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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Luther's Iiöeldrucker.
Von G. Wust manu.

Wer einen Büchersammler, einen Antiquar oder auch selbst einen Bibliothekar
nach dem ersten Drucker oder, was in der Reformationszeit und noch bis tief
in's le>. Jahrhundert hinein dasselbe besagt, dem ersten Verleger von Luther's
Schriften fragt, dem werden sie einstimmig den Namen Hans Luft in Wittenberg
nennen. In dem erlauchten Kreise von Männern, der die hochragende Gestalt
des großen Reformators umgiebt und von dem Glänze seines Ruhmes mit
bestrahlt wird, gilt Luft für keinen der Geringsten, und vor allem erscheint
sein Name mit der größten Geistesthat Luther's, mit der deutschen Bibelüber¬
setzung, in enger Verbindung. Seinem Blick, seinem Muth, seinem Unter¬
nehmungsgeist wird das Verdienst zugeschrieben, zur Durchführung eines so
weitausschauenden, kostspieligen Werkes, wie es die Luther'sche Bibelübersetzung
war, die technischen und materiellen Mittel geboten und es in würdiger Weise
in den literarischen Verkehr eingeführt zu haben.

Diese Auffassung bedarf gar sehr der Berichtigung, denn sie schließt eine
große Ungerechtigkeit in sich. Luft war weder der erste Drucker der Luther¬
bibel, noch ist er jemals ihr Verleger gewesen. Als er im Jahre 1534 die
erste vollständige Luther'sche Bibelübersetzung druckte, that er dies nicht auf
eigene, sondern auf Kosten einer Vereinigung von drei Wittenberger Buch-
händlern. Aber selbst als Drucker pflückte er fremde Lorbeeren und trat nur
das bequeme Erbe eines Vorgängers an, der das Werk bereits fast in allen
seinen einzelnen Theilen wirklich mit eigenen Mitteln hergestellt hatte. Dieser
bisher wenig beachtete Vorgänger Luft's war der Leipziger Buchdrucker und
Buchhändler Melchior Lotter.

Die nachfolgende Darstellung hat den Zweck, das Verhältniß, in welchem
Luft und Lotter zu der technischen und merkantilen Seite des Luther'schen


Grenzboten III. 1373. 3S
Luther's Iiöeldrucker.
Von G. Wust manu.

Wer einen Büchersammler, einen Antiquar oder auch selbst einen Bibliothekar
nach dem ersten Drucker oder, was in der Reformationszeit und noch bis tief
in's le>. Jahrhundert hinein dasselbe besagt, dem ersten Verleger von Luther's
Schriften fragt, dem werden sie einstimmig den Namen Hans Luft in Wittenberg
nennen. In dem erlauchten Kreise von Männern, der die hochragende Gestalt
des großen Reformators umgiebt und von dem Glänze seines Ruhmes mit
bestrahlt wird, gilt Luft für keinen der Geringsten, und vor allem erscheint
sein Name mit der größten Geistesthat Luther's, mit der deutschen Bibelüber¬
setzung, in enger Verbindung. Seinem Blick, seinem Muth, seinem Unter¬
nehmungsgeist wird das Verdienst zugeschrieben, zur Durchführung eines so
weitausschauenden, kostspieligen Werkes, wie es die Luther'sche Bibelübersetzung
war, die technischen und materiellen Mittel geboten und es in würdiger Weise
in den literarischen Verkehr eingeführt zu haben.

Diese Auffassung bedarf gar sehr der Berichtigung, denn sie schließt eine
große Ungerechtigkeit in sich. Luft war weder der erste Drucker der Luther¬
bibel, noch ist er jemals ihr Verleger gewesen. Als er im Jahre 1534 die
erste vollständige Luther'sche Bibelübersetzung druckte, that er dies nicht auf
eigene, sondern auf Kosten einer Vereinigung von drei Wittenberger Buch-
händlern. Aber selbst als Drucker pflückte er fremde Lorbeeren und trat nur
das bequeme Erbe eines Vorgängers an, der das Werk bereits fast in allen
seinen einzelnen Theilen wirklich mit eigenen Mitteln hergestellt hatte. Dieser
bisher wenig beachtete Vorgänger Luft's war der Leipziger Buchdrucker und
Buchhändler Melchior Lotter.

Die nachfolgende Darstellung hat den Zweck, das Verhältniß, in welchem
Luft und Lotter zu der technischen und merkantilen Seite des Luther'schen


Grenzboten III. 1373. 3S
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[0289] Luther's Iiöeldrucker. Von G. Wust manu. Wer einen Büchersammler, einen Antiquar oder auch selbst einen Bibliothekar nach dem ersten Drucker oder, was in der Reformationszeit und noch bis tief in's le>. Jahrhundert hinein dasselbe besagt, dem ersten Verleger von Luther's Schriften fragt, dem werden sie einstimmig den Namen Hans Luft in Wittenberg nennen. In dem erlauchten Kreise von Männern, der die hochragende Gestalt des großen Reformators umgiebt und von dem Glänze seines Ruhmes mit bestrahlt wird, gilt Luft für keinen der Geringsten, und vor allem erscheint sein Name mit der größten Geistesthat Luther's, mit der deutschen Bibelüber¬ setzung, in enger Verbindung. Seinem Blick, seinem Muth, seinem Unter¬ nehmungsgeist wird das Verdienst zugeschrieben, zur Durchführung eines so weitausschauenden, kostspieligen Werkes, wie es die Luther'sche Bibelübersetzung war, die technischen und materiellen Mittel geboten und es in würdiger Weise in den literarischen Verkehr eingeführt zu haben. Diese Auffassung bedarf gar sehr der Berichtigung, denn sie schließt eine große Ungerechtigkeit in sich. Luft war weder der erste Drucker der Luther¬ bibel, noch ist er jemals ihr Verleger gewesen. Als er im Jahre 1534 die erste vollständige Luther'sche Bibelübersetzung druckte, that er dies nicht auf eigene, sondern auf Kosten einer Vereinigung von drei Wittenberger Buch- händlern. Aber selbst als Drucker pflückte er fremde Lorbeeren und trat nur das bequeme Erbe eines Vorgängers an, der das Werk bereits fast in allen seinen einzelnen Theilen wirklich mit eigenen Mitteln hergestellt hatte. Dieser bisher wenig beachtete Vorgänger Luft's war der Leipziger Buchdrucker und Buchhändler Melchior Lotter. Die nachfolgende Darstellung hat den Zweck, das Verhältniß, in welchem Luft und Lotter zu der technischen und merkantilen Seite des Luther'schen Grenzboten III. 1373. 3S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/289>, abgerufen am 22.07.2024.