Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schlössen hatte, nicht dazu angethan, chauvinistische Regungen wach zu rufen
oder gar das deutsche Nationalgefühl zu verletzen. Die französischem Kriegs¬
maler sind ehrliche Feinde, wie es die deutschen Schlachtenmaler den Franzosen
gegenüber gewesen sind oder noch sind. Ich mache hier absichtlich einen Unter¬
schied zwischen Kriegs- und Schlachtenmalern.

Während unsere deutschen Maler Bleibtreu, Ccimphausen, Adam, Hunden,
Lang u. a. nicht blos in der Episode glänzen, sondern, wie ich oben erwähnt
habe, auch ganze Schlachten-Tableaus von großartigem Wurfe geschaffen haben
hat sich der französische Maler ausschließlich auf die Episode beschränkt, auf
die Rekognoszirung, das Scharmützel, das Vorpostengefecht, den Ueberfall, die
Vertheidigung und -- den Rückzug. Diese Beschränkung ist in der Natur der
Sache begründet. Die schreckliche Flucht nach der Wörther Schlacht, die Kata¬
strophe von Sedan hat kaum ein französischer Maler durchlebt, und wenn einer
dabei gewesen ist, so hütet er sich wohl, gerade diese Kapitel des deutsch-fran¬
zösischen Krieges aufzuschlagen. sonderlicher Ruhm wäre dabei uicht zu holen.

Die Domäne der französischen Kriegsmaler ist vielmehr der Verzweiflungs¬
kampf der Republik. Und man muß ihnen diese Gerechtigkeit widerfahren
lassen: sie verstehen diesen Kampf, die Zcisrro 5 cmtiAvee mit den Farben eines
Dante zu schildern. Nicht auf Kosten der Sieger. Auch nicht der leiseste
ironische Zug, geschweige deun ein Versuch der Karikatur, beleidigt auf ihren
Bildern das preußische, das deutsche Auge. Unseren militärisch geschulten
Blicken imponirt im Gegentheil die erstaunliche Präzision, mit welcher.die
Uniformen, die Waffen, die Haltung, die Typen der deutschen Soldaten wieder¬
gegeben sind, im höchsten Grade. Die Franzosen wissen mit der deutschen
Montirung besser Bescheid als mit der deutschen Geographie. Sie haben aber
nicht, wie man wohl annehmen möchte, ihre Studien an Gefangenen und er¬
beuteten Kriegsmaterial gemacht, wenigstens uicht alle. So weiß ich z. B.,
daß A. de Neuville nach dem Kriege nach Metz gegangen ist und daselbst
eingehende Studien für seine Bilder gemacht hat, die den jungen Maler sehr
schnell in die Reihe der populärsten Maler Fraukreich's geführt haben. Bei
der Darstellung der deutschen Krieger auf seinen Bildern fällt uns wohl hie
und da der große, runde Kopf im Gegensatze zu dem spitzen, zierlichen Schädel
der Franzosen auf. Aber der Maler konnte uns am Ende mit Belegen auf¬
warten, die er der Natur entnommen hat, und sein Irrthum würde dann nur
darin liegen, daß er die einzelne Erscheinung zum Typus erhoben hat. Auch
trägt die runde preußische Soldatenmütze dazu bei, deu Kopf größer erscheinen
zu lassen als er in der That ist, während das französische Käppi ein Muster
von Eleganz und Gefälligkeit ist.

Es waren nur fünf Maler, die sich zu der 51 Gemälde und Aquarelle


schlössen hatte, nicht dazu angethan, chauvinistische Regungen wach zu rufen
oder gar das deutsche Nationalgefühl zu verletzen. Die französischem Kriegs¬
maler sind ehrliche Feinde, wie es die deutschen Schlachtenmaler den Franzosen
gegenüber gewesen sind oder noch sind. Ich mache hier absichtlich einen Unter¬
schied zwischen Kriegs- und Schlachtenmalern.

Während unsere deutschen Maler Bleibtreu, Ccimphausen, Adam, Hunden,
Lang u. a. nicht blos in der Episode glänzen, sondern, wie ich oben erwähnt
habe, auch ganze Schlachten-Tableaus von großartigem Wurfe geschaffen haben
hat sich der französische Maler ausschließlich auf die Episode beschränkt, auf
die Rekognoszirung, das Scharmützel, das Vorpostengefecht, den Ueberfall, die
Vertheidigung und — den Rückzug. Diese Beschränkung ist in der Natur der
Sache begründet. Die schreckliche Flucht nach der Wörther Schlacht, die Kata¬
strophe von Sedan hat kaum ein französischer Maler durchlebt, und wenn einer
dabei gewesen ist, so hütet er sich wohl, gerade diese Kapitel des deutsch-fran¬
zösischen Krieges aufzuschlagen. sonderlicher Ruhm wäre dabei uicht zu holen.

