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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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ihre geringe bewegliche Habe verstecken könnten, würde leicht Mißtrauen und
Besorgniß erwecken.

So begann Stanley's Schaar, von Hoffnung erfüllt, ihre lange Reise.
Lärm und Gelächter hört man den Reihen entlang. Ein Summen und Ge-
murmel fröhlicher Stimmen tönt über die Felder, während die lange Linie
in dem welligen Lande auf- und niedersteigt und sich auf den Krümmungen
des Pfades hinschlängelt. Die Marschbewegung hat Allen ein Gefühl der Zu¬
friedenheit wiedergegeben. Eine intensiv leuchtende, glühend heiße Sonne scheint
hernieder, der Pfad ist trocken und hart, zum Reisen wunderbar geeignet, und
während des Anfangs des ersten Marsches läßt sich nichts strenger Geordnetes
denken, als diese lang gestreckte, schmale Kolonne, welche im Begriff steht, der
Wildniß die Stirn zu bieten.

Bald aber, als der Zug in das Thal des Kingani-Flusses hinabsteigt,
wird die Gluth der blendenden Sonne überwältigend. ^Die Reihen lösen sich
und werden unordentlich. Viele gehen zerstreut oder bleiben ganz zurück; die
Leute klagen über die schreckliche Hitze. Die Hunde schnauben und lechzen vor
Durst. Die Europäer leiden selbst uuter ihren Sonnenschirmen ungemein.
Ihre Gesichter sind geröthet, ihre Stirnen triefen von Schweiß, fortwährend
werden die Taschentücher zum Abwischen der Tropfen gebraucht, die sie fast
blind machen. Von den schweren Wollstoffen des Umzugs in eine halbe Todes¬
ohnmacht versetzt, möchten sie gerne rasten, aber die von der Sonne gebleichten
Ebenen des lohfarbenen durstigen Thales können in keiner Weise dazu einladen.
Die Reiseveteranen dringen vorwärts auf den drei Meilen entfernten Fluß zu,
wo sie Ruhe und Schutz vor der Sonne erlangen können. Aber die Unerfahrenen
liegen auf dem Boden hingestreckt, eisern gegen die Hitze, schreien nach Wasser
und jammern über ihre Thorheit, Zanzibar verlassen zu haben. Die Europäer
ermuthigen die Verschmachteten dnrch tröstlichen Zuspruch: am Flusse biete
sich ihnen Rast und Kühlung, nur der Anfang der Reise sei schlimm, sowie
sie standhaft blieben, würden sie aus dem Kampfe als Helden hervorgehen.
Solche Worte richten Viele auf. Von Neuem versuchen sie mit standhaften
Willen und ehrgeiziger Manneskraft die Ermüdung niederzukämpfen. Aber
Viele sind wirklich zu abgemattet, um den Kampf erneuern zu können. Die
Esel müssen beladen werden, die Anführer müssen die im Stich gelassenen
Güter von der Erde aufheben, und so wird endlich Nachmittags zwei Uhr der
Kingani erreicht.

Frank und Edward Pocock sind hierher vorausgeeilt und haben inzwischen
die Lady Alice zusammengesetzt. Schon um halb vier Uhr Nachmittags sind
alle Menschen, Waaren, Esel und Hunde über den Strom gesetzt und das
Boot wieder zerlegt und an Tragstangen befestigt. Die Reise wird nach


ihre geringe bewegliche Habe verstecken könnten, würde leicht Mißtrauen und
Besorgniß erwecken.

So begann Stanley's Schaar, von Hoffnung erfüllt, ihre lange Reise.
Lärm und Gelächter hört man den Reihen entlang. Ein Summen und Ge-
murmel fröhlicher Stimmen tönt über die Felder, während die lange Linie
in dem welligen Lande auf- und niedersteigt und sich auf den Krümmungen
des Pfades hinschlängelt. Die Marschbewegung hat Allen ein Gefühl der Zu¬
friedenheit wiedergegeben. Eine intensiv leuchtende, glühend heiße Sonne scheint
hernieder, der Pfad ist trocken und hart, zum Reisen wunderbar geeignet, und
während des Anfangs des ersten Marsches läßt sich nichts strenger Geordnetes
denken, als diese lang gestreckte, schmale Kolonne, welche im Begriff steht, der
Wildniß die Stirn zu bieten.

