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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Kräfte. Ihren Muth haben sie wiederholt in mancher tapferen Feldschlacht
gegen die Araber und Wangwana "unter ihrem napoleonischen Führer Mi-
rambo" bewiesen, "ihre Tüchtigkeit und Gewandtheit als Krieger, ihre Hart¬
näckigkeit bei der Verfolgung ihrer Absichten und ihre entschiedene Festigkeit
bei der Vertheidigung der Rechte ihres erwählten Häuptlings gegen die Fremde"
haben den Barden Zentral-Afrika's reichen Stoff für ihre Gesänge geliefert".")
Speke und Stanley verdanken den Wanyamwezi zu allermeist das Gelingen
ihrer Entdeckungsreisen. Stanley's Phantasie hält sogar den Tag nicht fern,
wo sie für etwas Besseres als die brauchbarsten Lastträger gehalten und "als
die guten Unterthanen irgend eines aufgeklärten Herrschers werden angesehen
werden, der sie als den Kern der großen afrikanischen Nation (!) zu weiterer
Entwickelung bringen und zum Besten des dunkeln Welttheils ebenso mächtig
und wirksam machen mag, wie sie unter der gegenwärtigen Lage der Dinge
zum Nachtheil und Schaden desselben zu werden drohen". Dieser Satz soll
offenbar mehr sein als eine prophetische Phrase. Er will sich wenden an die
angeblich zivilisatorische Mission der Regierung der ssiÄvIous qnocm der Briten
und sie ermuntern, die "wohlmeinende Herrschaft", welche der deutsche Süd¬
afrikareisende Ernst von Weber so einfach und wahrheitsgetreu in ihrer ganzen
Herzlosigkeit und Unreinheit schildert*), auch über die freien Völker Jnner-
afrika's anzutreten. Die Schilderungen, welche Stanley von den unermeßlichen
und mannigfaltigen Reichthümern und Reizen Jnnerafrika's, namentlich des
Stromgebietes des großen Congo entwirft, bilden gleichsam nur die Variatio¬
nen für dieses im Präludium seines Reisewerkes angeschlagene und an die
Adresse der britischen Natioualpolitik gerichteten Leitmotivs: "Greif zu"!

Auch die eingehende Schilderung der Künste des Feilschens und AbHan¬
delns beim Ankauf aller für die Reise nothwendigen Ausrüstungsgegenstände
und Vorräthe übergehen wir, desgleichen die Einzelheiten über die Auswahl
unter dem Massenangebot von Reisebegleitern. Hierbei verweilt Stanley mit
besonderer Befriedigung, weil er nach seiner Ansicht bei dieser Gelegenheit
seinen Scharfsinn und seine Menschenkenntniß besonders glänzend entfaltet.
Noch einmal sehen wir, wie in England, alle Krüppel, Lahmen, Schwind¬
süchtigen und, ausgedienter Alte", welche Zanzibar nur liefern konnte, ihm mit
der Bitte nahen, ihre schätzbaren Dienste anzunehmen. Dicht auf ihren Fersen




*) Das ist eine der, wie wir ausdrücklich bemerken, zahlreichen Stellen des Buches,
wo die Phantasie des Feuilletonisten Stanley mit der schlichten Treue des Forschers durch¬
geht. Die bedenklichste Leistung dieser Art ist das in Bild und Wort schon jetzt ver-
breitetste Abenteuer, das Stanley unter den wilden Unterthanen König Sabella's erlebt
haben will und auf dessen opernhafte UnWahrscheinlichkeit wir später eingehen werden.
**) Vier Jahre in Afrika. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1378.

Kräfte. Ihren Muth haben sie wiederholt in mancher tapferen Feldschlacht
gegen die Araber und Wangwana „unter ihrem napoleonischen Führer Mi-
rambo" bewiesen, „ihre Tüchtigkeit und Gewandtheit als Krieger, ihre Hart¬
näckigkeit bei der Verfolgung ihrer Absichten und ihre entschiedene Festigkeit
bei der Vertheidigung der Rechte ihres erwählten Häuptlings gegen die Fremde»
haben den Barden Zentral-Afrika's reichen Stoff für ihre Gesänge geliefert".")
Speke und Stanley verdanken den Wanyamwezi zu allermeist das Gelingen
ihrer Entdeckungsreisen. Stanley's Phantasie hält sogar den Tag nicht fern,
wo sie für etwas Besseres als die brauchbarsten Lastträger gehalten und „als
die guten Unterthanen irgend eines aufgeklärten Herrschers werden angesehen
werden, der sie als den Kern der großen afrikanischen Nation (!) zu weiterer
Entwickelung bringen und zum Besten des dunkeln Welttheils ebenso mächtig
und wirksam machen mag, wie sie unter der gegenwärtigen Lage der Dinge
zum Nachtheil und Schaden desselben zu werden drohen". Dieser Satz soll
offenbar mehr sein als eine prophetische Phrase. Er will sich wenden an die
angeblich zivilisatorische Mission der Regierung der ssiÄvIous qnocm der Briten
und sie ermuntern, die „wohlmeinende Herrschaft", welche der deutsche Süd¬
afrikareisende Ernst von Weber so einfach und wahrheitsgetreu in ihrer ganzen
Herzlosigkeit und Unreinheit schildert*), auch über die freien Völker Jnner-
afrika's anzutreten. Die Schilderungen, welche Stanley von den unermeßlichen
und mannigfaltigen Reichthümern und Reizen Jnnerafrika's, namentlich des
Stromgebietes des großen Congo entwirft, bilden gleichsam nur die Variatio¬
nen für dieses im Präludium seines Reisewerkes angeschlagene und an die
Adresse der britischen Natioualpolitik gerichteten Leitmotivs: „Greif zu"!