Die Domäne der französischen Kriegsmaler ist vielmehr der Verzweiflungs¬
kampf der Republik. Und man muß ihnen diese Gerechtigkeit widerfahren
lassen: sie verstehen diesen Kampf, die Zcisrro 5 cmtiAvee mit den Farben eines
Dante zu schildern. Nicht auf Kosten der Sieger. Auch nicht der leiseste
ironische Zug, geschweige deun ein Versuch der Karikatur, beleidigt auf ihren
Bildern das preußische, das deutsche Auge. Unseren militärisch geschulten
Blicken imponirt im Gegentheil die erstaunliche Präzision, mit welcher.die
Uniformen, die Waffen, die Haltung, die Typen der deutschen Soldaten wieder¬
gegeben sind, im höchsten Grade. Die Franzosen wissen mit der deutschen
Montirung besser Bescheid als mit der deutschen Geographie. Sie haben aber
nicht, wie man wohl annehmen möchte, ihre Studien an Gefangenen und er¬
beuteten Kriegsmaterial gemacht, wenigstens uicht alle. So weiß ich z. B.,
daß A. de Neuville nach dem Kriege nach Metz gegangen ist und daselbst
eingehende Studien für seine Bilder gemacht hat, die den jungen Maler sehr
schnell in die Reihe der populärsten Maler Fraukreich's geführt haben. Bei
der Darstellung der deutschen Krieger auf seinen Bildern fällt uns wohl hie
und da der große, runde Kopf im Gegensatze zu dem spitzen, zierlichen Schädel
der Franzosen auf. Aber der Maler konnte uns am Ende mit Belegen auf¬
warten, die er der Natur entnommen hat, und sein Irrthum würde dann nur
darin liegen, daß er die einzelne Erscheinung zum Typus erhoben hat. Auch
trägt die runde preußische Soldatenmütze dazu bei, deu Kopf größer erscheinen
zu lassen als er in der That ist, während das französische Käppi ein Muster
von Eleganz und Gefälligkeit ist.

