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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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3. September 1519 meldet er dem schon genannten Erfurter Vikar, Lotter in
Leipzig drücke ihm eben eine Schutzschrift gegen die dreizehn Artikel, die die
Franziskaner in Jüterbogk seinen Thesen gegenüber gestellt hätten; der Kom¬
mentar zum Galaterbriefe solle heute ausgedruckt werden. Am 23. September
schickt er Spalatin fertige Exemplare des erwähnten Kommentars und theilt
ihm mit, daß der Minoritenprovinzial einige angesehene Brüder zu ihm ge¬
sandt habe, um ihm die Veröffentlichung einer Entgegnung gegen die Jüter-
bogker auszureden; er habe sie nach Leipzig an Lotter gewiesen und ihnen
gesagt, wenn sie diesen für das bereits gedruckte entschädigen wollten, so wolle
er mit dem Schwamm über seine Schrift fahren. Endlich aber am 18. Dezember
meldet er Lange kurz und gut: "Lotter aus Leipzig errichtet bei uns eine
Druckerei in drei Sprachen." Hier scheint sich's nicht mehr um ein bevor¬
stehendes, sondern um ein sich eben vollziehendes Ereigniß zu handeln. Zu
Ende des Jahres 1519 wird Lotter jedenfalls in der Uebersiedlung begriffen
gewesen sein.

Wohlgemerkt: Lotter ging nicht selber nach Wittenberg. Er hatte unter
seinen Kindern damals bereits zwei herangewachsene Söhne, Melchior und
Michael, die dem Vater schon in der letzten Zeit in Leipzig selbständig zur
Hand gegangen waren. Das schon oben erwähnte, 1517 gedruckte Branden¬
burger Missale nimmt Michael Lotter in der Schlußschrift speziell als seine
Leistung in Anspruch, und ähnlich nennt sich auf einem Leipziger Drucke von
1518 ausdrücklich Melchior Lotter "der Jüngere" als Verfertiger. Der letztere
-- der älteste Sohn -- war es denn auch, der zunächst vom Vater nach
Wittenberg geschickt wurde, um dort eine Filiale des Leipziger Geschäftes an¬
zulegen. Ihn begleitete der getreue Korrektor der Leipziger Offizin, Hermann
Tnlich, der bald darauf in Wittenberg eine Professur erhielt. Der erste von
Wittenberg aus datirte Lotter'sche Druck, der sich nachweisen läßt, ist eine aka¬
demische Festrede Melanchthon's auf den Tag des si. Paulus. Sie ist aus dem
Februar 1520 und trägt die Unterschrift Melchior Lotter's d. I. Der Vater war
um dieselbe Zeit in Meißen und vollendete dort eine neue Ausgabe des Meißner
Breviariums. Ueberhaupt wurde das Leipziger Geschäft niemals ganz aufgegeben.
Es blieb in den Händen des Vaters und des zweiten Sohnes Michael. Wenigstens
läßt sich die Thätigkeit des älteren Lotter in Leipzig durch die zwanziger und einen
Theil der dreißiger Jahre hin ununterbrochen verfolgen. Bei der wachsenden Arbeit
in Wittenberg scheint aber bald der junge Melchior allein nicht ausgekommen
zu sein, und so schickte der Vater 1523 auch den zweiten Sohn, Michael,
hinüber. Daher unterzeichnen die beiden Brüder von 1523 an ihre Witten-
berger Drucke meistens gemeinsam. Einige Angaben lassen sich übrigens auch
für diese Zeit aus den Luther'schen Briefen gewinnen. So schreibt Luther im


3. September 1519 meldet er dem schon genannten Erfurter Vikar, Lotter in
Leipzig drücke ihm eben eine Schutzschrift gegen die dreizehn Artikel, die die
Franziskaner in Jüterbogk seinen Thesen gegenüber gestellt hätten; der Kom¬
mentar zum Galaterbriefe solle heute ausgedruckt werden. Am 23. September
schickt er Spalatin fertige Exemplare des erwähnten Kommentars und theilt
ihm mit, daß der Minoritenprovinzial einige angesehene Brüder zu ihm ge¬
sandt habe, um ihm die Veröffentlichung einer Entgegnung gegen die Jüter-
bogker auszureden; er habe sie nach Leipzig an Lotter gewiesen und ihnen
gesagt, wenn sie diesen für das bereits gedruckte entschädigen wollten, so wolle
er mit dem Schwamm über seine Schrift fahren. Endlich aber am 18. Dezember
meldet er Lange kurz und gut: „Lotter aus Leipzig errichtet bei uns eine
Druckerei in drei Sprachen." Hier scheint sich's nicht mehr um ein bevor¬
stehendes, sondern um ein sich eben vollziehendes Ereigniß zu handeln. Zu
Ende des Jahres 1519 wird Lotter jedenfalls in der Uebersiedlung begriffen
gewesen sein.

