Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.die Freunde und Anhänger eines ungebildeten und wüsten Sozialdemokraten, Unter solchen Umständen ist es kein Wunder, wenn viele bessere Elemente die Freunde und Anhänger eines ungebildeten und wüsten Sozialdemokraten, Unter solchen Umständen ist es kein Wunder, wenn viele bessere Elemente <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140629"/> <p xml:id="ID_836" prev="#ID_835"> die Freunde und Anhänger eines ungebildeten und wüsten Sozialdemokraten,<lb/> Denis Kearney mit Namen, in ungeahnter Stärke siegreich hervorgingen, deuten<lb/> noch wenig auf eine energische sittliche Erhebung des amerikanischen Volkes hin.<lb/> Auch verräth es wenig politische Einsicht und noch weniger Gewissenhaftigkeit,<lb/> wenn demokratische Nationalkouventionen, wie dies z. B. kürzlich in den Staaten<lb/> Ohio und Arkansas geschehen ist, in der Finanzfrage die Befolgung einer Politik<lb/> empfehlen, welche eine ehrliche Abzahlung der amerikanischen Nationcilschuld<lb/> sehr erschwert oder gar unmöglich macht. Ebenso zeugt es von wenig Vater¬<lb/> landsliebe, wenn in den Südstaaten, den früheren Sklavenstciateu, sich in der<lb/> Tagespresse wiederholt Stimmen vernehmen lassen, welche die Wiederaufhebung<lb/> der jüngsten Amendements zur Bundesverfassung anrathen, die Wiedereinführung<lb/> der Negersklaverei fordern und damit einen neuen Bürgerkrieg in sichere Aussicht<lb/> stellen. Mit bitterer Ironie zieht die „New-Iork Tribune" vom 10. Juli d. I.<lb/> eine Parallele zwischen den Sozialdemokraten ü, Je^ Kearney und der demokra¬<lb/> tischen Partei in Amerika und kommt dabei zu dem Schlüsse, daß die Ersteren<lb/> unter der Phrase „Recht auf Arbeit" (ri^ut cet lador) im Grunde nichts Anderes<lb/> verstehen, als das „Recht, gar nicht zu arbeiten", während die Letztere, die<lb/> demokratische Partei, eine „neue Art und Weise alte Schulden abzutragen"<lb/> (g, rwv va./ to xg.^ viel äste8) empfehlen, die darin besteht „überhaupt gar<lb/> uicht zu bezahlen" (not to xs.^ at all). Die sogenannte Repudiationstheorie,<lb/> d. h. die Weigerung, rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, ist leider in<lb/> Amerika, vornehmlich bei der demokratischen Partei, nichts Neues.</p><lb/> <p xml:id="ID_837" next="#ID_838"> Unter solchen Umständen ist es kein Wunder, wenn viele bessere Elemente<lb/> in der nordamerikanischen Union gegenwärtig sehr trübe in die Zukunft der<lb/> Republik blicken oder tiefeinschneidende Besserungs- und Rettungsmittel in Vor¬<lb/> schlag bringen. So veröffentlichte der rühmlichst bekannte Geschichtsschreiber<lb/> Francis Parkman in der Juli- und Augustnummer der im Verlag von<lb/> Dr. Appleton und Comp. zu New-Iork erscheinenden „North American Review"<lb/> jüngst einen längern Artikel, in welchem er die gegenwärtige Ausdehnung des<lb/> allgemeinen Stimmrechts in den Vereinigten Staaten für ein großes Uebel erklärt.<lb/> Francis Parkman legt die häufigen Mißerfolge des allgemeinen Stimmrechts<lb/> in einer Weise dar, die über seine eigene Meinung in dieser Sache keinen Zweifel<lb/> übrig läßt. Er zeigt an der Hand der Geschichte, daß die Freiheit von unten<lb/> herauf ebenso gefährlich werden kann, wie die Tyrannei von oben herab, und<lb/> daß „die organistrte Unwissenheit und Rohheit, geleitet von gewissenlosen Agi¬<lb/> tatoren", mit einem Worte, daß der „Demos" das Szepter der Tyrannei gerade<lb/> so gut zu schwingen versteht, wie ein absoluter Machthaber. Nach Parkman's<lb/> Ansicht ist die unter den Manipulationen selbst- und herrschsüchtiger Handwerks-<lb/> pvlitiler steheude Menge in den Vereinigten Staaten (von anderen Völkern</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0278]
die Freunde und Anhänger eines ungebildeten und wüsten Sozialdemokraten,
Denis Kearney mit Namen, in ungeahnter Stärke siegreich hervorgingen, deuten
noch wenig auf eine energische sittliche Erhebung des amerikanischen Volkes hin.
