Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Säulenstamm nur ein Schöpf Blattrippen krönt, an denen die Kngelnester hin
und herschwanken. --

Greifen wir einen Tag aus dem Leben des hier gefesselten Weißen heraus
und denken wir uns eine ihm endlos scheinende Anzahl gleicher Tage anein¬
ander gereiht, so haben wir ein treues Bild seines Daseins.

Noch dämmert die letzte Stunde der Nacht über der schlafenden Erde,
Stille und Ruhe athmet die Natur, nur der Strom rauscht sein eintönig Lied.
Aber das allmälig verblassende Licht der Sterne kündet die Nähe des Tages;
ein Windhauch spielt in der Ruthcnkrone jener Oelpalme am Ufer, daß die
Nester schaukeln und die erwachten Insassen zwitschernd ihre Köpfchen aus den
wohligen Schwebebetteu herausstrecken. Auf dem Hofe ist noch alles still, bis
sich endlich die luckenartige Thür einer der Hütten öffnet, und gebückt ein Neger
sich aus ihr herauszwängt. Er ist der Dolmetsch oder Liugster, er vermittelt
den Verkehr zwischen dem Weißen und den Eingeborenen und spielt gleichzeitig
eine Art von Aufseherrolle in der Faktorei. Noch schlaftrunken reibt er sich
die Augen, schaut uach der Sonne, deren Aufgang sich in der über den Wald¬
wipfeln ausstrahlenden Lichtfülle anzeigt und schlendert zum Fluß, sich an dessen
flachem Ufer zu waschen. Schnell, aber gründlich ist das geschehen, und sich
in seine Tücher sullent, schreitet der Schwarze zum Wohnhaus hinüber, an
dessen einer Ecke eine hölzerne Klapper hängt. Laut rasselt das Zeichen des
Tagesanbruchs und des Beginns der Arbeit, und widerlich trompetend rauscht
langsamen Flügelschlages ein aufgeschreckter Nashornvogel über den Fluß
hinüber.

Eben steigt die Sonne strahlend empor und ziert das Grün an Baum
und Strauch verschwenderisch mit hellerglänzendem Thautropfenschmuck, als
auch aus den übrigen Hütten die Krumauos erscheinen, schnell ihre Waschung
vornehmen und dann zusammengeschaart auf ihren Herrn und dessen Befehle
harren. Die Thür des Wohnhauses öffnet sich, und in weite Schlafhosen, ein
faltenreiches Hemd, Strümpfe und Morgenschuhe gekleidet, erscheint der Weiße.
Er würde eine stattliche Erscheinung abgeben, wenn er nicht so haltungslos
und faul daherschlürfte; auch fein Antlitz ist ausdruckslos, die Augen blicken
matt und verdrossen drein und nur die tiefen Furchen in dem gelbgrauen Ge¬
ficht erzählen von Leidenschaften; Unmuth spricht aus den Zügen, vielleicht
darüber, daß wieder einmal ein Tag begonnen. -- Die Arbeit ist bald ver¬
theilt: Diese haben Palmöl zu kochen, Jene es in Fässer zu füllen, noch Andere
Palmenkerne zu verpacken und der Dolmetsch hat alles zu beaufsichtigen.

Laut schallt nun der Ruf über den Hof: "mois^iss, ooswtioiro, o odü,;
Moleques, Koch, den Thee! Ihr Taugenichtse, Hunde, Negros, seid ihr noch
uicht damit fertig?!" Und nicht lange darauf eilen Hausdiener und Koch,


Säulenstamm nur ein Schöpf Blattrippen krönt, an denen die Kngelnester hin
und herschwanken. —

Greifen wir einen Tag aus dem Leben des hier gefesselten Weißen heraus
und denken wir uns eine ihm endlos scheinende Anzahl gleicher Tage anein¬
ander gereiht, so haben wir ein treues Bild seines Daseins.

Noch dämmert die letzte Stunde der Nacht über der schlafenden Erde,
Stille und Ruhe athmet die Natur, nur der Strom rauscht sein eintönig Lied.
Aber das allmälig verblassende Licht der Sterne kündet die Nähe des Tages;
ein Windhauch spielt in der Ruthcnkrone jener Oelpalme am Ufer, daß die
Nester schaukeln und die erwachten Insassen zwitschernd ihre Köpfchen aus den
wohligen Schwebebetteu herausstrecken. Auf dem Hofe ist noch alles still, bis
sich endlich die luckenartige Thür einer der Hütten öffnet, und gebückt ein Neger
sich aus ihr herauszwängt. Er ist der Dolmetsch oder Liugster, er vermittelt
den Verkehr zwischen dem Weißen und den Eingeborenen und spielt gleichzeitig
eine Art von Aufseherrolle in der Faktorei. Noch schlaftrunken reibt er sich
die Augen, schaut uach der Sonne, deren Aufgang sich in der über den Wald¬
wipfeln ausstrahlenden Lichtfülle anzeigt und schlendert zum Fluß, sich an dessen
flachem Ufer zu waschen. Schnell, aber gründlich ist das geschehen, und sich
in seine Tücher sullent, schreitet der Schwarze zum Wohnhaus hinüber, an
dessen einer Ecke eine hölzerne Klapper hängt. Laut rasselt das Zeichen des
Tagesanbruchs und des Beginns der Arbeit, und widerlich trompetend rauscht
langsamen Flügelschlages ein aufgeschreckter Nashornvogel über den Fluß
hinüber.

