Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

durch den jedesmaligen Ton, den ein Gegenstand unter diesem oder jenem Lichte
hat, den sinnlichen Eindruck wieder. Aus diesem Grunde hat man den An¬
hängern der Schule, welche die Prinzipien des Meisters natürlich noch auf die
Spitze trieben, den Namen "Impressionisten" gegeben. Die Impressionisten
hatten einen langen und schweren Kampf zu bestehen, bevor sie sich zu förm¬
licher Anerkennung durchsochten, Jahre lang vom "Salon" ausgeschlossen,
veranstalteten sie ihre Separatausstelluugen, bis sich ihnen endlich die Pforten
des "Salons" öffneten. Ende April, als der Nachlaß Daubignu's, eine große
Anzahl von Gemälden und Skizzen, versteigert wurde, war ganz Paris impres¬
sionistisch gesinnt.

Wenn man ein Bild Daubigny's ans unmittelbarer Nähe betrachtet, unter¬
scheidet man nichts als eine Anzahl rother, blaner, grüner, weißer und schwarzer
Kleckse, die mit dem Pinsel scheinbar willkürlich dick nebeneinander hingesetzt
sind. Erst in weiterer Entfernung löst sich dieser Wirrwarr von Klecksen auf
und bei einigem guten Willen kann man so etwas wie einen Sonnenuntergang
ans einer Wiese erkennen. Ein Hansen weißer Oelfarbe soll dann eine Winter¬
landschaft darstellen, ein Sammelsurium von allerhand Grün den Frühling
u. s. w. Es ist uicht auffällig, daß solche Exzentrizitäten in Paris große Schaaren
von Bewunderern finden. Das darf uns jedoch nicht hindern, diese moderne
Richtung in der Malerei als das zu bezeichnen, was sie wirklich ist, als eine
völlig kunstwidrige, auf niedrige Sensation berechnete Verirrung.

Wie Daubigny ein an sich nicht unvernünftiges Prinzip durch maßlose
Uebertreibung diskreditirt hat, so ist Corot durch einseitige und ausschließliche
Anwendung des durch ihn vertretenen Prinzips in Manierismus verfallen. Im
Gegensatze zu Daubigny war er ein Poet, vor dessen Augen sich die Welt und
die ganze Natur in einen silbergrauen, lichten Schleier hüllte. Er gewöhnte
sich allmählich so an diese Anschauungsweise, daß er schließlich keine anderen
Töne mehr sah als grau in gran. Das Land der Bäume, das Wasser der
Flüsse, das Roth der Abendsonne -- alles bekam seinen grauen Ton. Auch dieser
Apostel des Grauen fand, wenn auch ziemlich spät, seine Verehrer, ja seine
Fanatiker. Die Weltausstellung giebt Gelegenheit, sich von der Unfruchtbar¬
keit, von der Trostlosigkeit seines malerischen Prinzips zu überzeugen. Dort
hängen zehn Bildchen von seiner Hand nebeneinander.

Man sieht im Vordergrunde meist eine Baumgruppe, die sich in der Mitte
öffnet, sodaß man einen Durchblick auf eine lange Perspektive wie durch einen
Rahmen erhält. In dieser Perspektive schwimmen silbergraue und gelbliche Töne
umher, wallen grane Schleier auf und ab -- das ist die Poesie einer Corot-
schen Landschaft. Wie Daubiguy behandelt er die Zeichnung mit souveräner
Verachtung. Die Staffage, mit der er seine Landschaften zu beleben pflegte


durch den jedesmaligen Ton, den ein Gegenstand unter diesem oder jenem Lichte
hat, den sinnlichen Eindruck wieder. Aus diesem Grunde hat man den An¬
hängern der Schule, welche die Prinzipien des Meisters natürlich noch auf die
Spitze trieben, den Namen „Impressionisten" gegeben. Die Impressionisten
hatten einen langen und schweren Kampf zu bestehen, bevor sie sich zu förm¬
licher Anerkennung durchsochten, Jahre lang vom „Salon" ausgeschlossen,
veranstalteten sie ihre Separatausstelluugen, bis sich ihnen endlich die Pforten
des „Salons" öffneten. Ende April, als der Nachlaß Daubignu's, eine große
Anzahl von Gemälden und Skizzen, versteigert wurde, war ganz Paris impres¬
sionistisch gesinnt.

Wenn man ein Bild Daubigny's ans unmittelbarer Nähe betrachtet, unter¬
scheidet man nichts als eine Anzahl rother, blaner, grüner, weißer und schwarzer
Kleckse, die mit dem Pinsel scheinbar willkürlich dick nebeneinander hingesetzt
sind. Erst in weiterer Entfernung löst sich dieser Wirrwarr von Klecksen auf
und bei einigem guten Willen kann man so etwas wie einen Sonnenuntergang
ans einer Wiese erkennen. Ein Hansen weißer Oelfarbe soll dann eine Winter¬
landschaft darstellen, ein Sammelsurium von allerhand Grün den Frühling
u. s. w. Es ist uicht auffällig, daß solche Exzentrizitäten in Paris große Schaaren
von Bewunderern finden. Das darf uns jedoch nicht hindern, diese moderne
Richtung in der Malerei als das zu bezeichnen, was sie wirklich ist, als eine
völlig kunstwidrige, auf niedrige Sensation berechnete Verirrung.

