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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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halten auf die in Rede stehende offiziöse Kundgebung der Regierung. Die
"norddeutsche Allgemeine Zeitung", die Kreuzzeitung und andere klagen, daß
die Jolly'sche Aera, welche man überwunden geglaubt habe, noch am Tages¬
himmel stehe. Am naivsten aber geberdet sich das Landesorgan unserer
Deutsch-Konservativen, indem es der badischen Regierung vorwirft, sie "durch¬
kreuze die Pläne des leitenden Staatsmannes, indem sie ganz unverhohlen die
Wahltrompete zu Gunsten der Wiederwahl der früheren nationalliberaleu
Mehrheit ertönen lasse und vor einer Wendung in der deutschen Politik warne.
In das Stadium einer Reaktion im Sinne einer Gegenbewegung gegen eine
unberechtigte Bewegung seien wir eingetreten, daran können offiziöse Auslassungen
nichts mehr ändern." Ach ja! die Herren hatten in unserem Baden bereits
die Hände ausgestreckt, die ihnen so heiter entgegen lachenden Früchte der
Reaktion "in Sicht" jauchzend zu pflücken. Und nun kommt dieser scharfe,
klare Luftzug und biegt die Aeste rückwärts. Da ist's zu begreifen, daß der
Aerger momentan fast kindisch machen kann. Nun, es wird sich ja zeigen, was
für Siege die Deutsch-Konservativen, welche den "offiziellen Fehdehandschuh"
aufnehmen wollen, im bevorstehenden Wahlkampf erfechten werden.

Man hat, auch von national liberaler Seite aus, die badische Regierung
getadelt, daß sie trotz ihres Bedenkens gegen sofortige Reichstagsauflösung
dennoch dem diese Auflösung befürwortenden preußischen Antrag zugestimmt
haben. Wir zählen zu denen, die es gerne gesehen Hütten, wenn Baden im
Bundesrath mit Hamburg und Hessen gegen die Sozialistennovelle votirt haben
würde. Aber ebenso sind wir aus tiefster Ueberzeugung denen beigesellt,
welche an Stelle des Rathes der "verbündeten Regierungen" eine einheitliche
Reichsregieruug gesetzt wünschen, damit auch wirklich Ein Reich sei und nicht
nur -- was ja doch das deutsche Reich mehr oder minder z. Z. noch ist --
ein Complex verbündeter "Staaten." Wo wir nun sehen, daß der nationale
Gedanke nach dieser Richtung hiu bejaht wird, ohne Preisgebung höchster
politischer Interessen bejaht wird, da stehen wir nicht an, unumwunden Bei¬
fall zu spenden. "Der deutsche" Vormacht und dem leitenden Staatsmann
durste in einer hochgespannter Lage die dringend verlangte Anwendung einer
verfassungsmäßigen Maßnahme nicht versagt werden." Diese Motivirung ist
lediglich' und rückhaltlos anzuerkennen. Die badische Regierung mußte nur
des Einen sich überzeugt halten, daß die Auflösung ehrlich und redlich ohne
Hintergedanken, lediglich um des ausgesprochenen, von ihr, der kindischen
Regierung nicht zu mißbilligenden Zweckes willen gefordert wurde. Sie
hielt sich dessen überzeugt und so ist und bleibt ihre Zustimmung eine aufs
Höchste zu verehrende nationale That.

Der Wahlkampf wird hart und bitter werden. In dem aufgelösten


halten auf die in Rede stehende offiziöse Kundgebung der Regierung. Die
„norddeutsche Allgemeine Zeitung", die Kreuzzeitung und andere klagen, daß
die Jolly'sche Aera, welche man überwunden geglaubt habe, noch am Tages¬
himmel stehe. Am naivsten aber geberdet sich das Landesorgan unserer
Deutsch-Konservativen, indem es der badischen Regierung vorwirft, sie „durch¬
kreuze die Pläne des leitenden Staatsmannes, indem sie ganz unverhohlen die
Wahltrompete zu Gunsten der Wiederwahl der früheren nationalliberaleu
Mehrheit ertönen lasse und vor einer Wendung in der deutschen Politik warne.
In das Stadium einer Reaktion im Sinne einer Gegenbewegung gegen eine
unberechtigte Bewegung seien wir eingetreten, daran können offiziöse Auslassungen
nichts mehr ändern." Ach ja! die Herren hatten in unserem Baden bereits
die Hände ausgestreckt, die ihnen so heiter entgegen lachenden Früchte der
Reaktion „in Sicht" jauchzend zu pflücken. Und nun kommt dieser scharfe,
klare Luftzug und biegt die Aeste rückwärts. Da ist's zu begreifen, daß der
Aerger momentan fast kindisch machen kann. Nun, es wird sich ja zeigen, was
für Siege die Deutsch-Konservativen, welche den „offiziellen Fehdehandschuh"
aufnehmen wollen, im bevorstehenden Wahlkampf erfechten werden.

Man hat, auch von national liberaler Seite aus, die badische Regierung
getadelt, daß sie trotz ihres Bedenkens gegen sofortige Reichstagsauflösung
dennoch dem diese Auflösung befürwortenden preußischen Antrag zugestimmt
haben. Wir zählen zu denen, die es gerne gesehen Hütten, wenn Baden im
Bundesrath mit Hamburg und Hessen gegen die Sozialistennovelle votirt haben
würde. Aber ebenso sind wir aus tiefster Ueberzeugung denen beigesellt,
welche an Stelle des Rathes der „verbündeten Regierungen" eine einheitliche
Reichsregieruug gesetzt wünschen, damit auch wirklich Ein Reich sei und nicht
nur — was ja doch das deutsche Reich mehr oder minder z. Z. noch ist —
ein Complex verbündeter „Staaten." Wo wir nun sehen, daß der nationale
Gedanke nach dieser Richtung hiu bejaht wird, ohne Preisgebung höchster
politischer Interessen bejaht wird, da stehen wir nicht an, unumwunden Bei¬
fall zu spenden. „Der deutsche» Vormacht und dem leitenden Staatsmann
durste in einer hochgespannter Lage die dringend verlangte Anwendung einer
verfassungsmäßigen Maßnahme nicht versagt werden." Diese Motivirung ist
lediglich' und rückhaltlos anzuerkennen. Die badische Regierung mußte nur
des Einen sich überzeugt halten, daß die Auflösung ehrlich und redlich ohne
Hintergedanken, lediglich um des ausgesprochenen, von ihr, der kindischen
Regierung nicht zu mißbilligenden Zweckes willen gefordert wurde. Sie
hielt sich dessen überzeugt und so ist und bleibt ihre Zustimmung eine aufs
Höchste zu verehrende nationale That.

Der Wahlkampf wird hart und bitter werden. In dem aufgelösten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/42>, abgerufen am 22.07.2024.