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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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den. Man mußte demnach ein anderes Material zu Hilfe nehmen, um die
grauen Flächen der gigantischen Pfeiler zu überkleiden, welche das gewölbte
Zinkdach tragen. Gelbe Fächer mit farbigen stilisirten Blumen aus gebranntem
Thon, die zusammengesetzt ein aufsteigendes Ornament bilden, füllen die Stirn¬
seiten der zweiundzwanzig Pfeiler, welche die dem Trocadero zugekehrte Haupt-
fm.'nde des Judustriepalastes gliedern. In der Mitte unterbricht sie eine impo¬
sante, von einer Kuppel überwölbte Triumphbogenarchitektur, die von zwei kleinen
Pavillons flankirt ist, während zwei große, die ebenfalls von gewaltigen Kuppel¬
dächern überhöht sind, an den Ecken den wirksamen Abschluß der Fa?abe bilden.
Die Glasflächen zwischen den Pilastern find durch ein quer durchschneidendes
Gesims in zwei ungleiche Kompartimente getheilt. Das obere, größere ist durch ein
schachbrettartiges Muster aus weißen: und hellblauem Glase belebt, das andere
ist in drei Fenster von gewöhnlichen Dimensionen getheilt. Unterhalb des
Gesimses stehen vor den Pilasterabschnitten zweiundzwanzig Kolossalstatuen von
Gips, die Repräsentantinnen der fremden Nationen, die sich an der Ausstel¬
lung betheiligt haben. Sie sind ziemlich dekorativ, fast roh in einem bra-
marbasirenden Barockstile gearbeitet. Nimmt man uoch eine Menge bunter
Fahnen und eine Statue des Friedens auf der mittleren Kuppel hinzu, so ist
alles aufgezählt, was zur Dekoration der Hauptfa?abe verwendet worden ist.
Bei Sonnenschein gewährt sie mit ihren wehenden Wimpeln, blitzenden Scheiben
und glänzenden Zinkdächern einen festlichen heiteren Anblick. Wenn aber ein
einförmiger Regen herniederplätschert, wie es seit Eröffnung der Weltausstel¬
lung bis in die dritte Juniwoche hinein fast ohne Unterbrechung der Fall
war, so wird man inne, daß Eisen und Glas die trostlosesten Baumaterialien
der Welt sind.

Die Sucht etwas Neues und Ungewöhnliches zu bieten war hier ebenso
maßgebend gewesen wie bei dem Bau des Troeaderopalastes. In der Absicht,
alles vorhergegangene in den Schatten zu stellen, vermied man sorglich alles,
was einerseits an die Wiener Weltausstellung, andrerseits an die Pariser von
1867 erinnern konnte. Diese Tendenz ist fast zur Manie ausgeartet. Indem
man kurzweg alles verwarf, ums vorher dagewesen, verzichtete man auch auf
die Summe von Erfahrungen, die sich während der letzten beiden Weltaus-
stellungen eingesammelt. Die Politik spielte, wie in allen Verwaltungsange¬
legenheiten der dritten Republik, eine bedeutsame Rolle. Die Weltausstellung
von 1878 sollte allein das Werk der Republik sein und darum vermied mau
es sorgfältig an die Mitwirkung der Männer zu appelliren, die an dem
Arrangement der Ausstellung von 1867 betheiligt waren. Auf die Bonapar¬
tisten sollte auch nicht .ein Strahl des Ruhmes fallen, welcher der jungen
Republik voll und ganz gebührt. Dieser lächerliche Egoismus hat sich gerächt.


den. Man mußte demnach ein anderes Material zu Hilfe nehmen, um die
grauen Flächen der gigantischen Pfeiler zu überkleiden, welche das gewölbte
Zinkdach tragen. Gelbe Fächer mit farbigen stilisirten Blumen aus gebranntem
Thon, die zusammengesetzt ein aufsteigendes Ornament bilden, füllen die Stirn¬
seiten der zweiundzwanzig Pfeiler, welche die dem Trocadero zugekehrte Haupt-
fm.'nde des Judustriepalastes gliedern. In der Mitte unterbricht sie eine impo¬
sante, von einer Kuppel überwölbte Triumphbogenarchitektur, die von zwei kleinen
Pavillons flankirt ist, während zwei große, die ebenfalls von gewaltigen Kuppel¬
dächern überhöht sind, an den Ecken den wirksamen Abschluß der Fa?abe bilden.
Die Glasflächen zwischen den Pilastern find durch ein quer durchschneidendes
Gesims in zwei ungleiche Kompartimente getheilt. Das obere, größere ist durch ein
schachbrettartiges Muster aus weißen: und hellblauem Glase belebt, das andere
ist in drei Fenster von gewöhnlichen Dimensionen getheilt. Unterhalb des
Gesimses stehen vor den Pilasterabschnitten zweiundzwanzig Kolossalstatuen von
Gips, die Repräsentantinnen der fremden Nationen, die sich an der Ausstel¬
lung betheiligt haben. Sie sind ziemlich dekorativ, fast roh in einem bra-
marbasirenden Barockstile gearbeitet. Nimmt man uoch eine Menge bunter
Fahnen und eine Statue des Friedens auf der mittleren Kuppel hinzu, so ist
alles aufgezählt, was zur Dekoration der Hauptfa?abe verwendet worden ist.
Bei Sonnenschein gewährt sie mit ihren wehenden Wimpeln, blitzenden Scheiben
und glänzenden Zinkdächern einen festlichen heiteren Anblick. Wenn aber ein
einförmiger Regen herniederplätschert, wie es seit Eröffnung der Weltausstel¬
lung bis in die dritte Juniwoche hinein fast ohne Unterbrechung der Fall
war, so wird man inne, daß Eisen und Glas die trostlosesten Baumaterialien
der Welt sind.