Wie Daubigny ein an sich nicht unvernünftiges Prinzip durch maßlose
Uebertreibung diskreditirt hat, so ist Corot durch einseitige und ausschließliche
Anwendung des durch ihn vertretenen Prinzips in Manierismus verfallen. Im
Gegensatze zu Daubigny war er ein Poet, vor dessen Augen sich die Welt und
die ganze Natur in einen silbergrauen, lichten Schleier hüllte. Er gewöhnte
sich allmählich so an diese Anschauungsweise, daß er schließlich keine anderen
Töne mehr sah als grau in gran. Das Land der Bäume, das Wasser der
Flüsse, das Roth der Abendsonne — alles bekam seinen grauen Ton. Auch dieser
Apostel des Grauen fand, wenn auch ziemlich spät, seine Verehrer, ja seine
Fanatiker. Die Weltausstellung giebt Gelegenheit, sich von der Unfruchtbar¬
keit, von der Trostlosigkeit seines malerischen Prinzips zu überzeugen. Dort
hängen zehn Bildchen von seiner Hand nebeneinander.

Man sieht im Vordergrunde meist eine Baumgruppe, die sich in der Mitte
öffnet, sodaß man einen Durchblick auf eine lange Perspektive wie durch einen
Rahmen erhält. In dieser Perspektive schwimmen silbergraue und gelbliche Töne
umher, wallen grane Schleier auf und ab — das ist die Poesie einer Corot-
schen Landschaft. Wie Daubiguy behandelt er die Zeichnung mit souveräner
Verachtung. Die Staffage, mit der er seine Landschaften zu beleben pflegte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0357" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140708"/>
          <p xml:id="ID_1077" prev="#ID_1076"> durch den jedesmaligen Ton, den ein Gegenstand unter diesem oder jenem Lichte<lb/>
hat, den sinnlichen Eindruck wieder. Aus diesem Grunde hat man den An¬<lb/>
hängern der Schule, welche die Prinzipien des Meisters natürlich noch auf die<lb/>
Spitze trieben, den Namen &#x201E;Impressionisten" gegeben. Die Impressionisten<lb/>
hatten einen langen und schweren Kampf zu bestehen, bevor sie sich zu förm¬<lb/>
licher Anerkennung durchsochten, Jahre lang vom &#x201E;Salon" ausgeschlossen,<lb/>
veranstalteten sie ihre Separatausstelluugen, bis sich ihnen endlich die Pforten<lb/>
des &#x201E;Salons" öffneten. Ende April, als der Nachlaß Daubignu's, eine große<lb/>
Anzahl von Gemälden und Skizzen, versteigert wurde, war ganz Paris impres¬<lb/>
sionistisch gesinnt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1078"> Wenn man ein Bild Daubigny's ans unmittelbarer Nähe betrachtet, unter¬<lb/>
scheidet man nichts als eine Anzahl rother, blaner, grüner, weißer und schwarzer<lb/>
Kleckse, die mit dem Pinsel scheinbar willkürlich dick nebeneinander hingesetzt<lb/>
sind. Erst in weiterer Entfernung löst sich dieser Wirrwarr von Klecksen auf<lb/>
und bei einigem guten Willen kann man so etwas wie einen Sonnenuntergang<lb/>
ans einer Wiese erkennen. Ein Hansen weißer Oelfarbe soll dann eine Winter¬<lb/>
landschaft darstellen, ein Sammelsurium von allerhand Grün den Frühling<lb/>
u. s. w. Es ist uicht auffällig, daß solche Exzentrizitäten in Paris große Schaaren<lb/>
von Bewunderern finden. Das darf uns jedoch nicht hindern, diese moderne<lb/>
Richtung in der Malerei als das zu bezeichnen, was sie wirklich ist, als eine<lb/>
völlig kunstwidrige, auf niedrige Sensation berechnete Verirrung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1079"> Wie Daubigny ein an sich nicht unvernünftiges Prinzip durch maßlose<lb/>
Uebertreibung diskreditirt hat, so ist Corot durch einseitige und ausschließliche<lb/>
Anwendung des durch ihn vertretenen Prinzips in Manierismus verfallen. Im<lb/>
Gegensatze zu Daubigny war er ein Poet, vor dessen Augen sich die Welt und<lb/>
die ganze Natur in einen silbergrauen, lichten Schleier hüllte. Er gewöhnte<lb/>
sich allmählich so an diese Anschauungsweise, daß er schließlich keine anderen<lb/>
Töne mehr sah als grau in gran. Das Land der Bäume, das Wasser der<lb/>
Flüsse, das Roth der Abendsonne &#x2014; alles bekam seinen grauen Ton. Auch dieser<lb/>
