Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.immerhin den Anfang einer schöneren Zukunft der bisher von den Türken Beginnen wir unsre Umschau im Nordwesten, so sehen wir, daß die Pro¬ Grenzboten III. 1873. 30
immerhin den Anfang einer schöneren Zukunft der bisher von den Türken Beginnen wir unsre Umschau im Nordwesten, so sehen wir, daß die Pro¬ Grenzboten III. 1873. 30
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0241" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140592"/> <p xml:id="ID_731" prev="#ID_730"> immerhin den Anfang einer schöneren Zukunft der bisher von den Türken<lb/> unterdrückten slavischen Völker. Das Nationalitätsprinzip, das in unserer Zeit<lb/> der politischen Neugestaltung Enropa's, namentlich der Herstellung des König¬<lb/> reichs Italien und des deutschen Reichs zu Grunde gelegen hat, mußte auf<lb/> der Balkanhalbinsel, wo eine änßerst bewegte Geschichte im Laufe von Jahr¬<lb/> hunderten das bunteste Völker-Konglomerat zu Stande brachte, eine Auflösung<lb/> des von den Türken mühsam zusammengehaltenen Länder-Komplexes in seine<lb/> ethnographischen Elemente bedingen, sobald die Macht der Türken gebrochen<lb/> war. Bietet in dieser Beziehung auch die Neugestaltung der Türkei nach dem<lb/> Berliner Frieden vom 13. Juli uicht soviel wie der Frieden von San Stefano<lb/> vom 3. März, so siud doch immerhin auch bei ersterem die Grenzen der Na¬<lb/> tionalitäten mit maßgebend gewesen, wie eine Vergleichung mit der ethnogra¬<lb/> phischen Karte des europäischen Orientes von Heinrich Kiepert zeigt, unbedingt<lb/> der besten Arbeit, welche wir auf diesem schwierigen Felde besitzen und die<lb/> auch wir bei der nachstehenden Uebersicht der neuen Gebietsveränderungen auf<lb/> der Balkanhalbinsel zu Rathe gezogen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_732" next="#ID_733"> Beginnen wir unsre Umschau im Nordwesten, so sehen wir, daß die Pro¬<lb/> vinzen Bosnien und Herzegowina von Oesterreich-Ungarn „in Besitz<lb/> und Verwaltung" genommen sind. Oesterreich darf dort Garnisonen, Militär-<lb/> und Handelsstraßen einrichten, kurz sich häuslich niederlassen. Wie das Ver¬<lb/> hältniß Bosnien's zur österreichisch-ungarischen Gesammtmonarchie werden soll,<lb/> ist im Friedensinstrumente nicht gesagt, wie denn überhaupt die ganze Besitz¬<lb/> frage eine unklare ist und erst im Laufe der Zeit sich dahin präzisiren dürfte,<lb/> daß jene Provinzen völlig mit der Monarchie vereinigt werden. Während der<lb/> Frieden von San Stefano diese Landschaften, in welchen vor drei Jahren die<lb/> unerträgliche Bedrückung durch türkische Besteuerungstyrannei das Signal zum<lb/> Ausbruche des Kampfes gab, gänzlich unberücksichtigt ließ, sind sie nun vom<lb/> türkischen Hauptkörper abgetrennt worden. Allerdings nicht ganz, denn nach<lb/> Artikel 23 des Berliner Friedens bleibt das Sandschak Novi-Bazar unter<lb/> türkischer Verwaltung. Dieses Sandschak, welches sich nach Sttdosten zu bis<lb/> in die Gegend von Mitrvvitza, den Endpunkt der Salvnichi-Eisenbahn, erstreckt,<lb/> ist allerdings von besonderer Bedeutung, indem es nämlich die beiden Staaten<lb/> Montenegro und Serbien auseinanderhült und eine direkte Umgrenzung dieser<lb/> stammverwandten, türkenfeindlichen Länder verhindert. Das Sandschak Novi-<lb/> Bazar hätte sich ganz vorzüglich zur Vergrößerung Serbien's oder Montenegro's<lb/> geeignet, allein das österreichische Interesse widerstrebte einer Vergrößerung<lb/> jener beiden Länder nach dieser Richtung hin, und so mußte sür dieselben in<lb/> anderen Gebieten ein Zuwachs gesucht werden. Die Landschaften, welche jetzt<lb/> von den Oesterreichern besetzt wurden und wohl für immer für die Türken</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1873. 30</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0241]