Eben steigt die Sonne strahlend empor und ziert das Grün an Baum
und Strauch verschwenderisch mit hellerglänzendem Thautropfenschmuck, als
auch aus den übrigen Hütten die Krumauos erscheinen, schnell ihre Waschung
vornehmen und dann zusammengeschaart auf ihren Herrn und dessen Befehle
harren. Die Thür des Wohnhauses öffnet sich, und in weite Schlafhosen, ein
faltenreiches Hemd, Strümpfe und Morgenschuhe gekleidet, erscheint der Weiße.
Er würde eine stattliche Erscheinung abgeben, wenn er nicht so haltungslos
und faul daherschlürfte; auch fein Antlitz ist ausdruckslos, die Augen blicken
matt und verdrossen drein und nur die tiefen Furchen in dem gelbgrauen Ge¬
ficht erzählen von Leidenschaften; Unmuth spricht aus den Zügen, vielleicht
darüber, daß wieder einmal ein Tag begonnen. — Die Arbeit ist bald ver¬
theilt: Diese haben Palmöl zu kochen, Jene es in Fässer zu füllen, noch Andere
Palmenkerne zu verpacken und der Dolmetsch hat alles zu beaufsichtigen.

Laut schallt nun der Ruf über den Hof: „mois^iss, ooswtioiro, o odü,;
Moleques, Koch, den Thee! Ihr Taugenichtse, Hunde, Negros, seid ihr noch
uicht damit fertig?!" Und nicht lange darauf eilen Hausdiener und Koch,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140377"/>
          <p xml:id="ID_58" prev="#ID_57"> Säulenstamm nur ein Schöpf Blattrippen krönt, an denen die Kngelnester hin<lb/>
und herschwanken. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_59"> Greifen wir einen Tag aus dem Leben des hier gefesselten Weißen heraus<lb/>
und denken wir uns eine ihm endlos scheinende Anzahl gleicher Tage anein¬<lb/>
ander gereiht, so haben wir ein treues Bild seines Daseins.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_60"> Noch dämmert die letzte Stunde der Nacht über der schlafenden Erde,<lb/>
Stille und Ruhe athmet die Natur, nur der Strom rauscht sein eintönig Lied.<lb/>
Aber das allmälig verblassende Licht der Sterne kündet die Nähe des Tages;<lb/>
ein Windhauch spielt in der Ruthcnkrone jener Oelpalme am Ufer, daß die<lb/>
Nester schaukeln und die erwachten Insassen zwitschernd ihre Köpfchen aus den<lb/>
wohligen Schwebebetteu herausstrecken. Auf dem Hofe ist noch alles still, bis<lb/>
sich endlich die luckenartige Thür einer der Hütten öffnet, und gebückt ein Neger<lb/>
sich aus ihr herauszwängt. Er ist der Dolmetsch oder Liugster, er vermittelt<lb/>
den Verkehr zwischen dem Weißen und den Eingeborenen und spielt gleichzeitig<lb/>
eine Art von Aufseherrolle in der Faktorei. Noch schlaftrunken reibt er sich<lb/>
die Augen, schaut uach der Sonne, deren Aufgang sich in der über den Wald¬<lb/>
wipfeln ausstrahlenden Lichtfülle anzeigt und schlendert zum Fluß, sich an dessen<lb/>
flachem Ufer zu waschen. Schnell, aber gründlich ist das geschehen, und sich<lb/>
in seine Tücher sullent, schreitet der Schwarze zum Wohnhaus hinüber, an<lb/>
dessen einer Ecke eine hölzerne Klapper hängt. Laut rasselt das Zeichen des<lb/>
Tagesanbruchs und des Beginns der Arbeit, und widerlich trompetend rauscht<lb/>
langsamen Flügelschlages ein aufgeschreckter Nashornvogel über den Fluß<lb/>
hinüber.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_61"> Eben steigt die Sonne strahlend empor und ziert das Grün an Baum<lb/>
und Strauch verschwenderisch mit hellerglänzendem Thautropfenschmuck, als<lb/>
auch aus den übrigen Hütten die Krumauos erscheinen, schnell ihre Waschung<lb/>
vornehmen und dann zusammengeschaart auf ihren Herrn und dessen Befehle<lb/>
harren. Die Thür des Wohnhauses öffnet sich, und in weite Schlafhosen, ein<lb/>
faltenreiches Hemd, Strümpfe und Morgenschuhe gekleidet, erscheint der Weiße.<lb/>
Er würde eine stattliche Erscheinung abgeben, wenn er nicht so haltungslos<lb/>
