Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

deutschen Sozialdemokratie jenes Manifest als maßgebend ab, und mit Recht
nennt Engels den von ihm und Marx umgestalteten Kommunistenbnnd die
"erste Organisation der deutscheu sozialdemokratischen Partei". Es liegt hier in der
That ein ans direkteste Deszendenz gegründetes Verwandtschaftsverhältniß vor.
Der "Bund der Kommunisten" verkam in den fünfziger Jahren ebenso an
äußeren Schlägen wie an innerer Schwäche und schleppte nur ein dürftiges
Scheindasein in der "Schwefelbande" fort, einem engen Konventikel, das sich
in London um Marx sammelte und sich namentlich 1859 durch seine ver-
rätherischen Zettelungen gegen die preußisch-dentschen Interessen bemerkbar
machte. Aus der "Schwefelbaude" entwickelte sich dann wieder 1864 die
"Internationale Arbeiterassoziation", deren deutscher Absenker die vornehmlich
von Liebknecht, dem Vertrauten von Engels und Marx, gegründete "sozial¬
demokratische Arbeiterpartei" war, welche alsbald den "Allgemeinen deutschen
Arbeiterverein" von Lassale verschlang und sich heute ganz und gar deckt mit
der deutschen Sozialdemokratie. Wie von Deutschen erdacht, so war diese revo-
lutionäre Methode auch vorwiegend ans Deutsche berechnet, auf ihre philoso¬
phischen Anlagen, auf ihre hartnäckige Systemsncht. Der praktisch-nüchterne
Sinn der englischen, das leichte Geblüt der romanischen Arbeiter richten sich
vielmehr auf und gegen konkrete Nothstände des Augenblicks, als daß sie aus
allgemeinen Vorstellungen von einer menschenunwürdigen Existenz, welche sie
führen, der nationalen Gemeinschaft ihrer Volksgenossen unversöhnlichen Haß
schwören. In den leitenden Kreisen der europäischen Revolution stießen Engels
und Marx mit ihrem System denn anch fortdauernd auf einen heftigen, nie¬
mals völlig überwundenen Widerstand. Als sie die Internationale gründeten,
verlangten die Delegirten aus den romanischen Ländern, daß Mazzini Pro¬
gramm und Statuten ausarbeiten sollte, und sie setzten vorläufig ihren Willen
dnrch. Mazzini legte dann auch seiue Entwürfe vor; seine Statuten waren
ganz nach Art der geheimen Konspiratiousgesellschafteu abgefaßt, in denen der
berühmte Verschwörer alt geworden war, während sich sein Programm fast
nur auf politische Fragen beschränkte und namentlich gegen den Klassenkampf
eiferte. Dieser prinzipielle Mißgriff verschaffte Marx Oberwasser über den
Nebenbuhler, aber nach wenigen Jahren kam dann ein Stärkerer über ihn in
der Person von Bakunin, der wiederum, vornehmlich auf die Delegirten der
romanischen Länder gestützt, 1872 die Internationale sprengte und den neuen
gleichnamigen Bund, den er alsbald stiftete, zu dem altgewohnten Komplotir-
system der Attentate und Putsche, der "Propaganda pur W wir" znrückleitete.

So bleibt dem deutschen Reiche der wenig beneidenswerthe Vorzug, die
Musterstation für die revolutionäre Methode des modernen Kommunismus zu
sein. Bis auf zehn Jahre zurück lassen sich ihre Spuren verfolgen, bis auf


