Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wie die auf dieser Grundlage sich aufbauende Kulturentwickelung waren ab¬
hängig von seinen natürlichen Verhältnissen, seiner geographischen Lage und
von den besonderen Eigenschaften der obersten Bodenschicht.

Wie sehr gerade die obere Humusdecke, gewissermaßen die Haut der Erde,
auf die Entstehung von Wohlstand und Kultur-Entfaltung einwirken kann, lehrt
die Thatsache, daß die größte Fruchtbarkeit, sowie die reichste geschichtliche Ent¬
wickelung z. B. des Elsaß nicht unmittelbar am Rhein gefunden wird, sondern am
Fuße des Gebirges, an den Vogesen. Woher kommt dies? Die Betrachtung
sowohl der übrigen Theile des Rheinthales als anderer Flußbecken zeigt ja,
daß die Städtegründung und eine höhere Kultur sich zunächst der Flußufer
entfaltet. Hier liegt eine Ausnahme von der Regel vor. Den Grund zu dieser
Erscheinung gibt Folgendes: der Rhein zwischen Basel und Straßburg ist noch
ganz der wilde, überschäumende Geselle, wie weiter oben, der in unsteten Irr-
gang hier und dort seine Ufer zerreißt, die umliegenden Landschaften mit Kies
und Schutt bedeckt und seinen Lauf oft verändert, so daß weder Anbau durch
Ackerbau noch Städtegründung möglich ist. Dagegen weiter nach Westen bis
in ziemlicher Höhe an den Vogesen hinauf und in die Thäler eindringend
trifft man eine gelbbraune Bodenart, vie man am Rheine mit dem Namen
Löß bezeichnet und die selbst bei nicht übermäßiger Pflege sehr reiche Ernte
an Feldfrüchten abwirft. Auf diese Lößerde wurde man Anfangs der dreißiger
Jahre dieses Jahrhunderts aufmerksam, und weitergehende Untersuchungen er¬
gaben zwei vorher uicht geahnte Resultate: einmal, daß sie eine bedeutende
räumliche Ausdehnung nicht nur im Elsaß und Oberrheinthale, sondern anch
im übrigen Deutschland und Europa einnimmt, sodann, daß überall, wo sie
vorkommt, der Boden sich durch eine hervorragende Fruchtbarkeit auszeichnet,
die eben durch die besonderen Eigenschaften dieser Lößerde veranlaßt sein müsse.
Da man zuerst im Rheinlande auf dieselbe aufmerksam geworden war, so
übertrug man einmal den speziell rheinischen Namen auch ans die in audern
Ländern gefundene gleichartige Erdmasse, sodann bezogen sich die über ihn ab¬
gegebenen Erklärungen über seine Entstehung zunächst auf deu Rhein-Löß.
Soviel wurde sogleich als richtig erkannt, daß der Löß in geologischem
Sinne gesprochen eine .sehr junge Bildung sei, daß er erst entstanden sein
konnte als das Gebirgsgerüst und die Hauptthalbecken geschaffen waren und
daß er nnr Oberfläche bildend auftritt. Er gehört also in dieselbe Zeit, die
man sonst die quartäre, oder neogenische oder anch nach den Wirkungen des
Wassers die Periode des Diluvium und Alluvium zu nennen pflegt.

Was nun die Entstehung des Löß anlangt, so haben alle Erklärer mit
Ausnahme eines einzigen, auf den ich später zurückkommen werde, sie ans die
Thätigkeit des Wassers zurückgeführt, nur mit dem Unterschiede, daß die einen


wie die auf dieser Grundlage sich aufbauende Kulturentwickelung waren ab¬
hängig von seinen natürlichen Verhältnissen, seiner geographischen Lage und
von den besonderen Eigenschaften der obersten Bodenschicht.

