Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.scheinende "Westliche Post" vom 10. Juli d. I. also vernehmen: "Nur daran, Aehnlich, wie Francis Parkman, urtheilte auch vor Kurzem der alte scheinende „Westliche Post" vom 10. Juli d. I. also vernehmen: „Nur daran, Aehnlich, wie Francis Parkman, urtheilte auch vor Kurzem der alte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140631"/> <p xml:id="ID_840" prev="#ID_839"> scheinende „Westliche Post" vom 10. Juli d. I. also vernehmen: „Nur daran,<lb/> daß sich in den Vereinigten Staaten so viele Leute aller Stände, die den Besitz<lb/> und die Intelligenz der Nation repräsentiren, gänzlich von der Politik fern¬<lb/> halten, ja nicht einmal sich die Mühe nehmen, an die Wahlurne zu gehen,<lb/> liegt es, daß das allgemeine Stimmrecht hier so schlechte Folgen gebracht hat.<lb/> Und es wird diese schlechten Folgen sehr bald in noch höherem Maße bringen,<lb/> wenn jene Sorte von Bürgern sich nicht ans ihrer Gleichgültigkeit gegen öffent¬<lb/> liche Dinge herausreißen laßt. Anstatt nach einem Gefellschnftsretter zu rufen,<lb/> sollten sie sich selbst helfen und so der Union die Schande ersparen, ihr zweites<lb/> Jahrhundert mit einem Bekenntnisse zu eröffnen, daß der Versuch der Selbst-<lb/> regierung mißglückt und eine auf gleiche Rechte gegründete Republik ein Fehl¬<lb/> schlag sei. Die Zeit kommt bald, wo die bessern Bürger sich entscheiden müssen,<lb/> ob sie sich selbst helfen wollen oder nicht. Die Wahlen des nächsten Herbstes<lb/> werden von einer Bedeutung für die Entwickelung der Union sein, wie es vor<lb/> ihnen nur wenige Wahlen waren. Die Krisis ist da; sind die Bürger bereit,<lb/> sie so zu wenden, daß wir, anstatt dem Verderben, dem Genesen und Gedeihen<lb/> entgegengehen?"</p><lb/> <p xml:id="ID_841"> Aehnlich, wie Francis Parkman, urtheilte auch vor Kurzem der alte<lb/> Friedrich Münch, welcher im Jahre 1830 nach Amerika auswanderte und dort<lb/> zu den geachtetsten Deutsch-Amerikanern gehört. Auch Münch verlangt eine<lb/> Einschränkung des allgemeinen Stimmrechts, nicht nnr in Bezug auf das Alter,<lb/> sondern auch mit Rücksicht auf die Selbständigkeit der Lebensstellung und auf<lb/> die dringendste nothwendige Bildung. Eine solche Beschränkung hat nach<lb/> Münch's Ansicht keinerlei Cliquen-Herrschaft zur Folge, im Gegentheil, gerade<lb/> das unbeschränkte allgemeine Stimmrecht hat in der nordamerikanischen Union<lb/> eine unerträgliche „Ring- und Cliquenherrschaft" ins Leben gerufen: „Unsere<lb/> Massen," sagt Münch, „bilden noch bei Weitem kein Volk, wie ich es als der<lb/> Selbstregierung vollkommen fähig halte, und bedeutende Fehlgriffe werden in<lb/> den größeren und kleineren amerikanischen Wahlen gemacht. Bürger, wie ich<lb/> sie im Sinne habe, mögen wohl auch in einzelnen Fällen sich irren, werden<lb/> aber niemals mit bewußter Absicht die Macht in die Hände von Schwindlern<lb/> legen. Es giebt kein anderes Heil sür die Völker, als daß sie in ihrer Mitte<lb/> keine rohe und zügellose Masse aufkommen lassen. Um diesen Punkt gerade<lb/><note type="byline"> R. Doehn.</note> dreht sich die Zukunft der ganzen Menschheit." </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0280]
scheinende „Westliche Post" vom 10. Juli d. I. also vernehmen: „Nur daran,
daß sich in den Vereinigten Staaten so viele Leute aller Stände, die den Besitz
und die Intelligenz der Nation repräsentiren, gänzlich von der Politik fern¬
halten, ja nicht einmal sich die Mühe nehmen, an die Wahlurne zu gehen,
liegt es, daß das allgemeine Stimmrecht hier so schlechte Folgen gebracht hat.
Und es wird diese schlechten Folgen sehr bald in noch höherem Maße bringen,
wenn jene Sorte von Bürgern sich nicht ans ihrer Gleichgültigkeit gegen öffent¬
liche Dinge herausreißen laßt. Anstatt nach einem Gefellschnftsretter zu rufen,
sollten sie sich selbst helfen und so der Union die Schande ersparen, ihr zweites
Jahrhundert mit einem Bekenntnisse zu eröffnen, daß der Versuch der Selbst-
regierung mißglückt und eine auf gleiche Rechte gegründete Republik ein Fehl¬
schlag sei. Die Zeit kommt bald, wo die bessern Bürger sich entscheiden müssen,
ob sie sich selbst helfen wollen oder nicht. Die Wahlen des nächsten Herbstes
werden von einer Bedeutung für die Entwickelung der Union sein, wie es vor
ihnen nur wenige Wahlen waren. Die Krisis ist da; sind die Bürger bereit,
sie so zu wenden, daß wir, anstatt dem Verderben, dem Genesen und Gedeihen
entgegengehen?"
Aehnlich, wie Francis Parkman, urtheilte auch vor Kurzem der alte
Friedrich Münch, welcher im Jahre 1830 nach Amerika auswanderte und dort
zu den geachtetsten Deutsch-Amerikanern gehört. Auch Münch verlangt eine
Einschränkung des allgemeinen Stimmrechts, nicht nnr in Bezug auf das Alter,
sondern auch mit Rücksicht auf die Selbständigkeit der Lebensstellung und auf
die dringendste nothwendige Bildung. Eine solche Beschränkung hat nach
Münch's Ansicht keinerlei Cliquen-Herrschaft zur Folge, im Gegentheil, gerade
das unbeschränkte allgemeine Stimmrecht hat in der nordamerikanischen Union
eine unerträgliche „Ring- und Cliquenherrschaft" ins Leben gerufen: „Unsere
Massen," sagt Münch, „bilden noch bei Weitem kein Volk, wie ich es als der
Selbstregierung vollkommen fähig halte, und bedeutende Fehlgriffe werden in
den größeren und kleineren amerikanischen Wahlen gemacht. Bürger, wie ich
sie im Sinne habe, mögen wohl auch in einzelnen Fällen sich irren, werden
aber niemals mit bewußter Absicht die Macht in die Hände von Schwindlern
legen. Es giebt kein anderes Heil sür die Völker, als daß sie in ihrer Mitte
keine rohe und zügellose Masse aufkommen lassen. Um diesen Punkt gerade
R. Doehn. dreht sich die Zukunft der ganzen Menschheit."
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