Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Theil Italien's in Feindeshand; Sizilien und Sardinien zeigten sich unfähig,
selbst die Kosten der dort stehenden Heere aufzubringen. Von den Staatslan-
dereien und Bergwerken blieb der Pachtzins aus; die Abnahme und Verarmung
der Bevölkerung setzte die Steuern herab. Daß man diese dem Namen nach
verdoppelte, half unter solchen Umständen nicht viel, und so wendete sich der
Senat an den Patriotismus der besitzenden Klassen. Hier hatte er Erfolg.
Die Reiter und die Offiziere verzichteten auf den Sold, die Eigenthümer der
dem Staate überlassenen Sklaven auf Bezahlung, und zur Bemannung der
Flotte traten die reicheren Bürger in der Weise zusammen, daß sie, je nach
Vermögen 1 bis 8 Ruderer lieferten und die Beköstigung von 6 bis 12 Mann
übernahmen. Endlich bildeten sich anch 3 Gesellschaften von Lieferanten, welche
sich verpflichteten, das nöthige Kriegsnjaterial zu beschaffen, mit der Bezahlung
jedoch bis zum Friedensschlüsse zu warten. Als Gegenleistung empfingen die
Aktionäre Befreiung vom Kriegsdienst und Versicherung gegen See- und Feindes-
Gefahr durch den Staat. Bald sollte sich übrigens zeigen, daß bei diesen
Gründungen die Vaterlandsliebe weniger eingewirkt hatte als die Geldgier.

Mit solchen Hilfsmitteln gelang es Rom, für das folgende Kriegsjahr nicht
weniger als 21 Legionen und 150 Schiffe aufzubrigen. Davon standen dem
Hannibal gegenüber 8 Legionen, 3 gegen Gallien, je 2 in Sardinien und
Sizilien, 1 in Brundnstum, um dem makedonischer Angriff zu begegnen; 3
kämpften unter den Seipionen in Spanien, und 2 endlich hüteten Rom selbst.
Im Ganzen zählte diese Macht mehr als 200,00t) Mann, mehr als ein Viertel
der waffenfähigen Bevölkerung Italien's. Die beiden tüchtigsten Feldherrn,
welche Rom besaß, wurden für das Jahr 214 zu Konsuln erwählt: Fabius
und Marcellus.

Diese großen Anstrengungen waren nicht erfolglos. Es gelang den Römern,
allerdings durch Verrath, sich des hartnäckig vertheidigten Syrakus zu bemäch¬
tigen. Auf einem anderen Schauplatze dagegen zeigte ihre Kraft sich dennoch
unzureichend.

Die Seipionen, welche in Spanien lange Zeit hindurch bewunderns¬
würdige Fortschritte gemacht hatten, waren ohne Verstärkung von Italien her
geblieben, und dies hatte sie genöthigt, eine große Anzahl keltischer und iberischer
Truppen in Sold zu nehmen -- das erste Mal, daß Rom in namhafter Weise
sich dem Söldnerthume zugewendet hatte; denn die Kreter und Griechen, welche
ihm schon vor Jahren der alte Hiero gesendet hatte, sind doch eigentlich immer
noch als Hilfstruppen zu betrachten. Gleich diese erste Verbindung mit dem
Söldnerwesen sollte aber die Römer den Unterschied desselben vom Bürger-
wehrthum kennen lehren. Wahrscheinlich vermochten die Seipionen den Sold nicht
pünktlich zu zahlen: genug, als der Barkide Hasdrubal nach der Besiegung des


Theil Italien's in Feindeshand; Sizilien und Sardinien zeigten sich unfähig,
selbst die Kosten der dort stehenden Heere aufzubringen. Von den Staatslan-
dereien und Bergwerken blieb der Pachtzins aus; die Abnahme und Verarmung
der Bevölkerung setzte die Steuern herab. Daß man diese dem Namen nach
verdoppelte, half unter solchen Umständen nicht viel, und so wendete sich der
Senat an den Patriotismus der besitzenden Klassen. Hier hatte er Erfolg.
Die Reiter und die Offiziere verzichteten auf den Sold, die Eigenthümer der
dem Staate überlassenen Sklaven auf Bezahlung, und zur Bemannung der
Flotte traten die reicheren Bürger in der Weise zusammen, daß sie, je nach
Vermögen 1 bis 8 Ruderer lieferten und die Beköstigung von 6 bis 12 Mann
übernahmen. Endlich bildeten sich anch 3 Gesellschaften von Lieferanten, welche
sich verpflichteten, das nöthige Kriegsnjaterial zu beschaffen, mit der Bezahlung
jedoch bis zum Friedensschlüsse zu warten. Als Gegenleistung empfingen die
Aktionäre Befreiung vom Kriegsdienst und Versicherung gegen See- und Feindes-
Gefahr durch den Staat. Bald sollte sich übrigens zeigen, daß bei diesen
Gründungen die Vaterlandsliebe weniger eingewirkt hatte als die Geldgier.

