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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Arm sich nach und nach aus, und das verarmende Karthago ermattete früher
als das niemals reich gewesene Rom.*)

Der Unterschied in der finanziellen Leistungsfähigkeit beider Staaten war
um so wichtiger, als der Krieg zum großen Theile zur See ausgekämpft wurde
und die Ausrüstung von Flotten ja stets weit kostspieliger ist als die Auf¬
stellung von Landheeren, besonders für einen Staat, der wie Rom überhaupt
zum ersten Male als Seemacht auftrat. Man begreift die Leistungsfähigkeit
Rom's auch nnr dann, wenn man sich erinnert, daß ihm die maritimen und
die pecuniären Kräfte von sämmtlichen griechischen Staaten Italien's und zuletzt
auch die von Syrakus zur Verfügung standen, und daß in jener Zeit der
Kindheit der Schiffahrt die Flotten noch nicht bleibendes Erbgut der Nationen
waren, sondern sich herstellen ließen, wo es Bäume, Eisen und Wasser gab.

Die Taktik des antiken Seekrieges bestand darin, daß man dem feindlichen
Schiffe die Langseite abzugewinnen und auf diese mit aller Wucht losfahrend
es in den Grund zu bohren suchte. Zu diesem Zwecke führten die Schiffe am
Vordertheile unter der Wasserlinie scharfe Schnäbel von Eisen, welche in die
hölzernen Seiten der gegnerischen Fahrzeuge eindrangen und sie leck machten.
Es kam also alles darauf an, daß der Kapitän fein Schiff völlig in der Ge¬
walt hatte, um mit der größten Schnelligkeit ausweichen, schwenken und zu¬
stoßen zu können. Der Kampf mit Geschossen vom Verdeck aus hatte ganz
untergeordnete Bedeutung; auch die Schiffsartillerie spielt nur eine Nebenrolle;
in der Kühnheit und Gewandtheit der Schiffsmanöver lag das Geheimniß des
Sieges, und eben darin waren die Karthager Meister.

Es ist nun ein echt römischer Gedencke, ebenso konsequent wie genial, die
nautische Inferiorität auszugleichen, indem man das Landgefecht ans den See¬
krieg übertrug. Die Erfindung der Enterbrücken bezeichnet den ersten römischen
Seesieg, den des Gains Duilius an der Landspitze von Mylae (no. Messana's)
260. Die Hälfte der karthagischen Flotte, mehr als 50 Schiffe, wurde ver¬
senkt oder genommen; Rom war plötzlich eine Seemacht geworden und hatte
die Mittel in der Hand, den Krieg energisch zu Ende zu führen.

Vier Jahre nach dem Siege des Duilius erfochten die römischen Flotten
den weit größeren Triumph bei Eknomos und übertrugen nun den Krieg nach
Afrika. Hier aber erlitten sie, wesentlich in Folge der schlechten Dispositionen
ihres Feldherrn Regulus, im Jahre 255 eine vollkommene Niederlage durch
den im punischen Dienste stehenden spartanischen Feldherrn Xanthippos, einen
Mann von großem Organisationstalent und hoher strategischer Einsicht.
Nun ergriff Karthago die Offensive, und für die Römer folgte in dem langen



*) Monunsm a, a. O.

Arm sich nach und nach aus, und das verarmende Karthago ermattete früher
als das niemals reich gewesene Rom.*)

Der Unterschied in der finanziellen Leistungsfähigkeit beider Staaten war
um so wichtiger, als der Krieg zum großen Theile zur See ausgekämpft wurde
und die Ausrüstung von Flotten ja stets weit kostspieliger ist als die Auf¬
stellung von Landheeren, besonders für einen Staat, der wie Rom überhaupt
zum ersten Male als Seemacht auftrat. Man begreift die Leistungsfähigkeit
Rom's auch nnr dann, wenn man sich erinnert, daß ihm die maritimen und
die pecuniären Kräfte von sämmtlichen griechischen Staaten Italien's und zuletzt
auch die von Syrakus zur Verfügung standen, und daß in jener Zeit der
Kindheit der Schiffahrt die Flotten noch nicht bleibendes Erbgut der Nationen
waren, sondern sich herstellen ließen, wo es Bäume, Eisen und Wasser gab.

Die Taktik des antiken Seekrieges bestand darin, daß man dem feindlichen
Schiffe die Langseite abzugewinnen und auf diese mit aller Wucht losfahrend
es in den Grund zu bohren suchte. Zu diesem Zwecke führten die Schiffe am
Vordertheile unter der Wasserlinie scharfe Schnäbel von Eisen, welche in die
hölzernen Seiten der gegnerischen Fahrzeuge eindrangen und sie leck machten.
Es kam also alles darauf an, daß der Kapitän fein Schiff völlig in der Ge¬
walt hatte, um mit der größten Schnelligkeit ausweichen, schwenken und zu¬
stoßen zu können. Der Kampf mit Geschossen vom Verdeck aus hatte ganz
untergeordnete Bedeutung; auch die Schiffsartillerie spielt nur eine Nebenrolle;
in der Kühnheit und Gewandtheit der Schiffsmanöver lag das Geheimniß des
Sieges, und eben darin waren die Karthager Meister.

