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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Fehler noch zu vergrößern und zu vermehren? Ich möchte nicht, daß man
sich nach diesem Beispiel an den Evangelien und Episteln -- er meint die
Postille -- versündigte; besser, sie bleiben ungedruckt, als daß sie so heraus¬
kommen. Deshalb schicke ich auch nichts weiter, obgleich ich etwa noch zehn
große Bogen darin fertig habe, und werde durchaus nichts weiter schicken, als
bis ich gesehen habe, daß diese abscheulichen Scharrhänse beim Buchdrucker
weniger um ihren Gewinn, als um den Vortheil der Leser sorgen. Denn was
scheint solch ein Drucker anders zu denken als: Es ist genug, daß ich Geld
verdiene, die Leser mögen sehen, was und wie sie lesen." Zu Ende des Briefes
aber, der inzwischen von ganz andern Dingen gehandelt hat, kommt er noch¬
mals auf den Druck der Postille zurück und schreibt: "Ich habe mich anders
besonnen und schicke den Rest der Postille, weil ich denke, es möchte das, was
ich früher geschickt, schon angefangen sein zu drucken, so daß kein Aufschub oder
Einhalt gethan werden kann. Ich möchte aber, daß es auf Regalpapier und
mit Lotter's Typen gedruckt würde." In seiner Gutherzigkeit also will er es
dulden, daß "Hans Buchdrucker" -- das ist natürlich Grünberg -- die Postille
weiter drücke, nur soll er sich von Lotter die Typen dazu borgen.

Auch der alte Lotter in Leipzig druckte Anfang der zwanziger Jahre ein¬
zelne Luther'sche Schriften neben seinen Söhnen in Wittenberg. Doch mögen
das Nachdrucke gewesen sein, zu denen er nicht beauftragt war. Auf keinen Fall
hätte er sich wundern dürfen, wenn ihm Luther nichts zu drucken gegeben
hätte, da er sich kein Gewissen daraus machte -- wie es das Geschäft eben
mit sich brachte -- gelegentlich auch Gegenschriften gegen Luther herzustellen.
So druckte er im Oktober 1520 die in Rom erschienene OiAtio ack xriQoip<Z8
<Zt xoxulos 6>zriQs.iiiÄ6 in Iiutb.sruui nach, die Thomas Radinns Todischus
Plaeentinus verfaßt hatte, von der Luther argwöhnte, daß Emser der Ver¬
fasser sei, und gegen die Melanchthon unter dem Namen Didymus Faventinus
eine Gegenschrift: Oratio ackversus?d.vins.in?1s,e"zntiQnrn xro N. I^meh.sro ver¬
öffentlichte.

Auf jeden Fall sind die zahlreichen hochbedeutenden Schriften, die Luther
im Anfang der zwanziger Jahre in die Welt sandte, was gewöhnlich übersehen
wird, zum größten Theil aus den Lotter'schen Pressen hervorgegangen. Vor
allein aber gilt dies nun von dem Monumentalwerke des großen Reformators,
von der deutschen Bibelübersetzung.

Der Druck der Luther'scheu Bibelübersetzung begann mit dem von Luther
zuerst vollendeten Neuen Testamente. Im Frühjahr 1522 wurde der Anfang
damit gemacht. Am 10. Mai schickt Luther die ersten Aushängebogen an
Spalatin. Da gleichzeitig die Evangelien und die Apostelgeschichte einerseits,
die apostolischen Briefe andrerseits in die Presse kamen, so waren in der ersten


Grenzboten III. 1373. 37

Fehler noch zu vergrößern und zu vermehren? Ich möchte nicht, daß man
sich nach diesem Beispiel an den Evangelien und Episteln — er meint die
Postille — versündigte; besser, sie bleiben ungedruckt, als daß sie so heraus¬
kommen. Deshalb schicke ich auch nichts weiter, obgleich ich etwa noch zehn
große Bogen darin fertig habe, und werde durchaus nichts weiter schicken, als
bis ich gesehen habe, daß diese abscheulichen Scharrhänse beim Buchdrucker
weniger um ihren Gewinn, als um den Vortheil der Leser sorgen. Denn was
scheint solch ein Drucker anders zu denken als: Es ist genug, daß ich Geld
verdiene, die Leser mögen sehen, was und wie sie lesen." Zu Ende des Briefes
aber, der inzwischen von ganz andern Dingen gehandelt hat, kommt er noch¬
mals auf den Druck der Postille zurück und schreibt: „Ich habe mich anders
besonnen und schicke den Rest der Postille, weil ich denke, es möchte das, was
ich früher geschickt, schon angefangen sein zu drucken, so daß kein Aufschub oder
Einhalt gethan werden kann. Ich möchte aber, daß es auf Regalpapier und
mit Lotter's Typen gedruckt würde." In seiner Gutherzigkeit also will er es
dulden, daß „Hans Buchdrucker" — das ist natürlich Grünberg — die Postille
weiter drücke, nur soll er sich von Lotter die Typen dazu borgen.