Mit solchen Hilfsmitteln gelang es Rom, für das folgende Kriegsjahr nicht
weniger als 21 Legionen und 150 Schiffe aufzubrigen. Davon standen dem
Hannibal gegenüber 8 Legionen, 3 gegen Gallien, je 2 in Sardinien und
Sizilien, 1 in Brundnstum, um dem makedonischer Angriff zu begegnen; 3
kämpften unter den Seipionen in Spanien, und 2 endlich hüteten Rom selbst.
Im Ganzen zählte diese Macht mehr als 200,00t) Mann, mehr als ein Viertel
der waffenfähigen Bevölkerung Italien's. Die beiden tüchtigsten Feldherrn,
welche Rom besaß, wurden für das Jahr 214 zu Konsuln erwählt: Fabius
und Marcellus.

Diese großen Anstrengungen waren nicht erfolglos. Es gelang den Römern,
allerdings durch Verrath, sich des hartnäckig vertheidigten Syrakus zu bemäch¬
tigen. Auf einem anderen Schauplatze dagegen zeigte ihre Kraft sich dennoch
unzureichend.

Die Seipionen, welche in Spanien lange Zeit hindurch bewunderns¬
würdige Fortschritte gemacht hatten, waren ohne Verstärkung von Italien her
geblieben, und dies hatte sie genöthigt, eine große Anzahl keltischer und iberischer
Truppen in Sold zu nehmen — das erste Mal, daß Rom in namhafter Weise
sich dem Söldnerthume zugewendet hatte; denn die Kreter und Griechen, welche
ihm schon vor Jahren der alte Hiero gesendet hatte, sind doch eigentlich immer
noch als Hilfstruppen zu betrachten. Gleich diese erste Verbindung mit dem
Söldnerwesen sollte aber die Römer den Unterschied desselben vom Bürger-
wehrthum kennen lehren. Wahrscheinlich vermochten die Seipionen den Sold nicht
pünktlich zu zahlen: genug, als der Barkide Hasdrubal nach der Besiegung des


