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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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in jedem europäischen Hause jeues Landes zu treffen ist. Er versteht in der
Schwarzen nichts anderes zu finden, als ein Werkzeug zur Befriedigung seiner
Lust, und fast gewinnt uns die Anwesenheit dieser Frau noch Achtung vor
ihrem Genossen ab, wenn wir erfahren, daß unendlich vielen seiner Kollegen
an jener Küste das Weib nicht einmal mehr genügt! Auch ein Streiflicht ans
den Einfluß des Europäers auf die Eingeborenen, denn das umschriebene
Laster hat sich schon bei ganzen Negerstämmen eingebürgert! --

Der Fetisch ist geschlossen, und der Kaufmann sieht nach der Arbeit seiner
Krumanos, weniger ans Pflichtgefühl, als aus Langerweile. Kaum daß er
hier und dort den Mund zu einigen Kraftworten öffnet, still und schweigsam
schaut er der schnell vor sich gehenden Arbeit zu. In einem der Häuser wird
das in seifenähnlicher Konsistenz von den Eingeborenen zum Verkauf gebrachte
Palmöl zum Reinigen gekocht; in eisernen Kesseln siedet das vegetabilische Fett
über mächtigen Feuern, um geklärt in die bereitstehenden Tonnen gefüllt zu
werden. In dem benachbarten Gebände werden Palmenkerne verpackt; an den
Wänden liegen schon Hunderte von vollen Säcken aufgestapelt, am tennen-
artigen Boden wölbt sich ein großer Berg der Kerne, die von den Arbeitern
in die schmalen, länglichen Säcke aus dem Blatt der Fächerpalme (it^pliasna
"onAsnÄs) geschüttet werden. Die Arbeit rückt im Beisein des Herrn, denn
die Sklaven wissen, welche Strafe sie erwartet, wenn sie etwa faul sein sollten.
Einige sind mit Ketten aneinander gefesselt, sie hatten vor einiger Zeit einen
vergeblichen Fluchtversuch gemacht. Um deu Hals eines jeden schmiegt sich ein
mit einem Buchstabenschloß verriegelter Ring, die eiserne "Cravate" des Einen
ist durch eine etwa drei Klafter lange Kette mit der des Anderen verbunden.
Und noch mehr, alle Sklaven sind gebrannt, wie man bei uns Pferde zeichnet.
Von einem alten Doppelflinteulauf wurde an der Mündung so viel abge-
nommen, daß eine Art Stempel von der ungefähren Form einer 3 übrig blieb'
Die linke Brust des Sklaven mit Oel eingerieben, das glühend gemachte Eisen
auf die Haut gepreßt, es zischt auf und der Sklave hat das unveräußerliche
Zeichen seiner Faktorei. Nun kann er nicht leicht entfliehen, Jedermann kennt
die Stempel der verschiedenen Faktoreien, würde ihn beim Begegnen festmachen
und gegen Lösegeld zurückbringen.

In jedem Kaufhause jener westafrikanischen Gebiete, mit Ausnahme der
englischen Firmen, werden Sklaven oder harmloser klingend, Krumanos ge¬
halten. Wo sie sind, spielen die Peitschen aus der Haut des Flußpferdes
und Ketten eine Hauptrolle. Der Portugiese hält für den Neger ivuito xav,
xonoo p-lo s ninno trat-Mo, viele Prügel, wenig Brod und viele Arbeit,
nöthig; das siud seiue Erziehungs- und Zuchtmittel. Schnell entschlossenes
Handeln, Geistesgegenwart, Konsequenz und eine imponirende äußerliche Er-


in jedem europäischen Hause jeues Landes zu treffen ist. Er versteht in der
Schwarzen nichts anderes zu finden, als ein Werkzeug zur Befriedigung seiner
Lust, und fast gewinnt uns die Anwesenheit dieser Frau noch Achtung vor
ihrem Genossen ab, wenn wir erfahren, daß unendlich vielen seiner Kollegen
an jener Küste das Weib nicht einmal mehr genügt! Auch ein Streiflicht ans
den Einfluß des Europäers auf die Eingeborenen, denn das umschriebene
Laster hat sich schon bei ganzen Negerstämmen eingebürgert! —

Der Fetisch ist geschlossen, und der Kaufmann sieht nach der Arbeit seiner
Krumanos, weniger ans Pflichtgefühl, als aus Langerweile. Kaum daß er
hier und dort den Mund zu einigen Kraftworten öffnet, still und schweigsam
schaut er der schnell vor sich gehenden Arbeit zu. In einem der Häuser wird
das in seifenähnlicher Konsistenz von den Eingeborenen zum Verkauf gebrachte
Palmöl zum Reinigen gekocht; in eisernen Kesseln siedet das vegetabilische Fett
über mächtigen Feuern, um geklärt in die bereitstehenden Tonnen gefüllt zu
werden. In dem benachbarten Gebände werden Palmenkerne verpackt; an den
Wänden liegen schon Hunderte von vollen Säcken aufgestapelt, am tennen-
artigen Boden wölbt sich ein großer Berg der Kerne, die von den Arbeitern
in die schmalen, länglichen Säcke aus dem Blatt der Fächerpalme (it^pliasna
«onAsnÄs) geschüttet werden. Die Arbeit rückt im Beisein des Herrn, denn
die Sklaven wissen, welche Strafe sie erwartet, wenn sie etwa faul sein sollten.
Einige sind mit Ketten aneinander gefesselt, sie hatten vor einiger Zeit einen
vergeblichen Fluchtversuch gemacht. Um deu Hals eines jeden schmiegt sich ein
mit einem Buchstabenschloß verriegelter Ring, die eiserne „Cravate" des Einen
ist durch eine etwa drei Klafter lange Kette mit der des Anderen verbunden.
Und noch mehr, alle Sklaven sind gebrannt, wie man bei uns Pferde zeichnet.
Von einem alten Doppelflinteulauf wurde an der Mündung so viel abge-
nommen, daß eine Art Stempel von der ungefähren Form einer 3 übrig blieb'
Die linke Brust des Sklaven mit Oel eingerieben, das glühend gemachte Eisen
auf die Haut gepreßt, es zischt auf und der Sklave hat das unveräußerliche
Zeichen seiner Faktorei. Nun kann er nicht leicht entfliehen, Jedermann kennt
die Stempel der verschiedenen Faktoreien, würde ihn beim Begegnen festmachen
und gegen Lösegeld zurückbringen.

In jedem Kaufhause jener westafrikanischen Gebiete, mit Ausnahme der
englischen Firmen, werden Sklaven oder harmloser klingend, Krumanos ge¬
halten. Wo sie sind, spielen die Peitschen aus der Haut des Flußpferdes
und Ketten eine Hauptrolle. Der Portugiese hält für den Neger ivuito xav,
xonoo p-lo s ninno trat-Mo, viele Prügel, wenig Brod und viele Arbeit,
nöthig; das siud seiue Erziehungs- und Zuchtmittel. Schnell entschlossenes
Handeln, Geistesgegenwart, Konsequenz und eine imponirende äußerliche Er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/28>, abgerufen am 05.02.2025.