Apostel des Grauen fand, wenn auch ziemlich spät, seine Verehrer, ja seine<lb/>
Fanatiker. Die Weltausstellung giebt Gelegenheit, sich von der Unfruchtbar¬<lb/>
keit, von der Trostlosigkeit seines malerischen Prinzips zu überzeugen. Dort<lb/>
hängen zehn Bildchen von seiner Hand nebeneinander.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1080" next="#ID_1081"> Man sieht im Vordergrunde meist eine Baumgruppe, die sich in der Mitte<lb/>
öffnet, sodaß man einen Durchblick auf eine lange Perspektive wie durch einen<lb/>
Rahmen erhält. In dieser Perspektive schwimmen silbergraue und gelbliche Töne<lb/>
umher, wallen grane Schleier auf und ab &#x2014; das ist die Poesie einer Corot-<lb/>
schen Landschaft. Wie Daubiguy behandelt er die Zeichnung mit souveräner<lb/>
Verachtung. Die Staffage, mit der er seine Landschaften zu beleben pflegte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0357] durch den jedesmaligen Ton, den ein Gegenstand unter diesem oder jenem Lichte hat, den sinnlichen Eindruck wieder. Aus diesem Grunde hat man den An¬ hängern der Schule, welche die Prinzipien des Meisters natürlich noch auf die Spitze trieben, den Namen „Impressionisten" gegeben. Die Impressionisten hatten einen langen und schweren Kampf zu bestehen, bevor sie sich zu förm¬ licher Anerkennung durchsochten, Jahre lang vom „Salon" ausgeschlossen, veranstalteten sie ihre Separatausstelluugen, bis sich ihnen endlich die Pforten des „Salons" öffneten. Ende April, als der Nachlaß Daubignu's, eine große Anzahl von Gemälden und Skizzen, versteigert wurde, war ganz Paris impres¬ sionistisch gesinnt. Wenn man ein Bild Daubigny's ans unmittelbarer Nähe betrachtet, unter¬ scheidet man nichts als eine Anzahl rother, blaner, grüner, weißer und schwarzer Kleckse, die mit dem Pinsel scheinbar willkürlich dick nebeneinander hingesetzt sind. Erst in weiterer Entfernung löst sich dieser Wirrwarr von Klecksen auf und bei einigem guten Willen kann man so etwas wie einen Sonnenuntergang ans einer Wiese erkennen. Ein Hansen weißer Oelfarbe soll dann eine Winter¬ landschaft darstellen, ein Sammelsurium von allerhand Grün den Frühling u. s. w. Es ist uicht auffällig, daß solche Exzentrizitäten in Paris große Schaaren von Bewunderern finden. Das darf uns jedoch nicht hindern, diese moderne Richtung in der Malerei als das zu bezeichnen, was sie wirklich ist, als eine völlig kunstwidrige, auf niedrige Sensation berechnete Verirrung. Wie Daubigny ein an sich nicht unvernünftiges Prinzip durch maßlose Uebertreibung diskreditirt hat, so ist Corot durch einseitige und ausschließliche Anwendung des durch ihn vertretenen Prinzips in Manierismus verfallen. Im Gegensatze zu Daubigny war er ein Poet, vor dessen Augen sich die Welt und die ganze Natur in einen silbergrauen, lichten Schleier hüllte. Er gewöhnte sich allmählich so an diese Anschauungsweise, daß er schließlich keine anderen Töne mehr sah als grau in gran. Das Land der Bäume, das Wasser der Flüsse, das Roth der Abendsonne — alles bekam seinen grauen Ton. Auch dieser Apostel des Grauen fand, wenn auch ziemlich spät, seine Verehrer, ja seine Fanatiker. Die Weltausstellung giebt Gelegenheit, sich von der Unfruchtbar¬ keit, von der Trostlosigkeit seines malerischen Prinzips zu überzeugen. Dort hängen zehn Bildchen von seiner Hand nebeneinander. Man sieht im Vordergrunde meist eine Baumgruppe, die sich in der Mitte öffnet, sodaß man einen Durchblick auf eine lange Perspektive wie durch einen Rahmen erhält. In dieser Perspektive schwimmen silbergraue und gelbliche Töne umher, wallen grane Schleier auf und ab — das ist die Poesie einer Corot- schen Landschaft. Wie Daubiguy behandelt er die Zeichnung mit souveräner Verachtung. Die Staffage, mit der er seine Landschaften zu beleben pflegte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/357
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/357>, abgerufen am 22.07.2024.