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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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schräge Schlachtordnung des Epcuneinvndas oder Alexander. Aber selbst auf
diese beiden passen gar manche der von Polybios hervorgehobenen Kennzeichen,
und gewiß hat er vollkommen Recht, wenn er der Phalanx überhaupt einen
beschränkteren Grad von Brauchbarkeit einräumt als der Legion. Ein Haupt¬
vorzug der letzteren liegt auch darin, daß ihre Anordnung sehr geschickt auf die
menschlichen Stärken und Schwächen berechnet ist und eine methodische An¬
wendung gestattet, die auch dem schlechteren Feldherrn, wenn er nur konsequent
und zähe ist, den Sieg ermöglicht. Dies aber entspricht auf ,das Vollkommenste
dem römischen Staatswesen,-der römischen Politik. So trägt denn die legio-
nare Fechtweise den breiten Stempel echter Volksthümlichkeit. Die Römer
selbst empfanden das, und noch Vegetius meinte, von einem Gotte scheine
die Legion erfunden. Die echt volksthümlichen Elemente in der Kultur einer
großen Nation sind aber allemal auch die weltgeschichtlichen, und daher hat die
römische Taktik der guten Zeit sür uns nicht nur nationale, sondern geradezu
universale Bedeutung.

Die schachbrettförmig aufgestellte Legion mit ihren drei Treffen, deren
jedes wieder frei und gelenkig in zehn Manipel gegliedert ist, gewährt
schon durch diese Formation die Möglichkeit ganz anders gearteter und
viel reicherer Evolutionen als das eine tiefe Treffen der Phalanx. Da¬
mit jedoch ist die Vielseitigkeit der Legion noch nicht einmal erschöpft. In die
drei Treffen ist die Mannschaft vielmehr nach Dienstalter und Kriegstüchtig¬
keit eingetheilt und ungleich bewaffnet, so daß ein Ineinandergreifen verschie¬
dener Elemente mit wachsender Wirkung stattfindet. Die kämpfende Legion ge¬
währt ein Schauspiel von drei Akten in dramatischer Steigerung; ja wenn
man die vor ihr herschwärmenden Veliten in Anschlag bringt, so fehlt auch das
Vorspiel nicht. Die Phalanx dagegen gewährt ein nur einaktiges Schau¬
spiel; sie ist die einfache, den ersten Grundsätzen geregelter Schaarung entspre¬
chende Masse. Die Legion aber ist ein feiner und gelenkiger Organismus;
sie ist ein Heereskörper und entwickelt demgemäß auch einen Corpsgeist;
sie hat als die bestimmte Legion Ruhm zu erwerben, zu erhalten, zu verlieren.
In der Phalanx fällt jeder einzelnen Rotte die Gesammtheit der Gefechts¬
thätigkeit zu: Einleitung, Einbruch und Nachbaren; die Legion theilt den
Veliten die Einleitung, den Hastaten und Principes den Einbruch, den Triariern
die Aufgabe der Reserve zu. Denn wenn auch vor der Front der Phalanx
Leichtbewaffnete schwärmen mochten, so konnten dieselben doch keineswegs so
gründlich zur Gefechtseinleitung ausgenutzt werden, wie die Veliten der Legion,
weil die letztere durch ihre Jntervallenstellung das Vorsenden und Zurück¬
nehmen der Plänkler in hohem Maße begünstigte. Die Phalanx setzte Gewinn
u"d Verlust auf eine Karte; bei der Legion mußte lange unglücklich gespielt


Grenzboten III. 1878- 42

schräge Schlachtordnung des Epcuneinvndas oder Alexander. Aber selbst auf
diese beiden passen gar manche der von Polybios hervorgehobenen Kennzeichen,
und gewiß hat er vollkommen Recht, wenn er der Phalanx überhaupt einen
beschränkteren Grad von Brauchbarkeit einräumt als der Legion. Ein Haupt¬
vorzug der letzteren liegt auch darin, daß ihre Anordnung sehr geschickt auf die
menschlichen Stärken und Schwächen berechnet ist und eine methodische An¬
wendung gestattet, die auch dem schlechteren Feldherrn, wenn er nur konsequent
und zähe ist, den Sieg ermöglicht. Dies aber entspricht auf ,das Vollkommenste
dem römischen Staatswesen,-der römischen Politik. So trägt denn die legio-
nare Fechtweise den breiten Stempel echter Volksthümlichkeit. Die Römer
selbst empfanden das, und noch Vegetius meinte, von einem Gotte scheine
die Legion erfunden. Die echt volksthümlichen Elemente in der Kultur einer
großen Nation sind aber allemal auch die weltgeschichtlichen, und daher hat die
römische Taktik der guten Zeit sür uns nicht nur nationale, sondern geradezu
universale Bedeutung.