Es waren nur fünf Maler, die sich zu der 51 Gemälde und Aquarelle


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/140554"/>
          <p xml:id="ID_624" prev="#ID_623"> schlössen hatte, nicht dazu angethan, chauvinistische Regungen wach zu rufen<lb/>
oder gar das deutsche Nationalgefühl zu verletzen. Die französischem Kriegs¬<lb/>
maler sind ehrliche Feinde, wie es die deutschen Schlachtenmaler den Franzosen<lb/>
gegenüber gewesen sind oder noch sind. Ich mache hier absichtlich einen Unter¬<lb/>
schied zwischen Kriegs- und Schlachtenmalern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_625"> Während unsere deutschen Maler Bleibtreu, Ccimphausen, Adam, Hunden,<lb/>
Lang u. a. nicht blos in der Episode glänzen, sondern, wie ich oben erwähnt<lb/>
habe, auch ganze Schlachten-Tableaus von großartigem Wurfe geschaffen haben<lb/>
hat sich der französische Maler ausschließlich auf die Episode beschränkt, auf<lb/>
die Rekognoszirung, das Scharmützel, das Vorpostengefecht, den Ueberfall, die<lb/>
Vertheidigung und &#x2014; den Rückzug. Diese Beschränkung ist in der Natur der<lb/>
Sache begründet. Die schreckliche Flucht nach der Wörther Schlacht, die Kata¬<lb/>
strophe von Sedan hat kaum ein französischer Maler durchlebt, und wenn einer<lb/>
dabei gewesen ist, so hütet er sich wohl, gerade diese Kapitel des deutsch-fran¬<lb/>
zösischen Krieges aufzuschlagen. sonderlicher Ruhm wäre dabei uicht zu holen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_626"> Die Domäne der französischen Kriegsmaler ist vielmehr der Verzweiflungs¬<lb/>
kampf der Republik. Und man muß ihnen diese Gerechtigkeit widerfahren<lb/>
lassen: sie verstehen diesen Kampf, die Zcisrro 5 cmtiAvee mit den Farben eines<lb/>
Dante zu schildern. Nicht auf Kosten der Sieger. Auch nicht der leiseste<lb/>
ironische Zug, geschweige deun ein Versuch der Karikatur, beleidigt auf ihren<lb/>
Bildern das preußische, das deutsche Auge. Unseren militärisch geschulten<lb/>
Blicken imponirt im Gegentheil die erstaunliche Präzision, mit welcher.die<lb/>
Uniformen, die Waffen, die Haltung, die Typen der deutschen Soldaten wieder¬<lb/>
gegeben sind, im höchsten Grade. Die Franzosen wissen mit der deutschen<lb/>
Montirung besser Bescheid als mit der deutschen Geographie. Sie haben aber<lb/>
nicht, wie man wohl annehmen möchte, ihre Studien an Gefangenen und er¬<lb/>
beuteten Kriegsmaterial gemacht, wenigstens uicht alle. So weiß ich z. B.,<lb/>
daß A. de Neuville nach dem Kriege nach Metz gegangen ist und daselbst<lb/>
eingehende Studien für seine Bilder gemacht hat, die den jungen Maler sehr<lb/>
schnell in die Reihe der populärsten Maler Fraukreich's geführt haben. Bei<lb/>
der Darstellung der deutschen Krieger auf seinen Bildern fällt uns wohl hie<lb/>
und da der große, runde Kopf im Gegensatze zu dem spitzen, zierlichen Schädel<lb/>
der Franzosen auf. Aber der Maler konnte uns am Ende mit Belegen auf¬<lb/>
warten, die er der Natur entnommen hat, und sein Irrthum würde dann nur<lb/>
darin liegen, daß er die einzelne Erscheinung zum Typus erhoben hat. Auch<lb/>
trägt die runde preußische Soldatenmütze dazu bei, deu Kopf größer erscheinen<lb/>
zu lassen als er in der That ist, während das französische Käppi ein Muster<lb/>
von Eleganz und Gefälligkeit ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_627" next="#ID_628"> Es waren nur fünf Maler, die sich zu der 51 Gemälde und Aquarelle</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0203] schlössen hatte, nicht dazu angethan, chauvinistische Regungen wach zu rufen oder gar das deutsche Nationalgefühl zu verletzen. Die französischem Kriegs¬ maler sind ehrliche Feinde, wie es die deutschen Schlachtenmaler den Franzosen gegenüber gewesen sind oder noch sind. Ich mache hier absichtlich einen Unter¬ schied zwischen Kriegs- und Schlachtenmalern. Während unsere deutschen Maler Bleibtreu, Ccimphausen, Adam, Hunden, Lang u. a. nicht blos in der Episode glänzen, sondern, wie ich oben erwähnt habe, auch ganze Schlachten-Tableaus von großartigem Wurfe geschaffen haben hat sich der französische Maler ausschließlich auf die Episode beschränkt, auf die Rekognoszirung, das Scharmützel, das Vorpostengefecht, den Ueberfall, die Vertheidigung und — den Rückzug. Diese Beschränkung ist in der Natur der Sache begründet. Die schreckliche Flucht nach der Wörther Schlacht, die Kata¬ strophe von Sedan hat kaum ein französischer Maler durchlebt, und wenn einer dabei gewesen ist, so hütet er sich wohl, gerade diese Kapitel des deutsch-fran¬ zösischen Krieges aufzuschlagen. sonderlicher Ruhm wäre dabei uicht zu holen. Die Domäne der französischen Kriegsmaler ist vielmehr der Verzweiflungs¬ kampf der Republik. Und man muß ihnen diese Gerechtigkeit widerfahren lassen: sie verstehen diesen Kampf, die Zcisrro 5 cmtiAvee mit den Farben eines Dante zu schildern. Nicht auf Kosten der Sieger. Auch nicht der leiseste ironische Zug, geschweige deun ein Versuch der Karikatur, beleidigt auf ihren Bildern das preußische, das deutsche Auge. Unseren militärisch geschulten Blicken imponirt im Gegentheil die erstaunliche Präzision, mit welcher.die Uniformen, die Waffen, die Haltung, die Typen der deutschen Soldaten wieder¬ gegeben sind, im höchsten Grade. Die Franzosen wissen mit der deutschen Montirung besser Bescheid als mit der deutschen Geographie. Sie haben aber nicht, wie man wohl annehmen möchte, ihre Studien an Gefangenen und er¬ beuteten Kriegsmaterial gemacht, wenigstens uicht alle. So weiß ich z. B., daß A. de Neuville nach dem Kriege nach Metz gegangen ist und daselbst eingehende Studien für seine Bilder gemacht hat, die den jungen Maler sehr schnell in die Reihe der populärsten Maler Fraukreich's geführt haben. Bei der Darstellung der deutschen Krieger auf seinen Bildern fällt uns wohl hie und da der große, runde Kopf im Gegensatze zu dem spitzen, zierlichen Schädel der Franzosen auf. Aber der Maler konnte uns am Ende mit Belegen auf¬ warten, die er der Natur entnommen hat, und sein Irrthum würde dann nur darin liegen, daß er die einzelne Erscheinung zum Typus erhoben hat. Auch trägt die runde preußische Soldatenmütze dazu bei, deu Kopf größer erscheinen zu lassen als er in der That ist, während das französische Käppi ein Muster von Eleganz und Gefälligkeit ist. Es waren nur fünf Maler, die sich zu der 51 Gemälde und Aquarelle

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/203
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/203>, abgerufen am 22.07.2024.