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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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er das Rektorat der Universität Leipzig. Die lateinische Societät in Jena er¬
nannte ihn zum Ehrenmitglied?.

Im Jahre 1752 begann er zu kränkeln, Keime zu der Krankheit, die ihn
nach wenigen Jahren hinrafften, soll er sich durch eine Erkältung ans seinem
Museum zugezogen haben, wo er mitunter zu lange und zu anstrengend studirte.
Im Winter von 1755 auf 1756 verschlimmerte sich sein Zustand, und
schließlich soll der Schrecken, der ihn befiel, als Ende August 1756, während
er zum vierten Male das Rektorat bekleidete/ die Preußen in Leipzig einrückten,
den kranken Mann zum Tode erschüttert haben. Er starb am 3. September
1756. Einer seiner hervorragendsten und treuesten Schüler, Wolfgang Reiz,
hatte in den letzten anderthalb Jahren seines Lebens eine Nacht um die andre
bei ihm gewacht. Die kostbare Bibliothek Christ's, seine zahlreichen Gemälde,
Kupferstiche, Gemmen, Pretiosen, und sein gesammter Hausrath wurden, da er
unverheirathet starb, im November 1756 für seine Erben versteigert. Seit
Gründung der Universität Leipzig war Christ der sechste, im vorigen Jahr¬
hundert der vierte Universitätslehrer, der als Rektor starb und "im Purpur"
bestattet wurde.

Dies im Umriß der änßere Lebensgang Christ's. Außer der Feststellung
dieser biographischen Thatsachen beruht das Hauptverdienst der vorliegenden
Schrift in dem vollständigen und mit ungewöhnlicher bibliographischer Sorg¬
falt zusammengestellten Verzeichniß der zahlreichen Christ'schen Schriften. Von
dickleibigen Büchern war Christ kein Freund. Abgesehen von seiner "Auslegung
der Monogrammata", einem seiner Zeit viel benutzten Buche, hat er fast nur
kleine Schriften verfaßt, mit Vorliebe Miszellen, in denen er die Vielseitigkeit
seines Wissens entfalten konnte. Am charakteristischsten in dieser Beziehung
sind seine von 1727--1729 in Halle erschienenen "Bootes a"a,Ähnlich,iz" in vier
Theilen, eine Sammlung von 32 Observationen des buntesten Inhalts. Da
folgen auf einander Aufsätze aus dem römischen Recht, Textverbesserungen zu
Vellejus Paterculus, eine Vertheidigung des Cardanus gegen Bayle, Erläute¬
rungen zur Statue der sogen. Venus Leukopygos, Dissertationen über den
Uebellaut bei Quintilicin, über die Begriffe livrmötö Komras und Amiant Komino,
eine lateinische und französische Übertragung anakreontischer Lieder, Bemer¬
kungen über Paulus Stephanus, eine Verbesserung und Erläuterung eines
Kapitels des Gellius, ein kritischer Kommentar zu Pithou's fränkischen
Annalen, Aufsätze über Leben und Schriften Hermann's Grafen zu Neuenar,
über die Wirna libslli von 1595, daß die Weiber keine Menschen seien, über
die Ehrlosigkeit fremder Frauen bei den Alten, über die Namen der römischen
Frauen, über die Tonsur bei den Alten, über das Sakrilegium, über den Monat
Martins, dazu Erläuterungen der dein Buche beigegebenen Bildnisse des


er das Rektorat der Universität Leipzig. Die lateinische Societät in Jena er¬
nannte ihn zum Ehrenmitglied?.

Im Jahre 1752 begann er zu kränkeln, Keime zu der Krankheit, die ihn
nach wenigen Jahren hinrafften, soll er sich durch eine Erkältung ans seinem
Museum zugezogen haben, wo er mitunter zu lange und zu anstrengend studirte.
Im Winter von 1755 auf 1756 verschlimmerte sich sein Zustand, und
schließlich soll der Schrecken, der ihn befiel, als Ende August 1756, während
er zum vierten Male das Rektorat bekleidete/ die Preußen in Leipzig einrückten,
den kranken Mann zum Tode erschüttert haben. Er starb am 3. September
1756. Einer seiner hervorragendsten und treuesten Schüler, Wolfgang Reiz,
hatte in den letzten anderthalb Jahren seines Lebens eine Nacht um die andre
bei ihm gewacht. Die kostbare Bibliothek Christ's, seine zahlreichen Gemälde,
Kupferstiche, Gemmen, Pretiosen, und sein gesammter Hausrath wurden, da er
unverheirathet starb, im November 1756 für seine Erben versteigert. Seit
Gründung der Universität Leipzig war Christ der sechste, im vorigen Jahr¬
hundert der vierte Universitätslehrer, der als Rektor starb und „im Purpur"
bestattet wurde.

