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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Dienste der Legionen blieb der Schiffsdienst stets gering geschätzt. Unterthanen
oder gar Sklaven bildeten die Bemannung, hellenische Jtalioten das Offizier¬
korps. Der italische Bauer war wasserscheu, und leugnen läßt sich nicht, daß
der Schiffsdienst, so lange es sich um Rndergaleeren handelt, wenig Anlockendes
und Edles hat. Dennoch hätte man feste Seelegionen aufstellen und wenig¬
stens ein echtrömisches Seeoffizierkorps bilden können. Nichts von alledem
geschah; niemals haben die Römer nach dem finnischen Kriege wieder Flotten
ausgerüstet, wie sie bei Mhlae und Eknomos kämpften, und daß sie sich in
der Folge, zu den Zeiten ihrer unumschränkten Macht die Seeräuber über den
Kopf wachsen ließen, bis der Hauptstadt selbst die Zufuhr abgeschnitten ward
und die kampanischen Landsitze nicht mehr sicher waren, ist eine Schande.
Unverkennbar nimmt mit der Abnahme des Hellenismus in Italien auch die
römische Seeherrschaft wieder ab. Dennoch ist das römische Flottenwesen in
seiner unbehilflichen Großartigkeit immer noch die hervorragendste Schöpfung
dieses langen Krieges.") Schlimm waren die Mängel der Heerführung, welche
in der Staatsverfassung wurzelten. Bei Beginn des Krieges fehlte jeder Be¬
griff von der Größe des Unternehmens, in das man sich einließ; nach und
nach aber drängte sich die Unzulänglichkeit des römischen Systemes auf: die
wirthschaftlichen Schwierigkeiten, welche mit der allgemeinen Wehrpflicht bei
so lange andauernden Kriegen unvermeidlich verbunden sind, das Fehlen fester
Oberleitung, der Mangel militärischer Fachbildung bei den Konsuln namentlich
für den Seekrieg, und endlich der Schaden, der aus dem jährlichen Wechsel
der Feldherren entsprang.

Die dem Pfluge und den Ihrigen entzogenen Bauern zeigten sich schwierig,
wenn man sie im Herbst bei der Fahne behalten, wenn man sie über die See
nach Afrika führen wollte. Man mußte zu dem Mittelwege schreiten, wenig¬
stens ein konsularisches Heer jährlich aus Sizilien nach Rom zurückkommen
zu lassen; aber der Zwang, die Ueberwinterung auf dem Kriegsschauplatze auf
nur 2 Legionen zu beschränken, hatte natürlich große Nachtheile für die
Operationen, und selbst die Verlängerung der ununterbrochenen Dienstzeit auf
IV2 Jahr stieß schon auf sozialpolitische Schwierigkeiten. Um den Soldaten
für die längere Abwesenheit so viel als möglich schadlos zu halten, dienten
zwei Mittel: die Überlassung der Beute und die Entschädigungen nach Ablauf
der Dienstzeit. Die Aussicht auf Beute milderte die Schroffheit der allge¬
meinen Wehrpflicht und lockte Freiwillige an; sie war auch schon früher vor¬
gekommen; aber erst im sizilischen Kriege wurde die Ueberlassung der Beute
ein regelmäßiger Brauch, ein Recht der Truppen. Das zweite Mittel, den



->) Mommsen a. n, O,
Grenzboten III. 1878.^

Dienste der Legionen blieb der Schiffsdienst stets gering geschätzt. Unterthanen
oder gar Sklaven bildeten die Bemannung, hellenische Jtalioten das Offizier¬
korps. Der italische Bauer war wasserscheu, und leugnen läßt sich nicht, daß
der Schiffsdienst, so lange es sich um Rndergaleeren handelt, wenig Anlockendes
und Edles hat. Dennoch hätte man feste Seelegionen aufstellen und wenig¬
stens ein echtrömisches Seeoffizierkorps bilden können. Nichts von alledem
geschah; niemals haben die Römer nach dem finnischen Kriege wieder Flotten
ausgerüstet, wie sie bei Mhlae und Eknomos kämpften, und daß sie sich in
der Folge, zu den Zeiten ihrer unumschränkten Macht die Seeräuber über den
Kopf wachsen ließen, bis der Hauptstadt selbst die Zufuhr abgeschnitten ward
und die kampanischen Landsitze nicht mehr sicher waren, ist eine Schande.
Unverkennbar nimmt mit der Abnahme des Hellenismus in Italien auch die
römische Seeherrschaft wieder ab. Dennoch ist das römische Flottenwesen in
seiner unbehilflichen Großartigkeit immer noch die hervorragendste Schöpfung
dieses langen Krieges.") Schlimm waren die Mängel der Heerführung, welche
in der Staatsverfassung wurzelten. Bei Beginn des Krieges fehlte jeder Be¬
griff von der Größe des Unternehmens, in das man sich einließ; nach und
nach aber drängte sich die Unzulänglichkeit des römischen Systemes auf: die
wirthschaftlichen Schwierigkeiten, welche mit der allgemeinen Wehrpflicht bei
so lange andauernden Kriegen unvermeidlich verbunden sind, das Fehlen fester
Oberleitung, der Mangel militärischer Fachbildung bei den Konsuln namentlich
für den Seekrieg, und endlich der Schaden, der aus dem jährlichen Wechsel
der Feldherren entsprang.