und faul daherschlürfte; auch fein Antlitz ist ausdruckslos, die Augen blicken<lb/>
matt und verdrossen drein und nur die tiefen Furchen in dem gelbgrauen Ge¬<lb/>
ficht erzählen von Leidenschaften; Unmuth spricht aus den Zügen, vielleicht<lb/>
darüber, daß wieder einmal ein Tag begonnen. &#x2014; Die Arbeit ist bald ver¬<lb/>
theilt: Diese haben Palmöl zu kochen, Jene es in Fässer zu füllen, noch Andere<lb/>
Palmenkerne zu verpacken und der Dolmetsch hat alles zu beaufsichtigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_62" next="#ID_63"> Laut schallt nun der Ruf über den Hof: &#x201E;mois^iss, ooswtioiro, o odü,;<lb/>
Moleques, Koch, den Thee! Ihr Taugenichtse, Hunde, Negros, seid ihr noch<lb/>
uicht damit fertig?!" Und nicht lange darauf eilen Hausdiener und Koch,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0026] Säulenstamm nur ein Schöpf Blattrippen krönt, an denen die Kngelnester hin und herschwanken. — Greifen wir einen Tag aus dem Leben des hier gefesselten Weißen heraus und denken wir uns eine ihm endlos scheinende Anzahl gleicher Tage anein¬ ander gereiht, so haben wir ein treues Bild seines Daseins. Noch dämmert die letzte Stunde der Nacht über der schlafenden Erde, Stille und Ruhe athmet die Natur, nur der Strom rauscht sein eintönig Lied. Aber das allmälig verblassende Licht der Sterne kündet die Nähe des Tages; ein Windhauch spielt in der Ruthcnkrone jener Oelpalme am Ufer, daß die Nester schaukeln und die erwachten Insassen zwitschernd ihre Köpfchen aus den wohligen Schwebebetteu herausstrecken. Auf dem Hofe ist noch alles still, bis sich endlich die luckenartige Thür einer der Hütten öffnet, und gebückt ein Neger sich aus ihr herauszwängt. Er ist der Dolmetsch oder Liugster, er vermittelt den Verkehr zwischen dem Weißen und den Eingeborenen und spielt gleichzeitig eine Art von Aufseherrolle in der Faktorei. Noch schlaftrunken reibt er sich die Augen, schaut uach der Sonne, deren Aufgang sich in der über den Wald¬ wipfeln ausstrahlenden Lichtfülle anzeigt und schlendert zum Fluß, sich an dessen flachem Ufer zu waschen. Schnell, aber gründlich ist das geschehen, und sich in seine Tücher sullent, schreitet der Schwarze zum Wohnhaus hinüber, an dessen einer Ecke eine hölzerne Klapper hängt. Laut rasselt das Zeichen des Tagesanbruchs und des Beginns der Arbeit, und widerlich trompetend rauscht langsamen Flügelschlages ein aufgeschreckter Nashornvogel über den Fluß hinüber. Eben steigt die Sonne strahlend empor und ziert das Grün an Baum und Strauch verschwenderisch mit hellerglänzendem Thautropfenschmuck, als auch aus den übrigen Hütten die Krumauos erscheinen, schnell ihre Waschung vornehmen und dann zusammengeschaart auf ihren Herrn und dessen Befehle harren. Die Thür des Wohnhauses öffnet sich, und in weite Schlafhosen, ein faltenreiches Hemd, Strümpfe und Morgenschuhe gekleidet, erscheint der Weiße. Er würde eine stattliche Erscheinung abgeben, wenn er nicht so haltungslos und faul daherschlürfte; auch fein Antlitz ist ausdruckslos, die Augen blicken matt und verdrossen drein und nur die tiefen Furchen in dem gelbgrauen Ge¬ ficht erzählen von Leidenschaften; Unmuth spricht aus den Zügen, vielleicht darüber, daß wieder einmal ein Tag begonnen. — Die Arbeit ist bald ver¬ theilt: Diese haben Palmöl zu kochen, Jene es in Fässer zu füllen, noch Andere Palmenkerne zu verpacken und der Dolmetsch hat alles zu beaufsichtigen. Laut schallt nun der Ruf über den Hof: „mois^iss, ooswtioiro, o odü,; Moleques, Koch, den Thee! Ihr Taugenichtse, Hunde, Negros, seid ihr noch uicht damit fertig?!" Und nicht lange darauf eilen Hausdiener und Koch,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/26
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/26>, abgerufen am 25.08.2024.