Wie sehr gerade die obere Humusdecke, gewissermaßen die Haut der Erde,
auf die Entstehung von Wohlstand und Kultur-Entfaltung einwirken kann, lehrt
die Thatsache, daß die größte Fruchtbarkeit, sowie die reichste geschichtliche Ent¬
wickelung z. B. des Elsaß nicht unmittelbar am Rhein gefunden wird, sondern am
Fuße des Gebirges, an den Vogesen. Woher kommt dies? Die Betrachtung
sowohl der übrigen Theile des Rheinthales als anderer Flußbecken zeigt ja,
daß die Städtegründung und eine höhere Kultur sich zunächst der Flußufer
entfaltet. Hier liegt eine Ausnahme von der Regel vor. Den Grund zu dieser
Erscheinung gibt Folgendes: der Rhein zwischen Basel und Straßburg ist noch
ganz der wilde, überschäumende Geselle, wie weiter oben, der in unsteten Irr-
gang hier und dort seine Ufer zerreißt, die umliegenden Landschaften mit Kies
und Schutt bedeckt und seinen Lauf oft verändert, so daß weder Anbau durch
Ackerbau noch Städtegründung möglich ist. Dagegen weiter nach Westen bis
in ziemlicher Höhe an den Vogesen hinauf und in die Thäler eindringend
trifft man eine gelbbraune Bodenart, vie man am Rheine mit dem Namen
Löß bezeichnet und die selbst bei nicht übermäßiger Pflege sehr reiche Ernte
an Feldfrüchten abwirft. Auf diese Lößerde wurde man Anfangs der dreißiger
Jahre dieses Jahrhunderts aufmerksam, und weitergehende Untersuchungen er¬
gaben zwei vorher uicht geahnte Resultate: einmal, daß sie eine bedeutende
räumliche Ausdehnung nicht nur im Elsaß und Oberrheinthale, sondern anch
im übrigen Deutschland und Europa einnimmt, sodann, daß überall, wo sie
vorkommt, der Boden sich durch eine hervorragende Fruchtbarkeit auszeichnet,
die eben durch die besonderen Eigenschaften dieser Lößerde veranlaßt sein müsse.
Da man zuerst im Rheinlande auf dieselbe aufmerksam geworden war, so
übertrug man einmal den speziell rheinischen Namen auch ans die in audern
Ländern gefundene gleichartige Erdmasse, sodann bezogen sich die über ihn ab¬
gegebenen Erklärungen über seine Entstehung zunächst auf deu Rhein-Löß.
Soviel wurde sogleich als richtig erkannt, daß der Löß in geologischem
Sinne gesprochen eine .sehr junge Bildung sei, daß er erst entstanden sein
konnte als das Gebirgsgerüst und die Hauptthalbecken geschaffen waren und
daß er nnr Oberfläche bildend auftritt. Er gehört also in dieselbe Zeit, die
man sonst die quartäre, oder neogenische oder anch nach den Wirkungen des
Wassers die Periode des Diluvium und Alluvium zu nennen pflegt.

