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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Statutenbücher hervor, die das Bisthum in dieser Zeit herausgab. Und wie
Kachelofen im Jahre 1495, so siedelte auch Lotter 1519, vor der Pest in
Leipzig fliehend, geradezu mit seiner Druckerei eine Zeit lang nach Meißen
über. Seine hervorragenden Leistungen für das Meißner Bisthum scheinen aber
auch die Aufmerksamkeit anderer kirchlicher Oberhirten aus ihn gelenkt zu haben.
Im Jahre 1513 druckte er das Breviarium des Erzbischofs Ernst von Halle,
1517 ein Missale für die Diöcese Brandenburg, 1518 ein Havelsberger Bre-
viarinm, 1527 ein Psalterium für das neue Stift in Halle.

In Leipzig selbst scheint sich der Rath mit seinen Druckaufträgen damals
ausschließlich an Lotter gewandt zu haben. Alle Verordnungen, Patente und
sonstige Publikationen des Raths gingen aus seinen Pressen hervor.

Großartig aber vor allem war Lotter's eigne Verlagsthätigkeit. Außer
zahlreichen Philosophischen und theologischen, auch einzelnen juristischen und
mathematischen Schriften, einer umfänglichen Unterrichts- und Erziehungsliteratur,
Grammatiker, Poetiken, Wörterbüchern, Briefstellern, waren es namentlich die
Texte der griechischen und römischen Autoren, für deren Herausgabe Lotter
-- im Wetteifer mit seinen Leipziger Genossen: Jakob Thanner und den beiden
gelehrten und zur Universität in besonders enger Beziehung stehenden Druckern
Wolfgang Stöckel und Martin Landsberg -- Sorge trug. Lateinische Ueber¬
setzungen der Ilias und Odyssee, der aristotelischen Schriften, auch einzelner
Schriften vou Plutarch und Lukian, Ausgaben plantinischer Komödien, des
Terenz, Vergil, Horaz, Persius, zahlreicher Schriften Cicero's, Ausgaben des
Seneca, des Valerius Maximus, von Tacitus' Germania gingen nach und
nach aus seinen Pressen und seinem Verlage hervor, viele davon wiederholt
in neuen Auflagen. Vielfach waren es Leipziger Universitätslehrer, aus deren
Feder seine Verlagsartikel stammten oder die sich um die Textverbesserung und Drnck-
revision seiner Ausgaben alter Schriftsteller verdient machten, unter letzteren nament¬
lich Hermann Tulich, der fleißige Herausgeber und Korrektor der ciceronianischen
Schriften. Dabei stachen seine Drucke durch Sauberkeit und Schönheit, auch durch
geschmackvolle typographische Verzierungen vortheilhaft gegen die der übrigen Leip¬
ziger Drucker ab. In der Verdrängung der eckigen gothischen Schrift und
Einführung der echt lateinischen Buchstaben ging er 1511 ihnen allen voran.

Zum Vertriebe seiner Verlagsartikel hatte Lotter seinen ständigen "Buch¬
führer" -- wie man die herumziehenden Buchhändler damals nannte --, der
für ihn reiste und nur zu Messenszeiten in Leipzig anwesend war. Er hieß
Achatius Glov. Zu seinen Kunden gehörte unter anderen Thomas Münzer.
Von diesem ist noch ein Brief erhalten, worin er sich bei Glov beschwert, daß
er ihn in seinem Register mit einem anderen Thomas (von Wittgenan) ver¬
wechselt habe, und darum bittet, daß dergleichen nicht wieder vorkommen möge.


Statutenbücher hervor, die das Bisthum in dieser Zeit herausgab. Und wie
Kachelofen im Jahre 1495, so siedelte auch Lotter 1519, vor der Pest in
Leipzig fliehend, geradezu mit seiner Druckerei eine Zeit lang nach Meißen
über. Seine hervorragenden Leistungen für das Meißner Bisthum scheinen aber
auch die Aufmerksamkeit anderer kirchlicher Oberhirten aus ihn gelenkt zu haben.
Im Jahre 1513 druckte er das Breviarium des Erzbischofs Ernst von Halle,
1517 ein Missale für die Diöcese Brandenburg, 1518 ein Havelsberger Bre-
viarinm, 1527 ein Psalterium für das neue Stift in Halle.

In Leipzig selbst scheint sich der Rath mit seinen Druckaufträgen damals
ausschließlich an Lotter gewandt zu haben. Alle Verordnungen, Patente und
sonstige Publikationen des Raths gingen aus seinen Pressen hervor.

Großartig aber vor allem war Lotter's eigne Verlagsthätigkeit. Außer
zahlreichen Philosophischen und theologischen, auch einzelnen juristischen und
mathematischen Schriften, einer umfänglichen Unterrichts- und Erziehungsliteratur,
Grammatiker, Poetiken, Wörterbüchern, Briefstellern, waren es namentlich die
Texte der griechischen und römischen Autoren, für deren Herausgabe Lotter
— im Wetteifer mit seinen Leipziger Genossen: Jakob Thanner und den beiden
gelehrten und zur Universität in besonders enger Beziehung stehenden Druckern
Wolfgang Stöckel und Martin Landsberg — Sorge trug. Lateinische Ueber¬
setzungen der Ilias und Odyssee, der aristotelischen Schriften, auch einzelner
Schriften vou Plutarch und Lukian, Ausgaben plantinischer Komödien, des
Terenz, Vergil, Horaz, Persius, zahlreicher Schriften Cicero's, Ausgaben des
Seneca, des Valerius Maximus, von Tacitus' Germania gingen nach und
nach aus seinen Pressen und seinem Verlage hervor, viele davon wiederholt
in neuen Auflagen. Vielfach waren es Leipziger Universitätslehrer, aus deren
Feder seine Verlagsartikel stammten oder die sich um die Textverbesserung und Drnck-
revision seiner Ausgaben alter Schriftsteller verdient machten, unter letzteren nament¬
lich Hermann Tulich, der fleißige Herausgeber und Korrektor der ciceronianischen
Schriften. Dabei stachen seine Drucke durch Sauberkeit und Schönheit, auch durch
geschmackvolle typographische Verzierungen vortheilhaft gegen die der übrigen Leip¬
ziger Drucker ab. In der Verdrängung der eckigen gothischen Schrift und
Einführung der echt lateinischen Buchstaben ging er 1511 ihnen allen voran.

Zum Vertriebe seiner Verlagsartikel hatte Lotter seinen ständigen „Buch¬
führer" — wie man die herumziehenden Buchhändler damals nannte —, der
für ihn reiste und nur zu Messenszeiten in Leipzig anwesend war. Er hieß
Achatius Glov. Zu seinen Kunden gehörte unter anderen Thomas Münzer.
Von diesem ist noch ein Brief erhalten, worin er sich bei Glov beschwert, daß
er ihn in seinem Register mit einem anderen Thomas (von Wittgenan) ver¬
wechselt habe, und darum bittet, daß dergleichen nicht wieder vorkommen möge.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/291>, abgerufen am 22.07.2024.