Die Sucht etwas Neues und Ungewöhnliches zu bieten war hier ebenso
maßgebend gewesen wie bei dem Bau des Troeaderopalastes. In der Absicht,
alles vorhergegangene in den Schatten zu stellen, vermied man sorglich alles,
was einerseits an die Wiener Weltausstellung, andrerseits an die Pariser von
1867 erinnern konnte. Diese Tendenz ist fast zur Manie ausgeartet. Indem
man kurzweg alles verwarf, ums vorher dagewesen, verzichtete man auch auf
die Summe von Erfahrungen, die sich während der letzten beiden Weltaus-
stellungen eingesammelt. Die Politik spielte, wie in allen Verwaltungsange¬
legenheiten der dritten Republik, eine bedeutsame Rolle. Die Weltausstellung
von 1878 sollte allein das Werk der Republik sein und darum vermied mau
es sorgfältig an die Mitwirkung der Männer zu appelliren, die an dem
Arrangement der Ausstellung von 1867 betheiligt waren. Auf die Bonapar¬
tisten sollte auch nicht .ein Strahl des Ruhmes fallen, welcher der jungen
Republik voll und ganz gebührt. Dieser lächerliche Egoismus hat sich gerächt.


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[0035] den. Man mußte demnach ein anderes Material zu Hilfe nehmen, um die grauen Flächen der gigantischen Pfeiler zu überkleiden, welche das gewölbte Zinkdach tragen. Gelbe Fächer mit farbigen stilisirten Blumen aus gebranntem Thon, die zusammengesetzt ein aufsteigendes Ornament bilden, füllen die Stirn¬ seiten der zweiundzwanzig Pfeiler, welche die dem Trocadero zugekehrte Haupt- fm.'nde des Judustriepalastes gliedern. In der Mitte unterbricht sie eine impo¬ sante, von einer Kuppel überwölbte Triumphbogenarchitektur, die von zwei kleinen Pavillons flankirt ist, während zwei große, die ebenfalls von gewaltigen Kuppel¬ dächern überhöht sind, an den Ecken den wirksamen Abschluß der Fa?abe bilden. Die Glasflächen zwischen den Pilastern find durch ein quer durchschneidendes Gesims in zwei ungleiche Kompartimente getheilt. Das obere, größere ist durch ein schachbrettartiges Muster aus weißen: und hellblauem Glase belebt, das andere ist in drei Fenster von gewöhnlichen Dimensionen getheilt. Unterhalb des Gesimses stehen vor den Pilasterabschnitten zweiundzwanzig Kolossalstatuen von Gips, die Repräsentantinnen der fremden Nationen, die sich an der Ausstel¬ lung betheiligt haben. Sie sind ziemlich dekorativ, fast roh in einem bra- marbasirenden Barockstile gearbeitet. Nimmt man uoch eine Menge bunter Fahnen und eine Statue des Friedens auf der mittleren Kuppel hinzu, so ist alles aufgezählt, was zur Dekoration der Hauptfa?abe verwendet worden ist. Bei Sonnenschein gewährt sie mit ihren wehenden Wimpeln, blitzenden Scheiben und glänzenden Zinkdächern einen festlichen heiteren Anblick. Wenn aber ein einförmiger Regen herniederplätschert, wie es seit Eröffnung der Weltausstel¬ lung bis in die dritte Juniwoche hinein fast ohne Unterbrechung der Fall war, so wird man inne, daß Eisen und Glas die trostlosesten Baumaterialien der Welt sind. Die Sucht etwas Neues und Ungewöhnliches zu bieten war hier ebenso maßgebend gewesen wie bei dem Bau des Troeaderopalastes. In der Absicht, alles vorhergegangene in den Schatten zu stellen, vermied man sorglich alles, was einerseits an die Wiener Weltausstellung, andrerseits an die Pariser von 1867 erinnern konnte. Diese Tendenz ist fast zur Manie ausgeartet. Indem man kurzweg alles verwarf, ums vorher dagewesen, verzichtete man auch auf die Summe von Erfahrungen, die sich während der letzten beiden Weltaus- stellungen eingesammelt. Die Politik spielte, wie in allen Verwaltungsange¬ legenheiten der dritten Republik, eine bedeutsame Rolle. Die Weltausstellung von 1878 sollte allein das Werk der Republik sein und darum vermied mau es sorgfältig an die Mitwirkung der Männer zu appelliren, die an dem Arrangement der Ausstellung von 1867 betheiligt waren. Auf die Bonapar¬ tisten sollte auch nicht .ein Strahl des Ruhmes fallen, welcher der jungen Republik voll und ganz gebührt. Dieser lächerliche Egoismus hat sich gerächt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/35>, abgerufen am 27.07.2024.