Dies im Umriß der änßere Lebensgang Christ's. Außer der Feststellung
dieser biographischen Thatsachen beruht das Hauptverdienst der vorliegenden
Schrift in dem vollständigen und mit ungewöhnlicher bibliographischer Sorg¬
falt zusammengestellten Verzeichniß der zahlreichen Christ'schen Schriften. Von
dickleibigen Büchern war Christ kein Freund. Abgesehen von seiner „Auslegung
der Monogrammata", einem seiner Zeit viel benutzten Buche, hat er fast nur
kleine Schriften verfaßt, mit Vorliebe Miszellen, in denen er die Vielseitigkeit
seines Wissens entfalten konnte. Am charakteristischsten in dieser Beziehung
sind seine von 1727—1729 in Halle erschienenen „Bootes a«a,Ähnlich,iz" in vier
Theilen, eine Sammlung von 32 Observationen des buntesten Inhalts. Da
folgen auf einander Aufsätze aus dem römischen Recht, Textverbesserungen zu
Vellejus Paterculus, eine Vertheidigung des Cardanus gegen Bayle, Erläute¬
rungen zur Statue der sogen. Venus Leukopygos, Dissertationen über den
Uebellaut bei Quintilicin, über die Begriffe livrmötö Komras und Amiant Komino,
eine lateinische und französische Übertragung anakreontischer Lieder, Bemer¬
kungen über Paulus Stephanus, eine Verbesserung und Erläuterung eines
Kapitels des Gellius, ein kritischer Kommentar zu Pithou's fränkischen
Annalen, Aufsätze über Leben und Schriften Hermann's Grafen zu Neuenar,
über die Wirna libslli von 1595, daß die Weiber keine Menschen seien, über
die Ehrlosigkeit fremder Frauen bei den Alten, über die Namen der römischen
Frauen, über die Tonsur bei den Alten, über das Sakrilegium, über den Monat
Martins, dazu Erläuterungen der dein Buche beigegebenen Bildnisse des


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[0344] er das Rektorat der Universität Leipzig. Die lateinische Societät in Jena er¬ nannte ihn zum Ehrenmitglied?. Im Jahre 1752 begann er zu kränkeln, Keime zu der Krankheit, die ihn nach wenigen Jahren hinrafften, soll er sich durch eine Erkältung ans seinem Museum zugezogen haben, wo er mitunter zu lange und zu anstrengend studirte. Im Winter von 1755 auf 1756 verschlimmerte sich sein Zustand, und schließlich soll der Schrecken, der ihn befiel, als Ende August 1756, während er zum vierten Male das Rektorat bekleidete/ die Preußen in Leipzig einrückten, den kranken Mann zum Tode erschüttert haben. Er starb am 3. September 1756. Einer seiner hervorragendsten und treuesten Schüler, Wolfgang Reiz, hatte in den letzten anderthalb Jahren seines Lebens eine Nacht um die andre bei ihm gewacht. Die kostbare Bibliothek Christ's, seine zahlreichen Gemälde, Kupferstiche, Gemmen, Pretiosen, und sein gesammter Hausrath wurden, da er unverheirathet starb, im November 1756 für seine Erben versteigert. Seit Gründung der Universität Leipzig war Christ der sechste, im vorigen Jahr¬ hundert der vierte Universitätslehrer, der als Rektor starb und „im Purpur" bestattet wurde. Dies im Umriß der änßere Lebensgang Christ's. Außer der Feststellung dieser biographischen Thatsachen beruht das Hauptverdienst der vorliegenden Schrift in dem vollständigen und mit ungewöhnlicher bibliographischer Sorg¬ falt zusammengestellten Verzeichniß der zahlreichen Christ'schen Schriften. Von dickleibigen Büchern war Christ kein Freund. Abgesehen von seiner „Auslegung der Monogrammata", einem seiner Zeit viel benutzten Buche, hat er fast nur kleine Schriften verfaßt, mit Vorliebe Miszellen, in denen er die Vielseitigkeit seines Wissens entfalten konnte. Am charakteristischsten in dieser Beziehung sind seine von 1727—1729 in Halle erschienenen „Bootes a«a,Ähnlich,iz" in vier Theilen, eine Sammlung von 32 Observationen des buntesten Inhalts. Da folgen auf einander Aufsätze aus dem römischen Recht, Textverbesserungen zu Vellejus Paterculus, eine Vertheidigung des Cardanus gegen Bayle, Erläute¬ rungen zur Statue der sogen. Venus Leukopygos, Dissertationen über den Uebellaut bei Quintilicin, über die Begriffe livrmötö Komras und Amiant Komino, eine lateinische und französische Übertragung anakreontischer Lieder, Bemer¬ kungen über Paulus Stephanus, eine Verbesserung und Erläuterung eines Kapitels des Gellius, ein kritischer Kommentar zu Pithou's fränkischen Annalen, Aufsätze über Leben und Schriften Hermann's Grafen zu Neuenar, über die Wirna libslli von 1595, daß die Weiber keine Menschen seien, über die Ehrlosigkeit fremder Frauen bei den Alten, über die Namen der römischen Frauen, über die Tonsur bei den Alten, über das Sakrilegium, über den Monat Martins, dazu Erläuterungen der dein Buche beigegebenen Bildnisse des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/344>, abgerufen am 22.07.2024.