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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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beanspruchte deshalb die Tragkraft von 300 Menschen. Um aber für den
Eintritt von Krankheit und Erschöpfung noch weitere Vorsichtsmaßregeln zu
ergreifen, wurde noch eine überzählige Schaar von vierzig Mann aufgehoben.
Die Löhnung wurde für den Mann auf zwei bis zehn Dollars pro Monat, je uach
dessen körperlicher und geistiger Befähigung, bei freier Beköstigung festgesetzt und jeder
für eine Reisedauer vou zwei Jahren verpflichtet. Wahrhaft riesig erscheinen
die Vorschüsse, welche deu Angeworbenen bezahlt wurden. Die Gesammtsumme,
die Stanley am Tage des formellen Kontraktabschlusses an Kostgeldern und
Gehaltsvorschüssen ausgezahlt hat, ohne noch irgend eine Dienstleistung er¬
halten zu haben, beläuft sich auf 26,000 Mark. Auf jeden Erwachsenen kam
durchschnittlich ein viermonatlich er Lohn mit zwanzig Dollars Lohn im Voraus,
auf jeden jungen Menschen die Hälfte.

Höchst interessant sind die Bemerkungen Stanley's über das Menschen¬
material, das ihm und allen seinen Vorgängern die Jusel Zanzibar für seine
Forschungsreisen stellte. Naturgemäß bildet der Eingeborne, der dortige
Schwarze, das Gros solcher Reisebegleitung. Der Araber, der herrschende
Volksstamm seit der mohammedanischen Eroberung ist wenig geneigt, seine
Dienste zu einem solchen Zuge unter Führung eines ungläubigen Fremdlings
herzugeben. Der Schwarze aber vom Stamme der "Waugwana" (d. h. eigent¬
lich freigewordene Sklaven oder freie Männer) wird erst dann richtig gewür¬
digt, wenn man mit Stanley's schonen und treffenden Ausführungen ge¬
bührend Rücksicht nimmt darauf, daß dieser Stamm um mehr als viertausend
Jahre hinter unsrer Geschichte und Kultur zurückgeblieben, "ein eben erst in
die Eisenzeit eingetretenes Volk ist". "Sie besitzen ohne Zweifel alle die Laster
eines Volkes, das noch tief in der Barbarei steckt, aber sie sind zugleich über
die Niedrigkeit eiues solchen Zustandes vollkommen im Klaren; es ist deshalb
eine von der Religion, zu welcher wir uns bekennen, und dnrch den geheiligten
Befehl des Sohnes Gottes uns auferlegte Pflicht, ihnen aus dem beklagens-
werthen Zustand, in welchem sie sich jetzt befinden, herauszuhelfen." Stanley
will daher bei den Negern Tugenden und Laster nicht durch die gefärbte und
verderbte Brille der Zivilisation sehen, sondern "nur mit dem ernsten Bestreben
schreiben, ihre intellectuellen und moralischen Kräfte dem richtigen Verständ¬
nisse näher zu bringen".

Der zanzibarische Eingeborene ist nach Stanley ein heiter gekannter, glück¬
licher Mensch, gesellig, umgänglich. Seine Eitelkeit ist mit dem Besitze einiger
weißer Hemden und einer knallrothen Mütze befriedigt. Als der Gipfel der
Vornehmheit erscheint ihm der Besitz eines leichten Rvhrstöckchens. Der höchste
Ehrgeiz des genügsamen Völkchens ist aber ans eine Scholle eigenen Grund¬
besitzes gerichtet. Wer ein Haus nebst Schcuuba (Garten oder Farm) erwerben


beanspruchte deshalb die Tragkraft von 300 Menschen. Um aber für den
Eintritt von Krankheit und Erschöpfung noch weitere Vorsichtsmaßregeln zu
ergreifen, wurde noch eine überzählige Schaar von vierzig Mann aufgehoben.
Die Löhnung wurde für den Mann auf zwei bis zehn Dollars pro Monat, je uach
dessen körperlicher und geistiger Befähigung, bei freier Beköstigung festgesetzt und jeder
für eine Reisedauer vou zwei Jahren verpflichtet. Wahrhaft riesig erscheinen
die Vorschüsse, welche deu Angeworbenen bezahlt wurden. Die Gesammtsumme,
die Stanley am Tage des formellen Kontraktabschlusses an Kostgeldern und
Gehaltsvorschüssen ausgezahlt hat, ohne noch irgend eine Dienstleistung er¬
halten zu haben, beläuft sich auf 26,000 Mark. Auf jeden Erwachsenen kam
durchschnittlich ein viermonatlich er Lohn mit zwanzig Dollars Lohn im Voraus,
auf jeden jungen Menschen die Hälfte.