Was nun die Entstehung des Löß anlangt, so haben alle Erklärer mit
Ausnahme eines einzigen, auf den ich später zurückkommen werde, sie ans die
Thätigkeit des Wassers zurückgeführt, nur mit dem Unterschiede, daß die einen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0454" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140805"/>
          <p xml:id="ID_1398" prev="#ID_1397"> wie die auf dieser Grundlage sich aufbauende Kulturentwickelung waren ab¬<lb/>
hängig von seinen natürlichen Verhältnissen, seiner geographischen Lage und<lb/>
von den besonderen Eigenschaften der obersten Bodenschicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1399"> Wie sehr gerade die obere Humusdecke, gewissermaßen die Haut der Erde,<lb/>
auf die Entstehung von Wohlstand und Kultur-Entfaltung einwirken kann, lehrt<lb/>
die Thatsache, daß die größte Fruchtbarkeit, sowie die reichste geschichtliche Ent¬<lb/>
wickelung z. B. des Elsaß nicht unmittelbar am Rhein gefunden wird, sondern am<lb/>
Fuße des Gebirges, an den Vogesen. Woher kommt dies? Die Betrachtung<lb/>
sowohl der übrigen Theile des Rheinthales als anderer Flußbecken zeigt ja,<lb/>
daß die Städtegründung und eine höhere Kultur sich zunächst der Flußufer<lb/>
entfaltet. Hier liegt eine Ausnahme von der Regel vor. Den Grund zu dieser<lb/>
Erscheinung gibt Folgendes: der Rhein zwischen Basel und Straßburg ist noch<lb/>
ganz der wilde, überschäumende Geselle, wie weiter oben, der in unsteten Irr-<lb/>
gang hier und dort seine Ufer zerreißt, die umliegenden Landschaften mit Kies<lb/>
und Schutt bedeckt und seinen Lauf oft verändert, so daß weder Anbau durch<lb/>
Ackerbau noch Städtegründung möglich ist. Dagegen weiter nach Westen bis<lb/>
in ziemlicher Höhe an den Vogesen hinauf und in die Thäler eindringend<lb/>
trifft man eine gelbbraune Bodenart, vie man am Rheine mit dem Namen<lb/>
Löß bezeichnet und die selbst bei nicht übermäßiger Pflege sehr reiche Ernte<lb/>
an Feldfrüchten abwirft. Auf diese Lößerde wurde man Anfangs der dreißiger<lb/>
Jahre dieses Jahrhunderts aufmerksam, und weitergehende Untersuchungen er¬<lb/>
gaben zwei vorher uicht geahnte Resultate: einmal, daß sie eine bedeutende<lb/>
räumliche Ausdehnung nicht nur im Elsaß und Oberrheinthale, sondern anch<lb/>
im übrigen Deutschland und Europa einnimmt, sodann, daß überall, wo sie<lb/>
vorkommt, der Boden sich durch eine hervorragende Fruchtbarkeit auszeichnet,<lb/>
die eben durch die besonderen Eigenschaften dieser Lößerde veranlaßt sein müsse.<lb/>
Da man zuerst im Rheinlande auf dieselbe aufmerksam geworden war, so<lb/>
übertrug man einmal den speziell rheinischen Namen auch ans die in audern<lb/>
Ländern gefundene gleichartige Erdmasse, sodann bezogen sich die über ihn ab¬<lb/>
gegebenen Erklärungen über seine Entstehung zunächst auf deu Rhein-Löß.<lb/>
Soviel wurde sogleich als richtig erkannt, daß der Löß in geologischem<lb/>
Sinne gesprochen eine .sehr junge Bildung sei, daß er erst entstanden sein<lb/>
konnte als das Gebirgsgerüst und die Hauptthalbecken geschaffen waren und<lb/>
daß er nnr Oberfläche bildend auftritt. Er gehört also in dieselbe Zeit, die<lb/>
man sonst die quartäre, oder neogenische oder anch nach den Wirkungen des<lb/>
Wassers die Periode des Diluvium und Alluvium zu nennen pflegt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1400" next="#ID_1401"> Was nun die Entstehung des Löß anlangt, so haben alle Erklärer mit<lb/>
Ausnahme eines einzigen, auf den ich später zurückkommen werde, sie ans die<lb/>
Thätigkeit des Wassers zurückgeführt, nur mit dem Unterschiede, daß die einen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0454] wie die auf dieser Grundlage sich aufbauende Kulturentwickelung waren ab¬ hängig von seinen natürlichen Verhältnissen, seiner geographischen Lage und von den besonderen Eigenschaften der obersten Bodenschicht. Wie sehr gerade die obere Humusdecke, gewissermaßen die Haut der Erde, auf die Entstehung von Wohlstand und Kultur-Entfaltung einwirken kann, lehrt die Thatsache, daß die größte Fruchtbarkeit, sowie die reichste geschichtliche Ent¬ wickelung z. B. des Elsaß nicht unmittelbar am Rhein gefunden wird, sondern am Fuße des Gebirges, an den Vogesen. Woher kommt dies? Die Betrachtung sowohl der übrigen Theile des Rheinthales als anderer Flußbecken zeigt ja, daß die Städtegründung und eine höhere Kultur sich zunächst der Flußufer entfaltet. Hier liegt eine Ausnahme von der Regel vor. Den Grund zu dieser Erscheinung gibt Folgendes: der Rhein zwischen Basel und Straßburg ist noch ganz der wilde, überschäumende Geselle, wie weiter oben, der in unsteten Irr- gang hier und dort seine Ufer zerreißt, die umliegenden Landschaften mit Kies und Schutt bedeckt und seinen Lauf oft verändert, so daß weder Anbau durch Ackerbau noch Städtegründung möglich ist. Dagegen weiter nach Westen bis in ziemlicher Höhe an den Vogesen hinauf und in die Thäler eindringend trifft man eine gelbbraune Bodenart, vie man am Rheine mit dem Namen Löß bezeichnet und die selbst bei nicht übermäßiger Pflege sehr reiche Ernte an Feldfrüchten abwirft. Auf diese Lößerde wurde man Anfangs der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts aufmerksam, und weitergehende Untersuchungen er¬ gaben zwei vorher uicht geahnte Resultate: einmal, daß sie eine bedeutende räumliche Ausdehnung nicht nur im Elsaß und Oberrheinthale, sondern anch im übrigen Deutschland und Europa einnimmt, sodann, daß überall, wo sie vorkommt, der Boden sich durch eine hervorragende Fruchtbarkeit auszeichnet, die eben durch die besonderen Eigenschaften dieser Lößerde veranlaßt sein müsse. Da man zuerst im Rheinlande auf dieselbe aufmerksam geworden war, so übertrug man einmal den speziell rheinischen Namen auch ans die in audern Ländern gefundene gleichartige Erdmasse, sodann bezogen sich die über ihn ab¬ gegebenen Erklärungen über seine Entstehung zunächst auf deu Rhein-Löß. Soviel wurde sogleich als richtig erkannt, daß der Löß in geologischem Sinne gesprochen eine .sehr junge Bildung sei, daß er erst entstanden sein konnte als das Gebirgsgerüst und die Hauptthalbecken geschaffen waren und daß er nnr Oberfläche bildend auftritt. Er gehört also in dieselbe Zeit, die man sonst die quartäre, oder neogenische oder anch nach den Wirkungen des Wassers die Periode des Diluvium und Alluvium zu nennen pflegt. Was nun die Entstehung des Löß anlangt, so haben alle Erklärer mit Ausnahme eines einzigen, auf den ich später zurückkommen werde, sie ans die Thätigkeit des Wassers zurückgeführt, nur mit dem Unterschiede, daß die einen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/454
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/454>, abgerufen am 22.07.2024.