Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

besuchten von dort aus wiederholt die Universitäten Cambridge und Oxford.
Die weiter geplante Reise durch Frankreich und Italien mußte zunächst unter¬
bleiben, da der Tod August's II., des sächsischen Kurfürsten und polnischen
Königs, und der nun ausbrechende Erbfolgekrieg die beiden Reisenden auf dein
kürzesten Wege nach der Heimat trieb.

Nach kurzer Rast auf dem gräflich Bünau'schen Familiengute Seuselitz,
während welcher Christ die Nachricht erhielt, daß er in Leipzig zum "Kollegi¬
alen des kleinen Fürstenkollegs" erwählt worden sei, nahmen sie im Winter
1733 über Prag und Wien die Reise wieder auf. Im Frühjahr gingen sie
durch Steiermark und Krain nach Italien. Venedig, Padua, Florenz, Verona
wurden besucht. Rom zu sehen war ihnen nicht vergönnt, da auch jetzt wieder
der, Krieg hindernd in den Weg trat. Ueber Tirol und Baiern reisten sie
zurück und langten, nachdem sie noch in München, Augsburg und Regensburg
längere Zeit verweilt, Ende des Jahres 1734 wieder in Sachsen an.

Die Reise war für Christ von großer Bedeutung. Ueberall hatte er
eifrig Bibliotheken und Sammlungen besucht, geschichtliche, kunst- und literar¬
historische Studien verfolgt, Anknüpfungspunkte zu hervorragenden Gelehrten
gesucht und über alles ein sorgfältiges, lateinisch geschriebenes Tagebuch geführt.
Namentlich aber hatte er auf dieser Reise den Grund gelegt zu seinen reichen
Sammlungen an Büchern, Handschriften, Münzen, Gemmen, Vasen und son¬
stigen Antiquitäten und vor allem zu der kostbaren Kupferstichsammlung, die
später sein Stolz und seine Freude war, und die das beträchtliche, vom Vater
ererbte Vermögen ihm jederzeit nach Lust und Laune zu vermehren erlaubte.

? Im Mai 1735 nahm Christ seine akademische Lehrthätigkeit wieder
auf und führte sie von nun an ununterbrochen bis zu seinem Tode fort. Da
er oft genug Proben abgelegt hatte, daß er im Lateinischen wie im Deutschen
ein gewandter Versifex war, so wurde ihm im März 1739 zu seiner außer¬
ordentlichen Professur der Geschichte noch die ordentliche "Professur der Poesie"
übertragen, Berufungen von auswärts, die später an ihn ergingen, lehnte er ab.

Ueber die Vorlesungen, die Christ an der Leipziger Universität gehalten,
sind wir wenigstens vom Jahre 1739 an vollständig unterrichtet. In öffentlichen
Vorlesungen erklärte er anfangs Plautinische Stücke, später die ar8 postic-g.
und ausgewählte Oden des Horaz, dann Ovid's Fasten und Metamorphose,?,
endlich die Argonautika des Valerius Flaccus, daneben anfangs einige Kaifer-
biographieen des Sueton, später Partieen aus den Annalen des Tacitus.
Außerdem hielt er private Vorlesungen, in denen er eneyklopädisch über Literatur
und Antiquitäten las.

Wiederholt bekleidete Christ hohe Universitätsämter, viermal allein führte


besuchten von dort aus wiederholt die Universitäten Cambridge und Oxford.
Die weiter geplante Reise durch Frankreich und Italien mußte zunächst unter¬
bleiben, da der Tod August's II., des sächsischen Kurfürsten und polnischen
Königs, und der nun ausbrechende Erbfolgekrieg die beiden Reisenden auf dein
kürzesten Wege nach der Heimat trieb.

Nach kurzer Rast auf dem gräflich Bünau'schen Familiengute Seuselitz,
während welcher Christ die Nachricht erhielt, daß er in Leipzig zum „Kollegi¬
alen des kleinen Fürstenkollegs" erwählt worden sei, nahmen sie im Winter
1733 über Prag und Wien die Reise wieder auf. Im Frühjahr gingen sie
durch Steiermark und Krain nach Italien. Venedig, Padua, Florenz, Verona
wurden besucht. Rom zu sehen war ihnen nicht vergönnt, da auch jetzt wieder
der, Krieg hindernd in den Weg trat. Ueber Tirol und Baiern reisten sie
zurück und langten, nachdem sie noch in München, Augsburg und Regensburg
längere Zeit verweilt, Ende des Jahres 1734 wieder in Sachsen an.