Die dem Pfluge und den Ihrigen entzogenen Bauern zeigten sich schwierig,
wenn man sie im Herbst bei der Fahne behalten, wenn man sie über die See
nach Afrika führen wollte. Man mußte zu dem Mittelwege schreiten, wenig¬
stens ein konsularisches Heer jährlich aus Sizilien nach Rom zurückkommen
zu lassen; aber der Zwang, die Ueberwinterung auf dem Kriegsschauplatze auf
nur 2 Legionen zu beschränken, hatte natürlich große Nachtheile für die
Operationen, und selbst die Verlängerung der ununterbrochenen Dienstzeit auf
IV2 Jahr stieß schon auf sozialpolitische Schwierigkeiten. Um den Soldaten
für die längere Abwesenheit so viel als möglich schadlos zu halten, dienten
zwei Mittel: die Überlassung der Beute und die Entschädigungen nach Ablauf
der Dienstzeit. Die Aussicht auf Beute milderte die Schroffheit der allge¬
meinen Wehrpflicht und lockte Freiwillige an; sie war auch schon früher vor¬
gekommen; aber erst im sizilischen Kriege wurde die Ueberlassung der Beute
ein regelmäßiger Brauch, ein Recht der Truppen. Das zweite Mittel, den



->) Mommsen a. n, O,
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[0257] Dienste der Legionen blieb der Schiffsdienst stets gering geschätzt. Unterthanen oder gar Sklaven bildeten die Bemannung, hellenische Jtalioten das Offizier¬ korps. Der italische Bauer war wasserscheu, und leugnen läßt sich nicht, daß der Schiffsdienst, so lange es sich um Rndergaleeren handelt, wenig Anlockendes und Edles hat. Dennoch hätte man feste Seelegionen aufstellen und wenig¬ stens ein echtrömisches Seeoffizierkorps bilden können. Nichts von alledem geschah; niemals haben die Römer nach dem finnischen Kriege wieder Flotten ausgerüstet, wie sie bei Mhlae und Eknomos kämpften, und daß sie sich in der Folge, zu den Zeiten ihrer unumschränkten Macht die Seeräuber über den Kopf wachsen ließen, bis der Hauptstadt selbst die Zufuhr abgeschnitten ward und die kampanischen Landsitze nicht mehr sicher waren, ist eine Schande. Unverkennbar nimmt mit der Abnahme des Hellenismus in Italien auch die römische Seeherrschaft wieder ab. Dennoch ist das römische Flottenwesen in seiner unbehilflichen Großartigkeit immer noch die hervorragendste Schöpfung dieses langen Krieges.") Schlimm waren die Mängel der Heerführung, welche in der Staatsverfassung wurzelten. Bei Beginn des Krieges fehlte jeder Be¬ griff von der Größe des Unternehmens, in das man sich einließ; nach und nach aber drängte sich die Unzulänglichkeit des römischen Systemes auf: die wirthschaftlichen Schwierigkeiten, welche mit der allgemeinen Wehrpflicht bei so lange andauernden Kriegen unvermeidlich verbunden sind, das Fehlen fester Oberleitung, der Mangel militärischer Fachbildung bei den Konsuln namentlich für den Seekrieg, und endlich der Schaden, der aus dem jährlichen Wechsel der Feldherren entsprang. Die dem Pfluge und den Ihrigen entzogenen Bauern zeigten sich schwierig, wenn man sie im Herbst bei der Fahne behalten, wenn man sie über die See nach Afrika führen wollte. Man mußte zu dem Mittelwege schreiten, wenig¬ stens ein konsularisches Heer jährlich aus Sizilien nach Rom zurückkommen zu lassen; aber der Zwang, die Ueberwinterung auf dem Kriegsschauplatze auf nur 2 Legionen zu beschränken, hatte natürlich große Nachtheile für die Operationen, und selbst die Verlängerung der ununterbrochenen Dienstzeit auf IV2 Jahr stieß schon auf sozialpolitische Schwierigkeiten. Um den Soldaten für die längere Abwesenheit so viel als möglich schadlos zu halten, dienten zwei Mittel: die Überlassung der Beute und die Entschädigungen nach Ablauf der Dienstzeit. Die Aussicht auf Beute milderte die Schroffheit der allge¬ meinen Wehrpflicht und lockte Freiwillige an; sie war auch schon früher vor¬ gekommen; aber erst im sizilischen Kriege wurde die Ueberlassung der Beute ein regelmäßiger Brauch, ein Recht der Truppen. Das zweite Mittel, den ->) Mommsen a. n, O, Grenzboten III. 1878.^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/257>, abgerufen am 22.07.2024.