Die schachbrettförmig aufgestellte Legion mit ihren drei Treffen, deren
jedes wieder frei und gelenkig in zehn Manipel gegliedert ist, gewährt
schon durch diese Formation die Möglichkeit ganz anders gearteter und
viel reicherer Evolutionen als das eine tiefe Treffen der Phalanx. Da¬
mit jedoch ist die Vielseitigkeit der Legion noch nicht einmal erschöpft. In die
drei Treffen ist die Mannschaft vielmehr nach Dienstalter und Kriegstüchtig¬
keit eingetheilt und ungleich bewaffnet, so daß ein Ineinandergreifen verschie¬
dener Elemente mit wachsender Wirkung stattfindet. Die kämpfende Legion ge¬
währt ein Schauspiel von drei Akten in dramatischer Steigerung; ja wenn
man die vor ihr herschwärmenden Veliten in Anschlag bringt, so fehlt auch das
Vorspiel nicht. Die Phalanx dagegen gewährt ein nur einaktiges Schau¬
spiel; sie ist die einfache, den ersten Grundsätzen geregelter Schaarung entspre¬
chende Masse. Die Legion aber ist ein feiner und gelenkiger Organismus;
sie ist ein Heereskörper und entwickelt demgemäß auch einen Corpsgeist;
sie hat als die bestimmte Legion Ruhm zu erwerben, zu erhalten, zu verlieren.
In der Phalanx fällt jeder einzelnen Rotte die Gesammtheit der Gefechts¬
thätigkeit zu: Einleitung, Einbruch und Nachbaren; die Legion theilt den
Veliten die Einleitung, den Hastaten und Principes den Einbruch, den Triariern
die Aufgabe der Reserve zu. Denn wenn auch vor der Front der Phalanx
Leichtbewaffnete schwärmen mochten, so konnten dieselben doch keineswegs so
gründlich zur Gefechtseinleitung ausgenutzt werden, wie die Veliten der Legion,
weil die letztere durch ihre Jntervallenstellung das Vorsenden und Zurück¬
nehmen der Plänkler in hohem Maße begünstigte. Die Phalanx setzte Gewinn
u»d Verlust auf eine Karte; bei der Legion mußte lange unglücklich gespielt


Grenzboten III. 1878- 42
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[0337] schräge Schlachtordnung des Epcuneinvndas oder Alexander. Aber selbst auf diese beiden passen gar manche der von Polybios hervorgehobenen Kennzeichen, und gewiß hat er vollkommen Recht, wenn er der Phalanx überhaupt einen beschränkteren Grad von Brauchbarkeit einräumt als der Legion. Ein Haupt¬ vorzug der letzteren liegt auch darin, daß ihre Anordnung sehr geschickt auf die menschlichen Stärken und Schwächen berechnet ist und eine methodische An¬ wendung gestattet, die auch dem schlechteren Feldherrn, wenn er nur konsequent und zähe ist, den Sieg ermöglicht. Dies aber entspricht auf ,das Vollkommenste dem römischen Staatswesen,-der römischen Politik. So trägt denn die legio- nare Fechtweise den breiten Stempel echter Volksthümlichkeit. Die Römer selbst empfanden das, und noch Vegetius meinte, von einem Gotte scheine die Legion erfunden. Die echt volksthümlichen Elemente in der Kultur einer großen Nation sind aber allemal auch die weltgeschichtlichen, und daher hat die römische Taktik der guten Zeit sür uns nicht nur nationale, sondern geradezu universale Bedeutung. Die schachbrettförmig aufgestellte Legion mit ihren drei Treffen, deren jedes wieder frei und gelenkig in zehn Manipel gegliedert ist, gewährt schon durch diese Formation die Möglichkeit ganz anders gearteter und viel reicherer Evolutionen als das eine tiefe Treffen der Phalanx. Da¬ mit jedoch ist die Vielseitigkeit der Legion noch nicht einmal erschöpft. In die drei Treffen ist die Mannschaft vielmehr nach Dienstalter und Kriegstüchtig¬ keit eingetheilt und ungleich bewaffnet, so daß ein Ineinandergreifen verschie¬ dener Elemente mit wachsender Wirkung stattfindet. Die kämpfende Legion ge¬ währt ein Schauspiel von drei Akten in dramatischer Steigerung; ja wenn man die vor ihr herschwärmenden Veliten in Anschlag bringt, so fehlt auch das Vorspiel nicht. Die Phalanx dagegen gewährt ein nur einaktiges Schau¬ spiel; sie ist die einfache, den ersten Grundsätzen geregelter Schaarung entspre¬ chende Masse. Die Legion aber ist ein feiner und gelenkiger Organismus; sie ist ein Heereskörper und entwickelt demgemäß auch einen Corpsgeist; sie hat als die bestimmte Legion Ruhm zu erwerben, zu erhalten, zu verlieren. In der Phalanx fällt jeder einzelnen Rotte die Gesammtheit der Gefechts¬ thätigkeit zu: Einleitung, Einbruch und Nachbaren; die Legion theilt den Veliten die Einleitung, den Hastaten und Principes den Einbruch, den Triariern die Aufgabe der Reserve zu. Denn wenn auch vor der Front der Phalanx Leichtbewaffnete schwärmen mochten, so konnten dieselben doch keineswegs so gründlich zur Gefechtseinleitung ausgenutzt werden, wie die Veliten der Legion, weil die letztere durch ihre Jntervallenstellung das Vorsenden und Zurück¬ nehmen der Plänkler in hohem Maße begünstigte. Die Phalanx setzte Gewinn u»d Verlust auf eine Karte; bei der Legion mußte lange unglücklich gespielt Grenzboten III. 1878- 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/337>, abgerufen am 22.07.2024.