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0320" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140671"/>
          <p xml:id="ID_964" prev="#ID_963"> Theil Italien's in Feindeshand; Sizilien und Sardinien zeigten sich unfähig,<lb/>
selbst die Kosten der dort stehenden Heere aufzubringen. Von den Staatslan-<lb/>
dereien und Bergwerken blieb der Pachtzins aus; die Abnahme und Verarmung<lb/>
der Bevölkerung setzte die Steuern herab. Daß man diese dem Namen nach<lb/>
verdoppelte, half unter solchen Umständen nicht viel, und so wendete sich der<lb/>
Senat an den Patriotismus der besitzenden Klassen. Hier hatte er Erfolg.<lb/>
Die Reiter und die Offiziere verzichteten auf den Sold, die Eigenthümer der<lb/>
dem Staate überlassenen Sklaven auf Bezahlung, und zur Bemannung der<lb/>
Flotte traten die reicheren Bürger in der Weise zusammen, daß sie, je nach<lb/>
Vermögen 1 bis 8 Ruderer lieferten und die Beköstigung von 6 bis 12 Mann<lb/>
übernahmen. Endlich bildeten sich anch 3 Gesellschaften von Lieferanten, welche<lb/>
sich verpflichteten, das nöthige Kriegsnjaterial zu beschaffen, mit der Bezahlung<lb/>
jedoch bis zum Friedensschlüsse zu warten. Als Gegenleistung empfingen die<lb/>
Aktionäre Befreiung vom Kriegsdienst und Versicherung gegen See- und Feindes-<lb/>
Gefahr durch den Staat. Bald sollte sich übrigens zeigen, daß bei diesen<lb/>
Gründungen die Vaterlandsliebe weniger eingewirkt hatte als die Geldgier.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_965"> Mit solchen Hilfsmitteln gelang es Rom, für das folgende Kriegsjahr nicht<lb/>
weniger als 21 Legionen und 150 Schiffe aufzubrigen. Davon standen dem<lb/>
Hannibal gegenüber 8 Legionen, 3 gegen Gallien, je 2 in Sardinien und<lb/>
Sizilien, 1 in Brundnstum, um dem makedonischer Angriff zu begegnen; 3<lb/>
kämpften unter den Seipionen in Spanien, und 2 endlich hüteten Rom selbst.<lb/>
Im Ganzen zählte diese Macht mehr als 200,00t) Mann, mehr als ein Viertel<lb/>
der waffenfähigen Bevölkerung Italien's. Die beiden tüchtigsten Feldherrn,<lb/>
welche Rom besaß, wurden für das Jahr 214 zu Konsuln erwählt: Fabius<lb/>
und Marcellus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_966"> Diese großen Anstrengungen waren nicht erfolglos. Es gelang den Römern,<lb/>
allerdings durch Verrath, sich des hartnäckig vertheidigten Syrakus zu bemäch¬<lb/>
tigen. Auf einem anderen Schauplatze dagegen zeigte ihre Kraft sich dennoch<lb/>
unzureichend.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_967" next="#ID_968"> Die Seipionen, welche in Spanien lange Zeit hindurch bewunderns¬<lb/>
würdige Fortschritte gemacht hatten, waren ohne Verstärkung von Italien her<lb/>
geblieben, und dies hatte sie genöthigt, eine große Anzahl keltischer und iberischer<lb/>
Truppen in Sold zu nehmen &#x2014; das erste Mal, daß Rom in namhafter Weise<lb/>
sich dem Söldnerthume zugewendet hatte; denn die Kreter und Griechen, welche<lb/>
ihm schon vor Jahren der alte Hiero gesendet hatte, sind doch eigentlich immer<lb/>
noch als Hilfstruppen zu betrachten. Gleich diese erste Verbindung mit dem<lb/>
Söldnerwesen sollte aber die Römer den Unterschied desselben vom Bürger-<lb/>
wehrthum kennen lehren. Wahrscheinlich vermochten die Seipionen den Sold nicht<lb/>
pünktlich zu zahlen: genug, als der Barkide Hasdrubal nach der Besiegung des</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0320] Theil Italien's in Feindeshand; Sizilien und Sardinien zeigten sich unfähig, selbst die Kosten der dort stehenden Heere aufzubringen. Von den Staatslan- dereien und Bergwerken blieb der Pachtzins aus; die Abnahme und Verarmung der Bevölkerung setzte die Steuern herab. Daß man diese dem Namen nach verdoppelte, half unter solchen Umständen nicht viel, und so wendete sich der Senat an den Patriotismus der besitzenden Klassen. Hier hatte er Erfolg. Die Reiter und die Offiziere verzichteten auf den Sold, die Eigenthümer der dem Staate überlassenen Sklaven auf Bezahlung, und zur Bemannung der Flotte traten die reicheren Bürger in der Weise zusammen, daß sie, je nach Vermögen 1 bis 8 Ruderer lieferten und die Beköstigung von 6 bis 12 Mann übernahmen. Endlich bildeten sich anch 3 Gesellschaften von Lieferanten, welche sich verpflichteten, das nöthige Kriegsnjaterial zu beschaffen, mit der Bezahlung jedoch bis zum Friedensschlüsse zu warten. Als Gegenleistung empfingen die Aktionäre Befreiung vom Kriegsdienst und Versicherung gegen See- und Feindes- Gefahr durch den Staat. Bald sollte sich übrigens zeigen, daß bei diesen Gründungen die Vaterlandsliebe weniger eingewirkt hatte als die Geldgier. Mit solchen Hilfsmitteln gelang es Rom, für das folgende Kriegsjahr nicht weniger als 21 Legionen und 150 Schiffe aufzubrigen. Davon standen dem Hannibal gegenüber 8 Legionen, 3 gegen Gallien, je 2 in Sardinien und Sizilien, 1 in Brundnstum, um dem makedonischer Angriff zu begegnen; 3 kämpften unter den Seipionen in Spanien, und 2 endlich hüteten Rom selbst. Im Ganzen zählte diese Macht mehr als 200,00t) Mann, mehr als ein Viertel der waffenfähigen Bevölkerung Italien's. Die beiden tüchtigsten Feldherrn, welche Rom besaß, wurden für das Jahr 214 zu Konsuln erwählt: Fabius und Marcellus. Diese großen Anstrengungen waren nicht erfolglos. Es gelang den Römern, allerdings durch Verrath, sich des hartnäckig vertheidigten Syrakus zu bemäch¬ tigen. Auf einem anderen Schauplatze dagegen zeigte ihre Kraft sich dennoch unzureichend. Die Seipionen, welche in Spanien lange Zeit hindurch bewunderns¬ würdige Fortschritte gemacht hatten, waren ohne Verstärkung von Italien her geblieben, und dies hatte sie genöthigt, eine große Anzahl keltischer und iberischer Truppen in Sold zu nehmen — das erste Mal, daß Rom in namhafter Weise sich dem Söldnerthume zugewendet hatte; denn die Kreter und Griechen, welche ihm schon vor Jahren der alte Hiero gesendet hatte, sind doch eigentlich immer noch als Hilfstruppen zu betrachten. Gleich diese erste Verbindung mit dem Söldnerwesen sollte aber die Römer den Unterschied desselben vom Bürger- wehrthum kennen lehren. Wahrscheinlich vermochten die Seipionen den Sold nicht pünktlich zu zahlen: genug, als der Barkide Hasdrubal nach der Besiegung des

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/320
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/320>, abgerufen am 22.07.2024.