Die Reise war für Christ von großer Bedeutung. Ueberall hatte er
eifrig Bibliotheken und Sammlungen besucht, geschichtliche, kunst- und literar¬
historische Studien verfolgt, Anknüpfungspunkte zu hervorragenden Gelehrten
gesucht und über alles ein sorgfältiges, lateinisch geschriebenes Tagebuch geführt.
Namentlich aber hatte er auf dieser Reise den Grund gelegt zu seinen reichen
Sammlungen an Büchern, Handschriften, Münzen, Gemmen, Vasen und son¬
stigen Antiquitäten und vor allem zu der kostbaren Kupferstichsammlung, die
später sein Stolz und seine Freude war, und die das beträchtliche, vom Vater
ererbte Vermögen ihm jederzeit nach Lust und Laune zu vermehren erlaubte.

? Im Mai 1735 nahm Christ seine akademische Lehrthätigkeit wieder
auf und führte sie von nun an ununterbrochen bis zu seinem Tode fort. Da
er oft genug Proben abgelegt hatte, daß er im Lateinischen wie im Deutschen
ein gewandter Versifex war, so wurde ihm im März 1739 zu seiner außer¬
ordentlichen Professur der Geschichte noch die ordentliche „Professur der Poesie"
übertragen, Berufungen von auswärts, die später an ihn ergingen, lehnte er ab.

Ueber die Vorlesungen, die Christ an der Leipziger Universität gehalten,
sind wir wenigstens vom Jahre 1739 an vollständig unterrichtet. In öffentlichen
Vorlesungen erklärte er anfangs Plautinische Stücke, später die ar8 postic-g.
und ausgewählte Oden des Horaz, dann Ovid's Fasten und Metamorphose,?,
endlich die Argonautika des Valerius Flaccus, daneben anfangs einige Kaifer-
biographieen des Sueton, später Partieen aus den Annalen des Tacitus.
Außerdem hielt er private Vorlesungen, in denen er eneyklopädisch über Literatur
und Antiquitäten las.