immerhin den Anfang einer schöneren Zukunft der bisher von den Türken
unterdrückten slavischen Völker. Das Nationalitätsprinzip, das in unserer Zeit
der politischen Neugestaltung Enropa's, namentlich der Herstellung des König¬
reichs Italien und des deutschen Reichs zu Grunde gelegen hat, mußte auf
der Balkanhalbinsel, wo eine änßerst bewegte Geschichte im Laufe von Jahr¬
hunderten das bunteste Völker-Konglomerat zu Stande brachte, eine Auflösung
des von den Türken mühsam zusammengehaltenen Länder-Komplexes in seine
ethnographischen Elemente bedingen, sobald die Macht der Türken gebrochen
war. Bietet in dieser Beziehung auch die Neugestaltung der Türkei nach dem
Berliner Frieden vom 13. Juli uicht soviel wie der Frieden von San Stefano
vom 3. März, so siud doch immerhin auch bei ersterem die Grenzen der Na¬
tionalitäten mit maßgebend gewesen, wie eine Vergleichung mit der ethnogra¬
phischen Karte des europäischen Orientes von Heinrich Kiepert zeigt, unbedingt
der besten Arbeit, welche wir auf diesem schwierigen Felde besitzen und die
auch wir bei der nachstehenden Uebersicht der neuen Gebietsveränderungen auf
der Balkanhalbinsel zu Rathe gezogen haben.
Beginnen wir unsre Umschau im Nordwesten, so sehen wir, daß die Pro¬
vinzen Bosnien und Herzegowina von Oesterreich-Ungarn „in Besitz
und Verwaltung" genommen sind. Oesterreich darf dort Garnisonen, Militär-
und Handelsstraßen einrichten, kurz sich häuslich niederlassen. Wie das Ver¬
hältniß Bosnien's zur österreichisch-ungarischen Gesammtmonarchie werden soll,
ist im Friedensinstrumente nicht gesagt, wie denn überhaupt die ganze Besitz¬
frage eine unklare ist und erst im Laufe der Zeit sich dahin präzisiren dürfte,
daß jene Provinzen völlig mit der Monarchie vereinigt werden. Während der
Frieden von San Stefano diese Landschaften, in welchen vor drei Jahren die
unerträgliche Bedrückung durch türkische Besteuerungstyrannei das Signal zum
Ausbruche des Kampfes gab, gänzlich unberücksichtigt ließ, sind sie nun vom
türkischen Hauptkörper abgetrennt worden. Allerdings nicht ganz, denn nach
Artikel 23 des Berliner Friedens bleibt das Sandschak Novi-Bazar unter
türkischer Verwaltung. Dieses Sandschak, welches sich nach Sttdosten zu bis
in die Gegend von Mitrvvitza, den Endpunkt der Salvnichi-Eisenbahn, erstreckt,
ist allerdings von besonderer Bedeutung, indem es nämlich die beiden Staaten
Montenegro und Serbien auseinanderhült und eine direkte Umgrenzung dieser
stammverwandten, türkenfeindlichen Länder verhindert. Das Sandschak Novi-
Bazar hätte sich ganz vorzüglich zur Vergrößerung Serbien's oder Montenegro's
geeignet, allein das österreichische Interesse widerstrebte einer Vergrößerung
jener beiden Länder nach dieser Richtung hin, und so mußte sür dieselben in
anderen Gebieten ein Zuwachs gesucht werden. Die Landschaften, welche jetzt
von den Oesterreichern besetzt wurden und wohl für immer für die Türken
Grenzboten III. 1873. 30
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