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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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genossen verwüstet: was würde eine solche Schlachtordnung nützen? sie würde jci,
wenn sie auf dem für sie geschickten Termin verbliebe, weder ihren Bundesgenossen
helfen, noch sich selbst retten können. Denn die Zufuhr würde leicht vom Feinde
abgeschnitten werden können, da er im freien Felde Meister wäre. Wollte aber
die Phalanx den ihr eigenthümlichen Platz verlassen, so würde sie über den Haufen
geworfen werden. Man kann aber sogar auf ebenem Boden der Phalanx ent¬
gegen gehen, wenn man nur vorsichtig genug ist, nicht das ganze Heer dem An¬
falle der Phalanx bloß zu stellen .... So haben es die Römer gemacht, und
mau weiß, was der Erfolg davon gewesen ist. Die Legion dehnt ihre Front nie¬
mals so weit aus, daß sie der Front der Phalanx gleich wäre, sondern die Römer
stellen den einen Theil des Heeres in den Hintergrund, und mit dem andern
allein schlagen sie. Und nun mag die Phalanx das römische Treffen, oder dieses
die Phalanx zurückdrücken, so wird die eigenthümliche Stellung der Phalanx uuter
alle" Umständen gebrochen. Denn die vorige Stellung wird verlassen, man mag
entweder vor dem Feinde weichen oder ihn verfolgen, und man räumt, sobald
dies geschieht, dem im Rückhalte stehenden Feinde eben an dem Platze, den man
verlassen hat, eine Oeffnung und einen Zwischenraum ein, so daß er uun nicht
mehr aus der Front angreift, sondern in die Flanke und in den Rücken fällt.
Da mau also demjenigen, was die Phalanx stark und furchtbar macht, leicht aus¬
weichen, die Phalanx selbst hingegen das, was ihr nachteilig ist, unmöglich ver¬
meiden kann, so ist ein merklicher Vortheil ans Seite der römischen Schlachtord¬
nung. Denn man kommt anch mit der Phalanx in mancherlei Gegenden; mau
muß Lager schlagen, vorteilhafte Pässe schnell besetzen, feindliche Streifparteien
einschließen, oder man wird anch selbst eingeschlossen, und überhaupt ereignen sich
oft unerwartete Vorfälle. Alle diese Unistände kommen in einem Feldzuge vor,
und sie siud sehr oft entscheidend oder wenigstens wichtig. Aber in solchen Fällen
ist die makedonische Schlachtordnung untauglich oder gar unbrauchbar, weil der
Phalcmgite weder in kleinen Haufen, noch Mann für Mann fechten kann. Die
römische Schlachtordnung hingegen ist allgemein brauchbar; denn der
römische Soldat hat einen viel weiteren Wirkungskreis; er ist auf alle Fälle ge¬
faßt und kann unter Umständen und auf jedem Boden fechten. Er behält die
gleiche Fassung, ob er mit einem Heertheil oder mit einem Manipel oder nur
Mann für Mann fechten muß. Eben diese Theilbarkeit und Biegsamkeit der
römischen Legion ist die Ursache, aus der die Römer ihre Endzwecke leichter er¬
reichen als andere. Ich habe es für nöthig gehalten, ausführlich von diesem
Gegenstände zu reden, weil viele Griechen zu der Zeit, da die Mazedonier über¬
wunden wurden, die Sache für unbegreiflich hielten, und manche auch nachher nicht
einsehen wollten, worin die Anordnung der griechischen Phalanx der der römischen
Legion nachstünde."

Soweit Polybivs. Er hat dabei natürlich die Phalanx seiner eigenen
Zeit vor Augen, nicht die freier gestaltete, mit der Angriffskolonne verbundene


genossen verwüstet: was würde eine solche Schlachtordnung nützen? sie würde jci,
wenn sie auf dem für sie geschickten Termin verbliebe, weder ihren Bundesgenossen
helfen, noch sich selbst retten können. Denn die Zufuhr würde leicht vom Feinde
abgeschnitten werden können, da er im freien Felde Meister wäre. Wollte aber
die Phalanx den ihr eigenthümlichen Platz verlassen, so würde sie über den Haufen
geworfen werden. Man kann aber sogar auf ebenem Boden der Phalanx ent¬
gegen gehen, wenn man nur vorsichtig genug ist, nicht das ganze Heer dem An¬
falle der Phalanx bloß zu stellen .... So haben es die Römer gemacht, und
mau weiß, was der Erfolg davon gewesen ist. Die Legion dehnt ihre Front nie¬
mals so weit aus, daß sie der Front der Phalanx gleich wäre, sondern die Römer
stellen den einen Theil des Heeres in den Hintergrund, und mit dem andern
allein schlagen sie. Und nun mag die Phalanx das römische Treffen, oder dieses
die Phalanx zurückdrücken, so wird die eigenthümliche Stellung der Phalanx uuter
alle» Umständen gebrochen. Denn die vorige Stellung wird verlassen, man mag
entweder vor dem Feinde weichen oder ihn verfolgen, und man räumt, sobald
dies geschieht, dem im Rückhalte stehenden Feinde eben an dem Platze, den man
verlassen hat, eine Oeffnung und einen Zwischenraum ein, so daß er uun nicht
mehr aus der Front angreift, sondern in die Flanke und in den Rücken fällt.
Da mau also demjenigen, was die Phalanx stark und furchtbar macht, leicht aus¬
weichen, die Phalanx selbst hingegen das, was ihr nachteilig ist, unmöglich ver¬
meiden kann, so ist ein merklicher Vortheil ans Seite der römischen Schlachtord¬
nung. Denn man kommt anch mit der Phalanx in mancherlei Gegenden; mau
muß Lager schlagen, vorteilhafte Pässe schnell besetzen, feindliche Streifparteien
einschließen, oder man wird anch selbst eingeschlossen, und überhaupt ereignen sich
oft unerwartete Vorfälle. Alle diese Unistände kommen in einem Feldzuge vor,
und sie siud sehr oft entscheidend oder wenigstens wichtig. Aber in solchen Fällen
ist die makedonische Schlachtordnung untauglich oder gar unbrauchbar, weil der
Phalcmgite weder in kleinen Haufen, noch Mann für Mann fechten kann. Die
römische Schlachtordnung hingegen ist allgemein brauchbar; denn der
römische Soldat hat einen viel weiteren Wirkungskreis; er ist auf alle Fälle ge¬
faßt und kann unter Umständen und auf jedem Boden fechten. Er behält die
gleiche Fassung, ob er mit einem Heertheil oder mit einem Manipel oder nur
Mann für Mann fechten muß. Eben diese Theilbarkeit und Biegsamkeit der
römischen Legion ist die Ursache, aus der die Römer ihre Endzwecke leichter er¬
reichen als andere. Ich habe es für nöthig gehalten, ausführlich von diesem
Gegenstände zu reden, weil viele Griechen zu der Zeit, da die Mazedonier über¬
wunden wurden, die Sache für unbegreiflich hielten, und manche auch nachher nicht
einsehen wollten, worin die Anordnung der griechischen Phalanx der der römischen
Legion nachstünde."

Soweit Polybivs. Er hat dabei natürlich die Phalanx seiner eigenen
Zeit vor Augen, nicht die freier gestaltete, mit der Angriffskolonne verbundene


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/336>, abgerufen am 25.08.2024.