deutschen Sozialdemokratie jenes Manifest als maßgebend ab, und mit Recht
nennt Engels den von ihm und Marx umgestalteten Kommunistenbnnd die
„erste Organisation der deutscheu sozialdemokratischen Partei". Es liegt hier in der
That ein ans direkteste Deszendenz gegründetes Verwandtschaftsverhältniß vor.
Der „Bund der Kommunisten" verkam in den fünfziger Jahren ebenso an
äußeren Schlägen wie an innerer Schwäche und schleppte nur ein dürftiges
Scheindasein in der „Schwefelbande" fort, einem engen Konventikel, das sich
in London um Marx sammelte und sich namentlich 1859 durch seine ver-
rätherischen Zettelungen gegen die preußisch-dentschen Interessen bemerkbar
machte. Aus der „Schwefelbaude" entwickelte sich dann wieder 1864 die
„Internationale Arbeiterassoziation", deren deutscher Absenker die vornehmlich
von Liebknecht, dem Vertrauten von Engels und Marx, gegründete „sozial¬
demokratische Arbeiterpartei" war, welche alsbald den „Allgemeinen deutschen
Arbeiterverein" von Lassale verschlang und sich heute ganz und gar deckt mit
der deutschen Sozialdemokratie. Wie von Deutschen erdacht, so war diese revo-
lutionäre Methode auch vorwiegend ans Deutsche berechnet, auf ihre philoso¬
phischen Anlagen, auf ihre hartnäckige Systemsncht. Der praktisch-nüchterne
Sinn der englischen, das leichte Geblüt der romanischen Arbeiter richten sich
vielmehr auf und gegen konkrete Nothstände des Augenblicks, als daß sie aus
allgemeinen Vorstellungen von einer menschenunwürdigen Existenz, welche sie
führen, der nationalen Gemeinschaft ihrer Volksgenossen unversöhnlichen Haß
schwören. In den leitenden Kreisen der europäischen Revolution stießen Engels
und Marx mit ihrem System denn anch fortdauernd auf einen heftigen, nie¬
mals völlig überwundenen Widerstand. Als sie die Internationale gründeten,
verlangten die Delegirten aus den romanischen Ländern, daß Mazzini Pro¬
gramm und Statuten ausarbeiten sollte, und sie setzten vorläufig ihren Willen
dnrch. Mazzini legte dann auch seiue Entwürfe vor; seine Statuten waren
ganz nach Art der geheimen Konspiratiousgesellschafteu abgefaßt, in denen der
berühmte Verschwörer alt geworden war, während sich sein Programm fast
nur auf politische Fragen beschränkte und namentlich gegen den Klassenkampf
eiferte. Dieser prinzipielle Mißgriff verschaffte Marx Oberwasser über den
Nebenbuhler, aber nach wenigen Jahren kam dann ein Stärkerer über ihn in
der Person von Bakunin, der wiederum, vornehmlich auf die Delegirten der
romanischen Länder gestützt, 1872 die Internationale sprengte und den neuen
gleichnamigen Bund, den er alsbald stiftete, zu dem altgewohnten Komplotir-
system der Attentate und Putsche, der „Propaganda pur W wir" znrückleitete.

So bleibt dem deutschen Reiche der wenig beneidenswerthe Vorzug, die
Musterstation für die revolutionäre Methode des modernen Kommunismus zu
sein. Bis auf zehn Jahre zurück lassen sich ihre Spuren verfolgen, bis auf


