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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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persieae -- 1502 gegründet -- war in den ersten Jahren ihres Bestehens
durchaus auf auswärtige Offizinen angewiesen. Zwar kamen gelegentlich
fremde Drucker zu vorübergehendem Aufenthalte wie nach vielen anderen Städten
so auch nach Wittenberg. Ein Havelsberger Missale soll schon 1488 in
Wittenberg gedruckt worden sein. Im Jahre 1504 druckte der Leipziger Buch¬
drucker Wolfgang Stöckel, jedenfalls auf besondere Einladung der Wittenberger
Universität, den ersten Theil eines sehr schön ausgestatteten vorllxsQÄium
Mris eMcmioi des damaligen Wittenbergischen Dozenten Peter von Ravenna;
der zweite und dritte Theil davon wurden 1506 in Leipzig im Druck vollendet.
Aus denselben Jahren existiren Drucke, die aus der Privatdruckerei eines Witten¬
berger Dozenten, Hermann Trebel, hervorgegangen sind. Eine ständige Druckerei
läßt sich erst seit 1509 in Wittenberg nachweisen. Es war die des Johannes
Grünberg (Grunenberg, Gronenberg, ViriäiracmtÄQv,8; selbst in's Griechische
übersetzte er sich später: /o",^x ^"o't-co^-ox), die sicher seit dem Jahre
1514, vielleicht aber schon früher, ihr Domizil im Augustinerkloster hatte.
Grünberg druckte viel für die Universität und auch für Luther; höchstwahr¬
scheinlich waren die berühmten Luther'schen "Thesen" von 1517 ein Erzeugniß
seiner Presse. Aber niemand war mit seinen Leistungen zufrieden. Nicht nur
daß er lange Zeit keine griechischen Lettern hatte, was namentlich Melanch-
thon's Kummer war, seine Lettern, besonders die deutschen, waren schlecht,
man klagte über seine Faulheit, seine Drucke waren unsauber und voller Fehler,
und wie die Universitätslehrer deshalb viel in auswärtigen Offizinen arbeiten
ließen, so wandte sich auch Luther ab und zu mit seinen Aufträgen an Lotter
nach Leipzig.

Schon am 21. August 1518 schreibt Luther an Spalatin, auf den via-
LilvsstrinuL -- eine von dem Dominikaner Silvester gegen ihn ge¬
richtete Schrift -- werde gegenwärtig in Leipzig feine Antwort gedruckt, zu¬
gleich mit einem Neudruck dieses Dialogus selbst, und dem Augustinervikar
Johann Lange in Erfurt schickt er am 9. September ein Originalexemplar des
erwähnten Dialogus mit dem Bemerken, daß es das einzige sei, welches er
habe; die Dominikaner hätten die ganze erste Auflage aufgekauft, um sie
zu unterdrllckeu, er lasse aber bei Melchior Lotter jetzt selber eine neue drucken.
Demselben Lange theilt er am 13. April 1519 mit, daß gegenwärtig sein
Kommentar zum Galaterbriefe in Leipzig unter der Presse sei.

Bei längerem Geschäftsverkehr mit Lotter mag in Luther bald der Wunsch
rege geworden sein, den trefflichen Leipziger Drucker ganz für Wittenberg zu
gewinnen. Es ist höchst wahrscheinlich, daß er ihn schon jetzt wiederholt per¬
sönlich dazu aufforderte, nach Wittenberg überzusiedeln; nachweislich war
Luther zur Neujahrsmesse 1518 und 1519 in Leipzig anwesend, das zweite


persieae — 1502 gegründet — war in den ersten Jahren ihres Bestehens
durchaus auf auswärtige Offizinen angewiesen. Zwar kamen gelegentlich
fremde Drucker zu vorübergehendem Aufenthalte wie nach vielen anderen Städten
so auch nach Wittenberg. Ein Havelsberger Missale soll schon 1488 in
Wittenberg gedruckt worden sein. Im Jahre 1504 druckte der Leipziger Buch¬
drucker Wolfgang Stöckel, jedenfalls auf besondere Einladung der Wittenberger
Universität, den ersten Theil eines sehr schön ausgestatteten vorllxsQÄium
Mris eMcmioi des damaligen Wittenbergischen Dozenten Peter von Ravenna;
der zweite und dritte Theil davon wurden 1506 in Leipzig im Druck vollendet.
Aus denselben Jahren existiren Drucke, die aus der Privatdruckerei eines Witten¬
berger Dozenten, Hermann Trebel, hervorgegangen sind. Eine ständige Druckerei
läßt sich erst seit 1509 in Wittenberg nachweisen. Es war die des Johannes
Grünberg (Grunenberg, Gronenberg, ViriäiracmtÄQv,8; selbst in's Griechische
übersetzte er sich später: /o«,^x ^«o't-co^-ox), die sicher seit dem Jahre
1514, vielleicht aber schon früher, ihr Domizil im Augustinerkloster hatte.
Grünberg druckte viel für die Universität und auch für Luther; höchstwahr¬
scheinlich waren die berühmten Luther'schen „Thesen" von 1517 ein Erzeugniß
seiner Presse. Aber niemand war mit seinen Leistungen zufrieden. Nicht nur
daß er lange Zeit keine griechischen Lettern hatte, was namentlich Melanch-
thon's Kummer war, seine Lettern, besonders die deutschen, waren schlecht,
man klagte über seine Faulheit, seine Drucke waren unsauber und voller Fehler,
und wie die Universitätslehrer deshalb viel in auswärtigen Offizinen arbeiten
ließen, so wandte sich auch Luther ab und zu mit seinen Aufträgen an Lotter
nach Leipzig.

Schon am 21. August 1518 schreibt Luther an Spalatin, auf den via-
LilvsstrinuL — eine von dem Dominikaner Silvester gegen ihn ge¬
richtete Schrift — werde gegenwärtig in Leipzig feine Antwort gedruckt, zu¬
gleich mit einem Neudruck dieses Dialogus selbst, und dem Augustinervikar
Johann Lange in Erfurt schickt er am 9. September ein Originalexemplar des
erwähnten Dialogus mit dem Bemerken, daß es das einzige sei, welches er
habe; die Dominikaner hätten die ganze erste Auflage aufgekauft, um sie
zu unterdrllckeu, er lasse aber bei Melchior Lotter jetzt selber eine neue drucken.
Demselben Lange theilt er am 13. April 1519 mit, daß gegenwärtig sein
Kommentar zum Galaterbriefe in Leipzig unter der Presse sei.

Bei längerem Geschäftsverkehr mit Lotter mag in Luther bald der Wunsch
rege geworden sein, den trefflichen Leipziger Drucker ganz für Wittenberg zu
gewinnen. Es ist höchst wahrscheinlich, daß er ihn schon jetzt wiederholt per¬
sönlich dazu aufforderte, nach Wittenberg überzusiedeln; nachweislich war
Luther zur Neujahrsmesse 1518 und 1519 in Leipzig anwesend, das zweite


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/293>, abgerufen am 22.07.2024.