Höchst interessant sind die Bemerkungen Stanley's über das Menschen¬
material, das ihm und allen seinen Vorgängern die Jusel Zanzibar für seine
Forschungsreisen stellte. Naturgemäß bildet der Eingeborne, der dortige
Schwarze, das Gros solcher Reisebegleitung. Der Araber, der herrschende
Volksstamm seit der mohammedanischen Eroberung ist wenig geneigt, seine
Dienste zu einem solchen Zuge unter Führung eines ungläubigen Fremdlings
herzugeben. Der Schwarze aber vom Stamme der „Waugwana" (d. h. eigent¬
lich freigewordene Sklaven oder freie Männer) wird erst dann richtig gewür¬
digt, wenn man mit Stanley's schonen und treffenden Ausführungen ge¬
bührend Rücksicht nimmt darauf, daß dieser Stamm um mehr als viertausend
Jahre hinter unsrer Geschichte und Kultur zurückgeblieben, „ein eben erst in
die Eisenzeit eingetretenes Volk ist". „Sie besitzen ohne Zweifel alle die Laster
eines Volkes, das noch tief in der Barbarei steckt, aber sie sind zugleich über
die Niedrigkeit eiues solchen Zustandes vollkommen im Klaren; es ist deshalb
eine von der Religion, zu welcher wir uns bekennen, und dnrch den geheiligten
Befehl des Sohnes Gottes uns auferlegte Pflicht, ihnen aus dem beklagens-
werthen Zustand, in welchem sie sich jetzt befinden, herauszuhelfen." Stanley
will daher bei den Negern Tugenden und Laster nicht durch die gefärbte und
verderbte Brille der Zivilisation sehen, sondern „nur mit dem ernsten Bestreben
schreiben, ihre intellectuellen und moralischen Kräfte dem richtigen Verständ¬
nisse näher zu bringen".

Der zanzibarische Eingeborene ist nach Stanley ein heiter gekannter, glück¬
licher Mensch, gesellig, umgänglich. Seine Eitelkeit ist mit dem Besitze einiger
weißer Hemden und einer knallrothen Mütze befriedigt. Als der Gipfel der
Vornehmheit erscheint ihm der Besitz eines leichten Rvhrstöckchens. Der höchste
Ehrgeiz des genügsamen Völkchens ist aber ans eine Scholle eigenen Grund¬
besitzes gerichtet. Wer ein Haus nebst Schcuuba (Garten oder Farm) erwerben


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[0236] beanspruchte deshalb die Tragkraft von 300 Menschen. Um aber für den Eintritt von Krankheit und Erschöpfung noch weitere Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen, wurde noch eine überzählige Schaar von vierzig Mann aufgehoben. Die Löhnung wurde für den Mann auf zwei bis zehn Dollars pro Monat, je uach dessen körperlicher und geistiger Befähigung, bei freier Beköstigung festgesetzt und jeder für eine Reisedauer vou zwei Jahren verpflichtet. Wahrhaft riesig erscheinen die Vorschüsse, welche deu Angeworbenen bezahlt wurden. Die Gesammtsumme, die Stanley am Tage des formellen Kontraktabschlusses an Kostgeldern und Gehaltsvorschüssen ausgezahlt hat, ohne noch irgend eine Dienstleistung er¬ halten zu haben, beläuft sich auf 26,000 Mark. Auf jeden Erwachsenen kam durchschnittlich ein viermonatlich er Lohn mit zwanzig Dollars Lohn im Voraus, auf jeden jungen Menschen die Hälfte. Höchst interessant sind die Bemerkungen Stanley's über das Menschen¬ material, das ihm und allen seinen Vorgängern die Jusel Zanzibar für seine Forschungsreisen stellte. Naturgemäß bildet der Eingeborne, der dortige Schwarze, das Gros solcher Reisebegleitung. Der Araber, der herrschende Volksstamm seit der mohammedanischen Eroberung ist wenig geneigt, seine Dienste zu einem solchen Zuge unter Führung eines ungläubigen Fremdlings herzugeben. Der Schwarze aber vom Stamme der „Waugwana" (d. h. eigent¬ lich freigewordene Sklaven oder freie Männer) wird erst dann richtig gewür¬ digt, wenn man mit Stanley's schonen und treffenden Ausführungen ge¬ bührend Rücksicht nimmt darauf, daß dieser Stamm um mehr als viertausend Jahre hinter unsrer Geschichte und Kultur zurückgeblieben, „ein eben erst in die Eisenzeit eingetretenes Volk ist". „Sie besitzen ohne Zweifel alle die Laster eines Volkes, das noch tief in der Barbarei steckt, aber sie sind zugleich über die Niedrigkeit eiues solchen Zustandes vollkommen im Klaren; es ist deshalb eine von der Religion, zu welcher wir uns bekennen, und dnrch den geheiligten Befehl des Sohnes Gottes uns auferlegte Pflicht, ihnen aus dem beklagens- werthen Zustand, in welchem sie sich jetzt befinden, herauszuhelfen." Stanley will daher bei den Negern Tugenden und Laster nicht durch die gefärbte und verderbte Brille der Zivilisation sehen, sondern „nur mit dem ernsten Bestreben schreiben, ihre intellectuellen und moralischen Kräfte dem richtigen Verständ¬ nisse näher zu bringen". Der zanzibarische Eingeborene ist nach Stanley ein heiter gekannter, glück¬ licher Mensch, gesellig, umgänglich. Seine Eitelkeit ist mit dem Besitze einiger weißer Hemden und einer knallrothen Mütze befriedigt. Als der Gipfel der Vornehmheit erscheint ihm der Besitz eines leichten Rvhrstöckchens. Der höchste Ehrgeiz des genügsamen Völkchens ist aber ans eine Scholle eigenen Grund¬ besitzes gerichtet. Wer ein Haus nebst Schcuuba (Garten oder Farm) erwerben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/236>, abgerufen am 25.08.2024.