinnern dicke Salzkrusten auf der Steppe an der¬
artige vertrocknete Salzseen. Das sind alles Vorgänge, die nicht etwa blos
mittelst Hypothese angenommen sind, sondern die man noch jetzt in Zentral¬
asien beobachten kann, nur daß in früherer Zeit sich der abflußlose Steppen¬
zustand auf bedeutende Strecken ausdehnte, die seitdem Abfluß erlangt haben.

Wie konnte nun die so wichtige, folgenreiche Aenderung eintreten, welche
Nordchina zu einem der ergiebigsten Kulturländer umschuf? Ein Blick auf
die Karte Asien's lehrt, daß sich an Asien in Südosten und Osten zahlreiche
Inseln anschließen, die nur durch verhältnißmäßig seichte, klippenreiche, untiefen¬
volle Meeresarme vom Festlande geschieden sind: erst östlich von den
japanischen Inseln und den Philippinen zeigt sich der Abfall des Meeres¬
bodens sehr steil; er sinkt auf einmal sehr tief und unvermittelt ein. Dort
ergaben die Messungen des amerikanischen Schiffes Tnskarvra (im Jahre l874)


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/463>, abgerufen am 22.07.2024.