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0435" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140786"/>
          <p xml:id="ID_1355" prev="#ID_1354"> deutschen Sozialdemokratie jenes Manifest als maßgebend ab, und mit Recht<lb/>
nennt Engels den von ihm und Marx umgestalteten Kommunistenbnnd die<lb/>
&#x201E;erste Organisation der deutscheu sozialdemokratischen Partei". Es liegt hier in der<lb/>
That ein ans direkteste Deszendenz gegründetes Verwandtschaftsverhältniß vor.<lb/>
Der &#x201E;Bund der Kommunisten" verkam in den fünfziger Jahren ebenso an<lb/>
äußeren Schlägen wie an innerer Schwäche und schleppte nur ein dürftiges<lb/>
Scheindasein in der &#x201E;Schwefelbande" fort, einem engen Konventikel, das sich<lb/>
in London um Marx sammelte und sich namentlich 1859 durch seine ver-<lb/>
rätherischen Zettelungen gegen die preußisch-dentschen Interessen bemerkbar<lb/>
machte. Aus der &#x201E;Schwefelbaude" entwickelte sich dann wieder 1864 die<lb/>
&#x201E;Internationale Arbeiterassoziation", deren deutscher Absenker die vornehmlich<lb/>
von Liebknecht, dem Vertrauten von Engels und Marx, gegründete &#x201E;sozial¬<lb/>
demokratische Arbeiterpartei" war, welche alsbald den &#x201E;Allgemeinen deutschen<lb/>
Arbeiterverein" von Lassale verschlang und sich heute ganz und gar deckt mit<lb/>
der deutschen Sozialdemokratie. Wie von Deutschen erdacht, so war diese revo-<lb/>
lutionäre Methode auch vorwiegend ans Deutsche berechnet, auf ihre philoso¬<lb/>
phischen Anlagen, auf ihre hartnäckige Systemsncht. Der praktisch-nüchterne<lb/>
Sinn der englischen, das leichte Geblüt der romanischen Arbeiter richten sich<lb/>
vielmehr auf und gegen konkrete Nothstände des Augenblicks, als daß sie aus<lb/>
allgemeinen Vorstellungen von einer menschenunwürdigen Existenz, welche sie<lb/>
führen, der nationalen Gemeinschaft ihrer Volksgenossen unversöhnlichen Haß<lb/>
schwören. In den leitenden Kreisen der europäischen Revolution stießen Engels<lb/>
und Marx mit ihrem System denn anch fortdauernd auf einen heftigen, nie¬<lb/>
mals völlig überwundenen Widerstand. Als sie die Internationale gründeten,<lb/>
verlangten die Delegirten aus den romanischen Ländern, daß Mazzini Pro¬<lb/>
gramm und Statuten ausarbeiten sollte, und sie setzten vorläufig ihren Willen<lb/>
dnrch. Mazzini legte dann auch seiue Entwürfe vor; seine Statuten waren<lb/>
ganz nach Art der geheimen Konspiratiousgesellschafteu abgefaßt, in denen der<lb/>
berühmte Verschwörer alt geworden war, während sich sein Programm fast<lb/>
nur auf politische Fragen beschränkte und namentlich gegen den Klassenkampf<lb/>
eiferte. Dieser prinzipielle Mißgriff verschaffte Marx Oberwasser über den<lb/>
Nebenbuhler, aber nach wenigen Jahren kam dann ein Stärkerer über ihn in<lb/>
der Person von Bakunin, der wiederum, vornehmlich auf die Delegirten der<lb/>
romanischen Länder gestützt, 1872 die Internationale sprengte und den neuen<lb/>
gleichnamigen Bund, den er alsbald stiftete, zu dem altgewohnten Komplotir-<lb/>
system der Attentate und Putsche, der &#x201E;Propaganda pur W wir" znrückleitete.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1356" next="#ID_1357"> So bleibt dem deutschen Reiche der wenig beneidenswerthe Vorzug, die<lb/>
Musterstation für die revolutionäre Methode des modernen Kommunismus zu<lb/>
sein. Bis auf zehn Jahre zurück lassen sich ihre Spuren verfolgen, bis auf</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0435] deutschen Sozialdemokratie jenes Manifest als maßgebend ab, und mit Recht nennt Engels den von ihm und Marx umgestalteten Kommunistenbnnd die „erste Organisation der deutscheu sozialdemokratischen Partei". Es liegt hier in der That ein ans direkteste Deszendenz gegründetes Verwandtschaftsverhältniß vor. Der „Bund der Kommunisten" verkam in den fünfziger Jahren ebenso an äußeren Schlägen wie an innerer Schwäche und schleppte nur ein dürftiges Scheindasein in der „Schwefelbande" fort, einem engen Konventikel, das sich in London um Marx sammelte und sich namentlich 1859 durch seine ver- rätherischen Zettelungen gegen die preußisch-dentschen Interessen bemerkbar machte. Aus der „Schwefelbaude" entwickelte sich dann wieder 1864 die „Internationale Arbeiterassoziation", deren deutscher Absenker die vornehmlich von Liebknecht, dem Vertrauten von Engels und Marx, gegründete „sozial¬ demokratische Arbeiterpartei" war, welche alsbald den „Allgemeinen deutschen Arbeiterverein" von Lassale verschlang und sich heute ganz und gar deckt mit der deutschen Sozialdemokratie. Wie von Deutschen erdacht, so war diese revo- lutionäre Methode auch vorwiegend ans Deutsche berechnet, auf ihre philoso¬ phischen Anlagen, auf ihre hartnäckige Systemsncht. Der praktisch-nüchterne Sinn der englischen, das leichte Geblüt der romanischen Arbeiter richten sich vielmehr auf und gegen konkrete Nothstände des Augenblicks, als daß sie aus allgemeinen Vorstellungen von einer menschenunwürdigen Existenz, welche sie führen, der nationalen Gemeinschaft ihrer Volksgenossen unversöhnlichen Haß schwören. In den leitenden Kreisen der europäischen Revolution stießen Engels und Marx mit ihrem System denn anch fortdauernd auf einen heftigen, nie¬ mals völlig überwundenen Widerstand. Als sie die Internationale gründeten, verlangten die Delegirten aus den romanischen Ländern, daß Mazzini Pro¬ gramm und Statuten ausarbeiten sollte, und sie setzten vorläufig ihren Willen dnrch. Mazzini legte dann auch seiue Entwürfe vor; seine Statuten waren ganz nach Art der geheimen Konspiratiousgesellschafteu abgefaßt, in denen der berühmte Verschwörer alt geworden war, während sich sein Programm fast nur auf politische Fragen beschränkte und namentlich gegen den Klassenkampf eiferte. Dieser prinzipielle Mißgriff verschaffte Marx Oberwasser über den Nebenbuhler, aber nach wenigen Jahren kam dann ein Stärkerer über ihn in der Person von Bakunin, der wiederum, vornehmlich auf die Delegirten der romanischen Länder gestützt, 1872 die Internationale sprengte und den neuen gleichnamigen Bund, den er alsbald stiftete, zu dem altgewohnten Komplotir- system der Attentate und Putsche, der „Propaganda pur W wir" znrückleitete. So bleibt dem deutschen Reiche der wenig beneidenswerthe Vorzug, die Musterstation für die revolutionäre Methode des modernen Kommunismus zu sein. Bis auf zehn Jahre zurück lassen sich ihre Spuren verfolgen, bis auf

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/435
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/435>, abgerufen am 22.07.2024.