Auch verräth es wenig politische Einsicht und noch weniger Gewissenhaftigkeit,
wenn demokratische Nationalkouventionen, wie dies z. B. kürzlich in den Staaten
Ohio und Arkansas geschehen ist, in der Finanzfrage die Befolgung einer Politik
empfehlen, welche eine ehrliche Abzahlung der amerikanischen Nationcilschuld
sehr erschwert oder gar unmöglich macht. Ebenso zeugt es von wenig Vater¬
landsliebe, wenn in den Südstaaten, den früheren Sklavenstciateu, sich in der
Tagespresse wiederholt Stimmen vernehmen lassen, welche die Wiederaufhebung
der jüngsten Amendements zur Bundesverfassung anrathen, die Wiedereinführung
der Negersklaverei fordern und damit einen neuen Bürgerkrieg in sichere Aussicht
stellen. Mit bitterer Ironie zieht die „New-Iork Tribune" vom 10. Juli d. I.
eine Parallele zwischen den Sozialdemokraten ü, Je^ Kearney und der demokra¬
tischen Partei in Amerika und kommt dabei zu dem Schlüsse, daß die Ersteren
unter der Phrase „Recht auf Arbeit" (ri^ut cet lador) im Grunde nichts Anderes
verstehen, als das „Recht, gar nicht zu arbeiten", während die Letztere, die
demokratische Partei, eine „neue Art und Weise alte Schulden abzutragen"
(g, rwv va./ to xg.^ viel äste8) empfehlen, die darin besteht „überhaupt gar
uicht zu bezahlen" (not to xs.^ at all). Die sogenannte Repudiationstheorie,
d. h. die Weigerung, rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, ist leider in
Amerika, vornehmlich bei der demokratischen Partei, nichts Neues.
Unter solchen Umständen ist es kein Wunder, wenn viele bessere Elemente
in der nordamerikanischen Union gegenwärtig sehr trübe in die Zukunft der
Republik blicken oder tiefeinschneidende Besserungs- und Rettungsmittel in Vor¬
schlag bringen. So veröffentlichte der rühmlichst bekannte Geschichtsschreiber
Francis Parkman in der Juli- und Augustnummer der im Verlag von
Dr. Appleton und Comp. zu New-Iork erscheinenden „North American Review"
jüngst einen längern Artikel, in welchem er die gegenwärtige Ausdehnung des
allgemeinen Stimmrechts in den Vereinigten Staaten für ein großes Uebel erklärt.
Francis Parkman legt die häufigen Mißerfolge des allgemeinen Stimmrechts
in einer Weise dar, die über seine eigene Meinung in dieser Sache keinen Zweifel
übrig läßt. Er zeigt an der Hand der Geschichte, daß die Freiheit von unten
herauf ebenso gefährlich werden kann, wie die Tyrannei von oben herab, und
daß „die organistrte Unwissenheit und Rohheit, geleitet von gewissenlosen Agi¬
tatoren", mit einem Worte, daß der „Demos" das Szepter der Tyrannei gerade
so gut zu schwingen versteht, wie ein absoluter Machthaber. Nach Parkman's
Ansicht ist die unter den Manipulationen selbst- und herrschsüchtiger Handwerks-
pvlitiler steheude Menge in den Vereinigten Staaten (von anderen Völkern
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