Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.Es war in Hellas allgemeiner Glaube, daß Hannibal seine Siege wesentlich Polybios war der Sohn eines achäischen Staatsmannes, Der Stra¬ Es war in Hellas allgemeiner Glaube, daß Hannibal seine Siege wesentlich Polybios war der Sohn eines achäischen Staatsmannes, Der Stra¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0450" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140801"/> <p xml:id="ID_1388" prev="#ID_1387"> Es war in Hellas allgemeiner Glaube, daß Hannibal seine Siege wesentlich<lb/> griechischer Belehrung zu danken habe. Man erzählte, er sei auf seinein ersten<lb/> Feldzuge von zwei spartanischen Strategen begleitet gewesen; als wenn der Sohn<lb/> des Hamilkar, der Schüler des Hasdrubal seine Weisheit hätte jenseits des<lb/> ionischen Meeres suchen müssen! .Aber !so tief durchdrungen waren diese<lb/> griechischen Theoretiker von ihrer Unfehlbarkeit, daß der Peripatetiker Phormiou<lb/> dem verbannten Hannibal am Hofe des Antiochos einen pedantischen Vortrag<lb/> und Stift und Zirkel hielt, um dem Sieger von Cannä klar zu machen, wie<lb/> er denn seine großen Operationen eigentlich Hütte führen sollen, wofür er von<lb/> dem großen Feldherrn die Bemerkung einerntete: er habe schon viele verrückte<lb/> alte Herren gesehen, aber keiner sei so verdreht gewesen wie Phormion. Das<lb/> war aber eben Hannibal's Ansicht, nicht die des großen Publikums; auf dies<lb/> wirkte vielmehr auch nach den Niederlagen von Kynoskephalä und Pydna der<lb/> Methodismus der griechischen Kriegswissenschaft in unverminderter Stärke fort.<lb/> Es gab keinen eifrigerer Leser des Xenophon als den jüngeren Scipio-<lb/> Unter solchen Umständen begreift man, wie mächtig der Einfluß eines Mannes<lb/> werden mußte, der sich die Aufgabe stellte, der praktische und wissenschaftliche<lb/> Vermittler zwischen Römerthum und Hellenismus zu werden. Dies that Polybios.</p><lb/> <p xml:id="ID_1389" next="#ID_1390"> Polybios war der Sohn eines achäischen Staatsmannes, Der Stra¬<lb/> tege des achäischen Bundes, der ausgezeichnete Philopömen, den die Schrift¬<lb/> steller „den letzten der Hellenen" nennen, war sein Erzieher und Vorbild. Er<lb/> befand sich unter den Geiseln, welche die Achäer nach der Besiegung des<lb/> Perseus nach Rom senden mußten, und seine ausgezeichnete Persönlichkeit er¬<lb/> warb ihm bald mächtige Freunde unter den Senatoren. Namentlich trat er<lb/> dem Hause der Scipiouen nahe. Hier gewann er die Ueberzeugung, daß Rom's<lb/> Erfolge nicht dem blinden Glücke, sondern hervorragender Tüchtigkeit der Sieger<lb/> zu danken seien, und erkannte es als seinen Beruf, diese Wahrheit seinen Lands-<lb/> leuten als Grund sür eine vertrauensvolle Unterwerfung, den Römern aber<lb/> als Antrieb zu maßvoller und gerechter Herrschaft vor Augen zu stellen. In<lb/> diesem Sinne hat er seine pragmatische Universalgeschichte geschrieben, welche<lb/> die Ereignisse vom zweiten punischen Kriege bis zur Zerstörung von Karthago syn¬<lb/> chronistisch darstellt. Er hatte Gelegenheit, viel zu sehen, deun er begleitete<lb/> den Scipio auf seinen Feldzügen als Mottensichrer, und das Streben, in seinem<lb/> Geschichtswerke überall die Ursachen der Begebenheiten klar zu legen, veranlaßt<lb/> ihn zu einer Reihe voll Exkursen auch rein militärischen Inhalts. Der be¬<lb/> deutendste davon ist der über das römische Kriegswesen (VI. 19—24), welcher<lb/> eine der wesentlichsten Grundlagen unserer gesammten Kenntniß der militärischen<lb/> Alterthümer Italien's bildet. Demnächst ist der Abschnitt über die makedonische<lb/> Taktik wichtig, ans welchem ich den Vergleich zwischen Legion und Phalanx</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0450]