Es ist nun ein echt römischer Gedencke, ebenso konsequent wie genial, die
nautische Inferiorität auszugleichen, indem man das Landgefecht ans den See¬
krieg übertrug. Die Erfindung der Enterbrücken bezeichnet den ersten römischen
Seesieg, den des Gains Duilius an der Landspitze von Mylae (no. Messana's)
260. Die Hälfte der karthagischen Flotte, mehr als 50 Schiffe, wurde ver¬
senkt oder genommen; Rom war plötzlich eine Seemacht geworden und hatte
die Mittel in der Hand, den Krieg energisch zu Ende zu führen.

Vier Jahre nach dem Siege des Duilius erfochten die römischen Flotten
den weit größeren Triumph bei Eknomos und übertrugen nun den Krieg nach
Afrika. Hier aber erlitten sie, wesentlich in Folge der schlechten Dispositionen
ihres Feldherrn Regulus, im Jahre 255 eine vollkommene Niederlage durch
den im punischen Dienste stehenden spartanischen Feldherrn Xanthippos, einen
Mann von großem Organisationstalent und hoher strategischer Einsicht.
Nun ergriff Karthago die Offensive, und für die Römer folgte in dem langen



*) Monunsm a, a. O.
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[0254] Arm sich nach und nach aus, und das verarmende Karthago ermattete früher als das niemals reich gewesene Rom.*) Der Unterschied in der finanziellen Leistungsfähigkeit beider Staaten war um so wichtiger, als der Krieg zum großen Theile zur See ausgekämpft wurde und die Ausrüstung von Flotten ja stets weit kostspieliger ist als die Auf¬ stellung von Landheeren, besonders für einen Staat, der wie Rom überhaupt zum ersten Male als Seemacht auftrat. Man begreift die Leistungsfähigkeit Rom's auch nnr dann, wenn man sich erinnert, daß ihm die maritimen und die pecuniären Kräfte von sämmtlichen griechischen Staaten Italien's und zuletzt auch die von Syrakus zur Verfügung standen, und daß in jener Zeit der Kindheit der Schiffahrt die Flotten noch nicht bleibendes Erbgut der Nationen waren, sondern sich herstellen ließen, wo es Bäume, Eisen und Wasser gab. Die Taktik des antiken Seekrieges bestand darin, daß man dem feindlichen Schiffe die Langseite abzugewinnen und auf diese mit aller Wucht losfahrend es in den Grund zu bohren suchte. Zu diesem Zwecke führten die Schiffe am Vordertheile unter der Wasserlinie scharfe Schnäbel von Eisen, welche in die hölzernen Seiten der gegnerischen Fahrzeuge eindrangen und sie leck machten. Es kam also alles darauf an, daß der Kapitän fein Schiff völlig in der Ge¬ walt hatte, um mit der größten Schnelligkeit ausweichen, schwenken und zu¬ stoßen zu können. Der Kampf mit Geschossen vom Verdeck aus hatte ganz untergeordnete Bedeutung; auch die Schiffsartillerie spielt nur eine Nebenrolle; in der Kühnheit und Gewandtheit der Schiffsmanöver lag das Geheimniß des Sieges, und eben darin waren die Karthager Meister. Es ist nun ein echt römischer Gedencke, ebenso konsequent wie genial, die nautische Inferiorität auszugleichen, indem man das Landgefecht ans den See¬ krieg übertrug. Die Erfindung der Enterbrücken bezeichnet den ersten römischen Seesieg, den des Gains Duilius an der Landspitze von Mylae (no. Messana's) 260. Die Hälfte der karthagischen Flotte, mehr als 50 Schiffe, wurde ver¬ senkt oder genommen; Rom war plötzlich eine Seemacht geworden und hatte die Mittel in der Hand, den Krieg energisch zu Ende zu führen. Vier Jahre nach dem Siege des Duilius erfochten die römischen Flotten den weit größeren Triumph bei Eknomos und übertrugen nun den Krieg nach Afrika. Hier aber erlitten sie, wesentlich in Folge der schlechten Dispositionen ihres Feldherrn Regulus, im Jahre 255 eine vollkommene Niederlage durch den im punischen Dienste stehenden spartanischen Feldherrn Xanthippos, einen Mann von großem Organisationstalent und hoher strategischer Einsicht. Nun ergriff Karthago die Offensive, und für die Römer folgte in dem langen *) Monunsm a, a. O.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/254>, abgerufen am 22.07.2024.