Auch die eingehende Schilderung der Künste des Feilschens und AbHan¬
delns beim Ankauf aller für die Reise nothwendigen Ausrüstungsgegenstände
und Vorräthe übergehen wir, desgleichen die Einzelheiten über die Auswahl
unter dem Massenangebot von Reisebegleitern. Hierbei verweilt Stanley mit
besonderer Befriedigung, weil er nach seiner Ansicht bei dieser Gelegenheit
seinen Scharfsinn und seine Menschenkenntniß besonders glänzend entfaltet.
Noch einmal sehen wir, wie in England, alle Krüppel, Lahmen, Schwind¬
süchtigen und, ausgedienter Alte», welche Zanzibar nur liefern konnte, ihm mit
der Bitte nahen, ihre schätzbaren Dienste anzunehmen. Dicht auf ihren Fersen




*) Das ist eine der, wie wir ausdrücklich bemerken, zahlreichen Stellen des Buches,
wo die Phantasie des Feuilletonisten Stanley mit der schlichten Treue des Forschers durch¬
geht. Die bedenklichste Leistung dieser Art ist das in Bild und Wort schon jetzt ver-
breitetste Abenteuer, das Stanley unter den wilden Unterthanen König Sabella's erlebt
haben will und auf dessen opernhafte UnWahrscheinlichkeit wir später eingehen werden.
**) Vier Jahre in Afrika. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1378.
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[0238] Kräfte. Ihren Muth haben sie wiederholt in mancher tapferen Feldschlacht gegen die Araber und Wangwana „unter ihrem napoleonischen Führer Mi- rambo" bewiesen, „ihre Tüchtigkeit und Gewandtheit als Krieger, ihre Hart¬ näckigkeit bei der Verfolgung ihrer Absichten und ihre entschiedene Festigkeit bei der Vertheidigung der Rechte ihres erwählten Häuptlings gegen die Fremde» haben den Barden Zentral-Afrika's reichen Stoff für ihre Gesänge geliefert".") Speke und Stanley verdanken den Wanyamwezi zu allermeist das Gelingen ihrer Entdeckungsreisen. Stanley's Phantasie hält sogar den Tag nicht fern, wo sie für etwas Besseres als die brauchbarsten Lastträger gehalten und „als die guten Unterthanen irgend eines aufgeklärten Herrschers werden angesehen werden, der sie als den Kern der großen afrikanischen Nation (!) zu weiterer Entwickelung bringen und zum Besten des dunkeln Welttheils ebenso mächtig und wirksam machen mag, wie sie unter der gegenwärtigen Lage der Dinge zum Nachtheil und Schaden desselben zu werden drohen". Dieser Satz soll offenbar mehr sein als eine prophetische Phrase. Er will sich wenden an die angeblich zivilisatorische Mission der Regierung der ssiÄvIous qnocm der Briten und sie ermuntern, die „wohlmeinende Herrschaft", welche der deutsche Süd¬ afrikareisende Ernst von Weber so einfach und wahrheitsgetreu in ihrer ganzen Herzlosigkeit und Unreinheit schildert*), auch über die freien Völker Jnner- afrika's anzutreten. Die Schilderungen, welche Stanley von den unermeßlichen und mannigfaltigen Reichthümern und Reizen Jnnerafrika's, namentlich des Stromgebietes des großen Congo entwirft, bilden gleichsam nur die Variatio¬ nen für dieses im Präludium seines Reisewerkes angeschlagene und an die Adresse der britischen Natioualpolitik gerichteten Leitmotivs: „Greif zu"! Auch die eingehende Schilderung der Künste des Feilschens und AbHan¬ delns beim Ankauf aller für die Reise nothwendigen Ausrüstungsgegenstände und Vorräthe übergehen wir, desgleichen die Einzelheiten über die Auswahl unter dem Massenangebot von Reisebegleitern. Hierbei verweilt Stanley mit besonderer Befriedigung, weil er nach seiner Ansicht bei dieser Gelegenheit seinen Scharfsinn und seine Menschenkenntniß besonders glänzend entfaltet. Noch einmal sehen wir, wie in England, alle Krüppel, Lahmen, Schwind¬ süchtigen und, ausgedienter Alte», welche Zanzibar nur liefern konnte, ihm mit der Bitte nahen, ihre schätzbaren Dienste anzunehmen. Dicht auf ihren Fersen *) Das ist eine der, wie wir ausdrücklich bemerken, zahlreichen Stellen des Buches, wo die Phantasie des Feuilletonisten Stanley mit der schlichten Treue des Forschers durch¬ geht. Die bedenklichste Leistung dieser Art ist das in Bild und Wort schon jetzt ver- breitetste Abenteuer, das Stanley unter den wilden Unterthanen König Sabella's erlebt haben will und auf dessen opernhafte UnWahrscheinlichkeit wir später eingehen werden. **) Vier Jahre in Afrika. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1378.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/238>, abgerufen am 22.07.2024.