Bald aber, als der Zug in das Thal des Kingani-Flusses hinabsteigt,
wird die Gluth der blendenden Sonne überwältigend. ^Die Reihen lösen sich
und werden unordentlich. Viele gehen zerstreut oder bleiben ganz zurück; die
Leute klagen über die schreckliche Hitze. Die Hunde schnauben und lechzen vor
Durst. Die Europäer leiden selbst uuter ihren Sonnenschirmen ungemein.
Ihre Gesichter sind geröthet, ihre Stirnen triefen von Schweiß, fortwährend
werden die Taschentücher zum Abwischen der Tropfen gebraucht, die sie fast
blind machen. Von den schweren Wollstoffen des Umzugs in eine halbe Todes¬
ohnmacht versetzt, möchten sie gerne rasten, aber die von der Sonne gebleichten
Ebenen des lohfarbenen durstigen Thales können in keiner Weise dazu einladen.
Die Reiseveteranen dringen vorwärts auf den drei Meilen entfernten Fluß zu,
wo sie Ruhe und Schutz vor der Sonne erlangen können. Aber die Unerfahrenen
liegen auf dem Boden hingestreckt, eisern gegen die Hitze, schreien nach Wasser
und jammern über ihre Thorheit, Zanzibar verlassen zu haben. Die Europäer
ermuthigen die Verschmachteten dnrch tröstlichen Zuspruch: am Flusse biete
sich ihnen Rast und Kühlung, nur der Anfang der Reise sei schlimm, sowie
sie standhaft blieben, würden sie aus dem Kampfe als Helden hervorgehen.
Solche Worte richten Viele auf. Von Neuem versuchen sie mit standhaften
Willen und ehrgeiziger Manneskraft die Ermüdung niederzukämpfen. Aber
Viele sind wirklich zu abgemattet, um den Kampf erneuern zu können. Die
Esel müssen beladen werden, die Anführer müssen die im Stich gelassenen
Güter von der Erde aufheben, und so wird endlich Nachmittags zwei Uhr der
Kingani erreicht.

Frank und Edward Pocock sind hierher vorausgeeilt und haben inzwischen
die Lady Alice zusammengesetzt. Schon um halb vier Uhr Nachmittags sind
alle Menschen, Waaren, Esel und Hunde über den Strom gesetzt und das
Boot wieder zerlegt und an Tragstangen befestigt. Die Reise wird nach


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[0283] ihre geringe bewegliche Habe verstecken könnten, würde leicht Mißtrauen und Besorgniß erwecken. So begann Stanley's Schaar, von Hoffnung erfüllt, ihre lange Reise. Lärm und Gelächter hört man den Reihen entlang. Ein Summen und Ge- murmel fröhlicher Stimmen tönt über die Felder, während die lange Linie in dem welligen Lande auf- und niedersteigt und sich auf den Krümmungen des Pfades hinschlängelt. Die Marschbewegung hat Allen ein Gefühl der Zu¬ friedenheit wiedergegeben. Eine intensiv leuchtende, glühend heiße Sonne scheint hernieder, der Pfad ist trocken und hart, zum Reisen wunderbar geeignet, und während des Anfangs des ersten Marsches läßt sich nichts strenger Geordnetes denken, als diese lang gestreckte, schmale Kolonne, welche im Begriff steht, der Wildniß die Stirn zu bieten. Bald aber, als der Zug in das Thal des Kingani-Flusses hinabsteigt, wird die Gluth der blendenden Sonne überwältigend. ^Die Reihen lösen sich und werden unordentlich. Viele gehen zerstreut oder bleiben ganz zurück; die Leute klagen über die schreckliche Hitze. Die Hunde schnauben und lechzen vor Durst. Die Europäer leiden selbst uuter ihren Sonnenschirmen ungemein. Ihre Gesichter sind geröthet, ihre Stirnen triefen von Schweiß, fortwährend werden die Taschentücher zum Abwischen der Tropfen gebraucht, die sie fast blind machen. Von den schweren Wollstoffen des Umzugs in eine halbe Todes¬ ohnmacht versetzt, möchten sie gerne rasten, aber die von der Sonne gebleichten Ebenen des lohfarbenen durstigen Thales können in keiner Weise dazu einladen. Die Reiseveteranen dringen vorwärts auf den drei Meilen entfernten Fluß zu, wo sie Ruhe und Schutz vor der Sonne erlangen können. Aber die Unerfahrenen liegen auf dem Boden hingestreckt, eisern gegen die Hitze, schreien nach Wasser und jammern über ihre Thorheit, Zanzibar verlassen zu haben. Die Europäer ermuthigen die Verschmachteten dnrch tröstlichen Zuspruch: am Flusse biete sich ihnen Rast und Kühlung, nur der Anfang der Reise sei schlimm, sowie sie standhaft blieben, würden sie aus dem Kampfe als Helden hervorgehen. Solche Worte richten Viele auf. Von Neuem versuchen sie mit standhaften Willen und ehrgeiziger Manneskraft die Ermüdung niederzukämpfen. Aber Viele sind wirklich zu abgemattet, um den Kampf erneuern zu können. Die Esel müssen beladen werden, die Anführer müssen die im Stich gelassenen Güter von der Erde aufheben, und so wird endlich Nachmittags zwei Uhr der Kingani erreicht. Frank und Edward Pocock sind hierher vorausgeeilt und haben inzwischen die Lady Alice zusammengesetzt. Schon um halb vier Uhr Nachmittags sind alle Menschen, Waaren, Esel und Hunde über den Strom gesetzt und das Boot wieder zerlegt und an Tragstangen befestigt. Die Reise wird nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/283>, abgerufen am 22.07.2024.