Wiederholt bekleidete Christ hohe Universitätsämter, viermal allein führte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140694"/>
          <p xml:id="ID_1029" prev="#ID_1028"> besuchten von dort aus wiederholt die Universitäten Cambridge und Oxford.<lb/>
Die weiter geplante Reise durch Frankreich und Italien mußte zunächst unter¬<lb/>
bleiben, da der Tod August's II., des sächsischen Kurfürsten und polnischen<lb/>
Königs, und der nun ausbrechende Erbfolgekrieg die beiden Reisenden auf dein<lb/>
kürzesten Wege nach der Heimat trieb.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1030"> Nach kurzer Rast auf dem gräflich Bünau'schen Familiengute Seuselitz,<lb/>
während welcher Christ die Nachricht erhielt, daß er in Leipzig zum &#x201E;Kollegi¬<lb/>
alen des kleinen Fürstenkollegs" erwählt worden sei, nahmen sie im Winter<lb/>
1733 über Prag und Wien die Reise wieder auf. Im Frühjahr gingen sie<lb/>
durch Steiermark und Krain nach Italien. Venedig, Padua, Florenz, Verona<lb/>
wurden besucht. Rom zu sehen war ihnen nicht vergönnt, da auch jetzt wieder<lb/>
der, Krieg hindernd in den Weg trat. Ueber Tirol und Baiern reisten sie<lb/>
zurück und langten, nachdem sie noch in München, Augsburg und Regensburg<lb/>
längere Zeit verweilt, Ende des Jahres 1734 wieder in Sachsen an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1031"> Die Reise war für Christ von großer Bedeutung. Ueberall hatte er<lb/>
eifrig Bibliotheken und Sammlungen besucht, geschichtliche, kunst- und literar¬<lb/>
historische Studien verfolgt, Anknüpfungspunkte zu hervorragenden Gelehrten<lb/>
gesucht und über alles ein sorgfältiges, lateinisch geschriebenes Tagebuch geführt.<lb/>
Namentlich aber hatte er auf dieser Reise den Grund gelegt zu seinen reichen<lb/>
Sammlungen an Büchern, Handschriften, Münzen, Gemmen, Vasen und son¬<lb/>
stigen Antiquitäten und vor allem zu der kostbaren Kupferstichsammlung, die<lb/>
später sein Stolz und seine Freude war, und die das beträchtliche, vom Vater<lb/>
ererbte Vermögen ihm jederzeit nach Lust und Laune zu vermehren erlaubte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1032"> ? Im Mai 1735 nahm Christ seine akademische Lehrthätigkeit wieder<lb/>
auf und führte sie von nun an ununterbrochen bis zu seinem Tode fort. Da<lb/>
er oft genug Proben abgelegt hatte, daß er im Lateinischen wie im Deutschen<lb/>
ein gewandter Versifex war, so wurde ihm im März 1739 zu seiner außer¬<lb/>
ordentlichen Professur der Geschichte noch die ordentliche &#x201E;Professur der Poesie"<lb/>
übertragen, Berufungen von auswärts, die später an ihn ergingen, lehnte er ab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1033"> Ueber die Vorlesungen, die Christ an der Leipziger Universität gehalten,<lb/>
sind wir wenigstens vom Jahre 1739 an vollständig unterrichtet. In öffentlichen<lb/>
Vorlesungen erklärte er anfangs Plautinische Stücke, später die ar8 postic-g.<lb/>
und ausgewählte Oden des Horaz, dann Ovid's Fasten und Metamorphose,?,<lb/>
endlich die Argonautika des Valerius Flaccus, daneben anfangs einige Kaifer-<lb/>
biographieen des Sueton, später Partieen aus den Annalen des Tacitus.<lb/>
Außerdem hielt er private Vorlesungen, in denen er eneyklopädisch über Literatur<lb/>
und Antiquitäten las.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1034" next="#ID_1035"> Wiederholt bekleidete Christ hohe Universitätsämter, viermal allein führte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0343] besuchten von dort aus wiederholt die Universitäten Cambridge und Oxford. Die weiter geplante Reise durch Frankreich und Italien mußte zunächst unter¬ bleiben, da der Tod August's II., des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs, und der nun ausbrechende Erbfolgekrieg die beiden Reisenden auf dein kürzesten Wege nach der Heimat trieb. Nach kurzer Rast auf dem gräflich Bünau'schen Familiengute Seuselitz, während welcher Christ die Nachricht erhielt, daß er in Leipzig zum „Kollegi¬ alen des kleinen Fürstenkollegs" erwählt worden sei, nahmen sie im Winter 1733 über Prag und Wien die Reise wieder auf. Im Frühjahr gingen sie durch Steiermark und Krain nach Italien. Venedig, Padua, Florenz, Verona wurden besucht. Rom zu sehen war ihnen nicht vergönnt, da auch jetzt wieder der, Krieg hindernd in den Weg trat. Ueber Tirol und Baiern reisten sie zurück und langten, nachdem sie noch in München, Augsburg und Regensburg längere Zeit verweilt, Ende des Jahres 1734 wieder in Sachsen an. Die Reise war für Christ von großer Bedeutung. Ueberall hatte er eifrig Bibliotheken und Sammlungen besucht, geschichtliche, kunst- und literar¬ historische Studien verfolgt, Anknüpfungspunkte zu hervorragenden Gelehrten gesucht und über alles ein sorgfältiges, lateinisch geschriebenes Tagebuch geführt. Namentlich aber hatte er auf dieser Reise den Grund gelegt zu seinen reichen Sammlungen an Büchern, Handschriften, Münzen, Gemmen, Vasen und son¬ stigen Antiquitäten und vor allem zu der kostbaren Kupferstichsammlung, die später sein Stolz und seine Freude war, und die das beträchtliche, vom Vater ererbte Vermögen ihm jederzeit nach Lust und Laune zu vermehren erlaubte. ? Im Mai 1735 nahm Christ seine akademische Lehrthätigkeit wieder auf und führte sie von nun an ununterbrochen bis zu seinem Tode fort. Da er oft genug Proben abgelegt hatte, daß er im Lateinischen wie im Deutschen ein gewandter Versifex war, so wurde ihm im März 1739 zu seiner außer¬ ordentlichen Professur der Geschichte noch die ordentliche „Professur der Poesie" übertragen, Berufungen von auswärts, die später an ihn ergingen, lehnte er ab. Ueber die Vorlesungen, die Christ an der Leipziger Universität gehalten, sind wir wenigstens vom Jahre 1739 an vollständig unterrichtet. In öffentlichen Vorlesungen erklärte er anfangs Plautinische Stücke, später die ar8 postic-g. und ausgewählte Oden des Horaz, dann Ovid's Fasten und Metamorphose,?, endlich die Argonautika des Valerius Flaccus, daneben anfangs einige Kaifer- biographieen des Sueton, später Partieen aus den Annalen des Tacitus. Außerdem hielt er private Vorlesungen, in denen er eneyklopädisch über Literatur und Antiquitäten las. Wiederholt bekleidete Christ hohe Universitätsämter, viermal allein führte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/343
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/343>, abgerufen am 22.07.2024.