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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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der Verbindung der Admiralswürde mit dem römischen Bürgermeisteramte zu
machen hatte. Die schwersten Flottenverluste führten weder die Karthager
noch die Stürme herbei, sondern der anmaßliche Unverstand der Konsuln,
welche enragirte Landratten waren und doch die Rathschläge der Seeleute
geringschätzten. Indessen auch zu Lande erwies man sich den großen Auf¬
gaben nicht gewachsen. Regulus war in seiner Art ein erprobter Führer;
aber er theilte die Anschauung aller seiner Landsleute, daß es lediglich auf
taktische Ueberlegenheit ankomme. Das Glück warf ihm die Erfolge in den
Schooß; er war im Jahre 256 genau dahin gelangt, wo fünfzig Jahr später
Scipio stand, ohne wie dieser einen Hannibal und ein erprobtes Heer sich
gegenüber zu haben. Allein ebenso wie der Senat das halbe Heer zurückzog,
sobald er sich von der taktischen Ueberlegenheit der Römer überzeugt hatte, so
schlägt sich Regulus in blindem Vertrauen auf die taktische Kraft der Legion,
wann und wo der Feind es wünscht.

Wenn trotz dieser Mängel der Krieg für Rom einen günstigen Ausgang
nahm, so ist das einerseits der unvergleichlichen Ausdauer und der treuen Hin¬
gebung seiner Bürger, andererseits aber dem Umstände zuzuschreiben, daß die
Mängel und Fehler auf gegnerischer Seite noch größer waren.

In einer Hinsicht allerdings erscheinen die Karthager den Römern über¬
legen. Sie hatten sich früh davon überzeugt, daß ausgedehnte Kriegsunter-
nehmungeu zu glücklichem Ende nur von solchen Männern geführt werden
können, welche Könige in ihrem Heere sind. Ein Jahrhundert lang standen
Glieder der Familie Magos an der Spitze der finnischen Streitkraft, und ihrer
Führung verdankte Karthago die Begründung seiner Herrschaft anf Sizilien
und Sardinien. Den Magos folgten dann die Barkiden, das Geschlecht Ha-
milkar's und Hannibal's. Diese Männer waren den römischen Konsuln meist
weit überlegen, und sie konnten es sein; denn sie führten das Kommando lange
Zeit und vermochten also, große Pläne zu entwerfen, vorzubereiten und durch¬
zuführen.

Aber dieser Vortheil wurde wett gemacht durch die entsetzlichen Uebel,
welche das karthagische Sölduerwesen im Gefolge hatte. In der Unzuver-
lässigkeit der gemietheten Mannschaft, unter der die Gallier die zahlreichsten und
unzuverlässigsten gewesen zu sein scheinen, lag die größte Schwäche der puni-
schen Kriegsführung. Nur vorübergehend gelang es Männern wie Hamilkar
Barkas sie in leidlicher Mannszucht zu halten; im Ganzen genommen wimmelt
die Geschichte des Krieges von widerwärtigen Zügen der Unbotmäßigkeit,
Meuterei und Verrätherei auf Seiten der Söldner, von Undank, Treulosigkeit
und Grausamkeit auf Seiten der Phöniker. Wenn die Söldner mit dem Feinde
verhandelten, den ihnen anvertrauten Posten übergaben, ihre Feldherren aus-


der Verbindung der Admiralswürde mit dem römischen Bürgermeisteramte zu
machen hatte. Die schwersten Flottenverluste führten weder die Karthager
noch die Stürme herbei, sondern der anmaßliche Unverstand der Konsuln,
welche enragirte Landratten waren und doch die Rathschläge der Seeleute
geringschätzten. Indessen auch zu Lande erwies man sich den großen Auf¬
gaben nicht gewachsen. Regulus war in seiner Art ein erprobter Führer;
aber er theilte die Anschauung aller seiner Landsleute, daß es lediglich auf
taktische Ueberlegenheit ankomme. Das Glück warf ihm die Erfolge in den
Schooß; er war im Jahre 256 genau dahin gelangt, wo fünfzig Jahr später
Scipio stand, ohne wie dieser einen Hannibal und ein erprobtes Heer sich
gegenüber zu haben. Allein ebenso wie der Senat das halbe Heer zurückzog,
sobald er sich von der taktischen Ueberlegenheit der Römer überzeugt hatte, so
schlägt sich Regulus in blindem Vertrauen auf die taktische Kraft der Legion,
wann und wo der Feind es wünscht.

Wenn trotz dieser Mängel der Krieg für Rom einen günstigen Ausgang
nahm, so ist das einerseits der unvergleichlichen Ausdauer und der treuen Hin¬
gebung seiner Bürger, andererseits aber dem Umstände zuzuschreiben, daß die
Mängel und Fehler auf gegnerischer Seite noch größer waren.