Wohlgemerkt: Lotter ging nicht selber nach Wittenberg. Er hatte unter
seinen Kindern damals bereits zwei herangewachsene Söhne, Melchior und
Michael, die dem Vater schon in der letzten Zeit in Leipzig selbständig zur
Hand gegangen waren. Das schon oben erwähnte, 1517 gedruckte Branden¬
burger Missale nimmt Michael Lotter in der Schlußschrift speziell als seine
Leistung in Anspruch, und ähnlich nennt sich auf einem Leipziger Drucke von
1518 ausdrücklich Melchior Lotter „der Jüngere" als Verfertiger. Der letztere
— der älteste Sohn — war es denn auch, der zunächst vom Vater nach
Wittenberg geschickt wurde, um dort eine Filiale des Leipziger Geschäftes an¬
zulegen. Ihn begleitete der getreue Korrektor der Leipziger Offizin, Hermann
Tnlich, der bald darauf in Wittenberg eine Professur erhielt. Der erste von
Wittenberg aus datirte Lotter'sche Druck, der sich nachweisen läßt, ist eine aka¬
demische Festrede Melanchthon's auf den Tag des si. Paulus. Sie ist aus dem
Februar 1520 und trägt die Unterschrift Melchior Lotter's d. I. Der Vater war
um dieselbe Zeit in Meißen und vollendete dort eine neue Ausgabe des Meißner
Breviariums. Ueberhaupt wurde das Leipziger Geschäft niemals ganz aufgegeben.
Es blieb in den Händen des Vaters und des zweiten Sohnes Michael. Wenigstens
läßt sich die Thätigkeit des älteren Lotter in Leipzig durch die zwanziger und einen
Theil der dreißiger Jahre hin ununterbrochen verfolgen. Bei der wachsenden Arbeit
in Wittenberg scheint aber bald der junge Melchior allein nicht ausgekommen
zu sein, und so schickte der Vater 1523 auch den zweiten Sohn, Michael,
hinüber. Daher unterzeichnen die beiden Brüder von 1523 an ihre Witten-
berger Drucke meistens gemeinsam. Einige Angaben lassen sich übrigens auch
für diese Zeit aus den Luther'schen Briefen gewinnen. So schreibt Luther im


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[0295] 3. September 1519 meldet er dem schon genannten Erfurter Vikar, Lotter in Leipzig drücke ihm eben eine Schutzschrift gegen die dreizehn Artikel, die die Franziskaner in Jüterbogk seinen Thesen gegenüber gestellt hätten; der Kom¬ mentar zum Galaterbriefe solle heute ausgedruckt werden. Am 23. September schickt er Spalatin fertige Exemplare des erwähnten Kommentars und theilt ihm mit, daß der Minoritenprovinzial einige angesehene Brüder zu ihm ge¬ sandt habe, um ihm die Veröffentlichung einer Entgegnung gegen die Jüter- bogker auszureden; er habe sie nach Leipzig an Lotter gewiesen und ihnen gesagt, wenn sie diesen für das bereits gedruckte entschädigen wollten, so wolle er mit dem Schwamm über seine Schrift fahren. Endlich aber am 18. Dezember meldet er Lange kurz und gut: „Lotter aus Leipzig errichtet bei uns eine Druckerei in drei Sprachen." Hier scheint sich's nicht mehr um ein bevor¬ stehendes, sondern um ein sich eben vollziehendes Ereigniß zu handeln. Zu Ende des Jahres 1519 wird Lotter jedenfalls in der Uebersiedlung begriffen gewesen sein. Wohlgemerkt: Lotter ging nicht selber nach Wittenberg. Er hatte unter seinen Kindern damals bereits zwei herangewachsene Söhne, Melchior und Michael, die dem Vater schon in der letzten Zeit in Leipzig selbständig zur Hand gegangen waren. Das schon oben erwähnte, 1517 gedruckte Branden¬ burger Missale nimmt Michael Lotter in der Schlußschrift speziell als seine Leistung in Anspruch, und ähnlich nennt sich auf einem Leipziger Drucke von 1518 ausdrücklich Melchior Lotter „der Jüngere" als Verfertiger. Der letztere — der älteste Sohn — war es denn auch, der zunächst vom Vater nach Wittenberg geschickt wurde, um dort eine Filiale des Leipziger Geschäftes an¬ zulegen. Ihn begleitete der getreue Korrektor der Leipziger Offizin, Hermann Tnlich, der bald darauf in Wittenberg eine Professur erhielt. Der erste von Wittenberg aus datirte Lotter'sche Druck, der sich nachweisen läßt, ist eine aka¬ demische Festrede Melanchthon's auf den Tag des si. Paulus. Sie ist aus dem Februar 1520 und trägt die Unterschrift Melchior Lotter's d. I. Der Vater war um dieselbe Zeit in Meißen und vollendete dort eine neue Ausgabe des Meißner Breviariums. Ueberhaupt wurde das Leipziger Geschäft niemals ganz aufgegeben. Es blieb in den Händen des Vaters und des zweiten Sohnes Michael. Wenigstens läßt sich die Thätigkeit des älteren Lotter in Leipzig durch die zwanziger und einen Theil der dreißiger Jahre hin ununterbrochen verfolgen. Bei der wachsenden Arbeit in Wittenberg scheint aber bald der junge Melchior allein nicht ausgekommen zu sein, und so schickte der Vater 1523 auch den zweiten Sohn, Michael, hinüber. Daher unterzeichnen die beiden Brüder von 1523 an ihre Witten- berger Drucke meistens gemeinsam. Einige Angaben lassen sich übrigens auch für diese Zeit aus den Luther'schen Briefen gewinnen. So schreibt Luther im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/295>, abgerufen am 22.07.2024.