Es war in Hellas allgemeiner Glaube, daß Hannibal seine Siege wesentlich
griechischer Belehrung zu danken habe. Man erzählte, er sei auf seinein ersten
Feldzuge von zwei spartanischen Strategen begleitet gewesen; als wenn der Sohn
des Hamilkar, der Schüler des Hasdrubal seine Weisheit hätte jenseits des
ionischen Meeres suchen müssen! .Aber !so tief durchdrungen waren diese
griechischen Theoretiker von ihrer Unfehlbarkeit, daß der Peripatetiker Phormiou
dem verbannten Hannibal am Hofe des Antiochos einen pedantischen Vortrag
und Stift und Zirkel hielt, um dem Sieger von Cannä klar zu machen, wie
er denn seine großen Operationen eigentlich Hütte führen sollen, wofür er von
dem großen Feldherrn die Bemerkung einerntete: er habe schon viele verrückte
alte Herren gesehen, aber keiner sei so verdreht gewesen wie Phormion. Das
war aber eben Hannibal's Ansicht, nicht die des großen Publikums; auf dies
wirkte vielmehr auch nach den Niederlagen von Kynoskephalä und Pydna der
Methodismus der griechischen Kriegswissenschaft in unverminderter Stärke fort.
Es gab keinen eifrigerer Leser des Xenophon als den jüngeren Scipio-
Unter solchen Umständen begreift man, wie mächtig der Einfluß eines Mannes
werden mußte, der sich die Aufgabe stellte, der praktische und wissenschaftliche
Vermittler zwischen Römerthum und Hellenismus zu werden. Dies that Polybios.
Polybios war der Sohn eines achäischen Staatsmannes, Der Stra¬
tege des achäischen Bundes, der ausgezeichnete Philopömen, den die Schrift¬
steller „den letzten der Hellenen" nennen, war sein Erzieher und Vorbild. Er
befand sich unter den Geiseln, welche die Achäer nach der Besiegung des
Perseus nach Rom senden mußten, und seine ausgezeichnete Persönlichkeit er¬
warb ihm bald mächtige Freunde unter den Senatoren. Namentlich trat er
dem Hause der Scipiouen nahe. Hier gewann er die Ueberzeugung, daß Rom's
Erfolge nicht dem blinden Glücke, sondern hervorragender Tüchtigkeit der Sieger
zu danken seien, und erkannte es als seinen Beruf, diese Wahrheit seinen Lands-
leuten als Grund sür eine vertrauensvolle Unterwerfung, den Römern aber
als Antrieb zu maßvoller und gerechter Herrschaft vor Augen zu stellen. In
diesem Sinne hat er seine pragmatische Universalgeschichte geschrieben, welche
die Ereignisse vom zweiten punischen Kriege bis zur Zerstörung von Karthago syn¬
chronistisch darstellt. Er hatte Gelegenheit, viel zu sehen, deun er begleitete
den Scipio auf seinen Feldzügen als Mottensichrer, und das Streben, in seinem
Geschichtswerke überall die Ursachen der Begebenheiten klar zu legen, veranlaßt
ihn zu einer Reihe voll Exkursen auch rein militärischen Inhalts. Der be¬
deutendste davon ist der über das römische Kriegswesen (VI. 19—24), welcher
eine der wesentlichsten Grundlagen unserer gesammten Kenntniß der militärischen
Alterthümer Italien's bildet. Demnächst ist der Abschnitt über die makedonische
Taktik wichtig, ans welchem ich den Vergleich zwischen Legion und Phalanx
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