In einer Hinsicht allerdings erscheinen die Karthager den Römern über¬
legen. Sie hatten sich früh davon überzeugt, daß ausgedehnte Kriegsunter-
nehmungeu zu glücklichem Ende nur von solchen Männern geführt werden
können, welche Könige in ihrem Heere sind. Ein Jahrhundert lang standen
Glieder der Familie Magos an der Spitze der finnischen Streitkraft, und ihrer
Führung verdankte Karthago die Begründung seiner Herrschaft anf Sizilien
und Sardinien. Den Magos folgten dann die Barkiden, das Geschlecht Ha-
milkar's und Hannibal's. Diese Männer waren den römischen Konsuln meist
weit überlegen, und sie konnten es sein; denn sie führten das Kommando lange
Zeit und vermochten also, große Pläne zu entwerfen, vorzubereiten und durch¬
zuführen.

Aber dieser Vortheil wurde wett gemacht durch die entsetzlichen Uebel,
welche das karthagische Sölduerwesen im Gefolge hatte. In der Unzuver-
lässigkeit der gemietheten Mannschaft, unter der die Gallier die zahlreichsten und
unzuverlässigsten gewesen zu sein scheinen, lag die größte Schwäche der puni-
schen Kriegsführung. Nur vorübergehend gelang es Männern wie Hamilkar
Barkas sie in leidlicher Mannszucht zu halten; im Ganzen genommen wimmelt
die Geschichte des Krieges von widerwärtigen Zügen der Unbotmäßigkeit,
Meuterei und Verrätherei auf Seiten der Söldner, von Undank, Treulosigkeit
und Grausamkeit auf Seiten der Phöniker. Wenn die Söldner mit dem Feinde
verhandelten, den ihnen anvertrauten Posten übergaben, ihre Feldherren aus-


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[0259] der Verbindung der Admiralswürde mit dem römischen Bürgermeisteramte zu machen hatte. Die schwersten Flottenverluste führten weder die Karthager noch die Stürme herbei, sondern der anmaßliche Unverstand der Konsuln, welche enragirte Landratten waren und doch die Rathschläge der Seeleute geringschätzten. Indessen auch zu Lande erwies man sich den großen Auf¬ gaben nicht gewachsen. Regulus war in seiner Art ein erprobter Führer; aber er theilte die Anschauung aller seiner Landsleute, daß es lediglich auf taktische Ueberlegenheit ankomme. Das Glück warf ihm die Erfolge in den Schooß; er war im Jahre 256 genau dahin gelangt, wo fünfzig Jahr später Scipio stand, ohne wie dieser einen Hannibal und ein erprobtes Heer sich gegenüber zu haben. Allein ebenso wie der Senat das halbe Heer zurückzog, sobald er sich von der taktischen Ueberlegenheit der Römer überzeugt hatte, so schlägt sich Regulus in blindem Vertrauen auf die taktische Kraft der Legion, wann und wo der Feind es wünscht. Wenn trotz dieser Mängel der Krieg für Rom einen günstigen Ausgang nahm, so ist das einerseits der unvergleichlichen Ausdauer und der treuen Hin¬ gebung seiner Bürger, andererseits aber dem Umstände zuzuschreiben, daß die Mängel und Fehler auf gegnerischer Seite noch größer waren. In einer Hinsicht allerdings erscheinen die Karthager den Römern über¬ legen. Sie hatten sich früh davon überzeugt, daß ausgedehnte Kriegsunter- nehmungeu zu glücklichem Ende nur von solchen Männern geführt werden können, welche Könige in ihrem Heere sind. Ein Jahrhundert lang standen Glieder der Familie Magos an der Spitze der finnischen Streitkraft, und ihrer Führung verdankte Karthago die Begründung seiner Herrschaft anf Sizilien und Sardinien. Den Magos folgten dann die Barkiden, das Geschlecht Ha- milkar's und Hannibal's. Diese Männer waren den römischen Konsuln meist weit überlegen, und sie konnten es sein; denn sie führten das Kommando lange Zeit und vermochten also, große Pläne zu entwerfen, vorzubereiten und durch¬ zuführen. Aber dieser Vortheil wurde wett gemacht durch die entsetzlichen Uebel, welche das karthagische Sölduerwesen im Gefolge hatte. In der Unzuver- lässigkeit der gemietheten Mannschaft, unter der die Gallier die zahlreichsten und unzuverlässigsten gewesen zu sein scheinen, lag die größte Schwäche der puni- schen Kriegsführung. Nur vorübergehend gelang es Männern wie Hamilkar Barkas sie in leidlicher Mannszucht zu halten; im Ganzen genommen wimmelt die Geschichte des Krieges von widerwärtigen Zügen der Unbotmäßigkeit, Meuterei und Verrätherei auf Seiten der Söldner, von Undank, Treulosigkeit und Grausamkeit auf Seiten der Phöniker. Wenn die Söldner mit dem Feinde verhandelten, den ihnen anvertrauten Posten übergaben, ihre Feldherren aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/259>, abgerufen am 22.07.2024.