Auch der alte Lotter in Leipzig druckte Anfang der zwanziger Jahre ein¬
zelne Luther'sche Schriften neben seinen Söhnen in Wittenberg. Doch mögen
das Nachdrucke gewesen sein, zu denen er nicht beauftragt war. Auf keinen Fall
hätte er sich wundern dürfen, wenn ihm Luther nichts zu drucken gegeben
hätte, da er sich kein Gewissen daraus machte — wie es das Geschäft eben
mit sich brachte — gelegentlich auch Gegenschriften gegen Luther herzustellen.
So druckte er im Oktober 1520 die in Rom erschienene OiAtio ack xriQoip<Z8
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fasser sei, und gegen die Melanchthon unter dem Namen Didymus Faventinus
eine Gegenschrift: Oratio ackversus?d.vins.in?1s,e«zntiQnrn xro N. I^meh.sro ver¬
öffentlichte.

Auf jeden Fall sind die zahlreichen hochbedeutenden Schriften, die Luther
im Anfang der zwanziger Jahre in die Welt sandte, was gewöhnlich übersehen
wird, zum größten Theil aus den Lotter'schen Pressen hervorgegangen. Vor
allein aber gilt dies nun von dem Monumentalwerke des großen Reformators,
von der deutschen Bibelübersetzung.

Der Druck der Luther'scheu Bibelübersetzung begann mit dem von Luther
zuerst vollendeten Neuen Testamente. Im Frühjahr 1522 wurde der Anfang
damit gemacht. Am 10. Mai schickt Luther die ersten Aushängebogen an
Spalatin. Da gleichzeitig die Evangelien und die Apostelgeschichte einerseits,
die apostolischen Briefe andrerseits in die Presse kamen, so waren in der ersten


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[0297] Fehler noch zu vergrößern und zu vermehren? Ich möchte nicht, daß man sich nach diesem Beispiel an den Evangelien und Episteln — er meint die Postille — versündigte; besser, sie bleiben ungedruckt, als daß sie so heraus¬ kommen. Deshalb schicke ich auch nichts weiter, obgleich ich etwa noch zehn große Bogen darin fertig habe, und werde durchaus nichts weiter schicken, als bis ich gesehen habe, daß diese abscheulichen Scharrhänse beim Buchdrucker weniger um ihren Gewinn, als um den Vortheil der Leser sorgen. Denn was scheint solch ein Drucker anders zu denken als: Es ist genug, daß ich Geld verdiene, die Leser mögen sehen, was und wie sie lesen." Zu Ende des Briefes aber, der inzwischen von ganz andern Dingen gehandelt hat, kommt er noch¬ mals auf den Druck der Postille zurück und schreibt: „Ich habe mich anders besonnen und schicke den Rest der Postille, weil ich denke, es möchte das, was ich früher geschickt, schon angefangen sein zu drucken, so daß kein Aufschub oder Einhalt gethan werden kann. Ich möchte aber, daß es auf Regalpapier und mit Lotter's Typen gedruckt würde." In seiner Gutherzigkeit also will er es dulden, daß „Hans Buchdrucker" — das ist natürlich Grünberg — die Postille weiter drücke, nur soll er sich von Lotter die Typen dazu borgen. Auch der alte Lotter in Leipzig druckte Anfang der zwanziger Jahre ein¬ zelne Luther'sche Schriften neben seinen Söhnen in Wittenberg. Doch mögen das Nachdrucke gewesen sein, zu denen er nicht beauftragt war. Auf keinen Fall hätte er sich wundern dürfen, wenn ihm Luther nichts zu drucken gegeben hätte, da er sich kein Gewissen daraus machte — wie es das Geschäft eben mit sich brachte — gelegentlich auch Gegenschriften gegen Luther herzustellen. So druckte er im Oktober 1520 die in Rom erschienene OiAtio ack xriQoip<Z8 <Zt xoxulos 6>zriQs.iiiÄ6 in Iiutb.sruui nach, die Thomas Radinns Todischus Plaeentinus verfaßt hatte, von der Luther argwöhnte, daß Emser der Ver¬ fasser sei, und gegen die Melanchthon unter dem Namen Didymus Faventinus eine Gegenschrift: Oratio ackversus?d.vins.in?1s,e«zntiQnrn xro N. I^meh.sro ver¬ öffentlichte. Auf jeden Fall sind die zahlreichen hochbedeutenden Schriften, die Luther im Anfang der zwanziger Jahre in die Welt sandte, was gewöhnlich übersehen wird, zum größten Theil aus den Lotter'schen Pressen hervorgegangen. Vor allein aber gilt dies nun von dem Monumentalwerke des großen Reformators, von der deutschen Bibelübersetzung. Der Druck der Luther'scheu Bibelübersetzung begann mit dem von Luther zuerst vollendeten Neuen Testamente. Im Frühjahr 1522 wurde der Anfang damit gemacht. Am 10. Mai schickt Luther die ersten Aushängebogen an Spalatin. Da gleichzeitig die Evangelien und die Apostelgeschichte einerseits, die apostolischen Briefe andrerseits in die Presse kamen, so waren in der ersten Grenzboten III. 1373. 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/297>, abgerufen am 22.07.2024.