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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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und durch seine Salome mit dein Haupte Johannes des Täufers die Periode
der Schreckensherrschaft in der französischen Malerei inaugurirt. Wenn auch
die Märtyrerkrone, welche der junge Maler durch den Tod für sein Vaterland
erworben hat, in den Augen seiner Landsleute seine künstlerische Bedeutung
um ein Erkleckliches gehoben hat, so läßt sich doch nicht in Abrede stellen, daß
die französische Malerei in Henri Regnault eines ihrer hoffnungsvollsten Talente
verloren hat. Die Vorrede zum offiziellen Katalog gedenkt, indem sie die Ver¬
luste aufzählt, welche die Kunst Frankreich's im letzten Jahrzehnt erlitten, aus¬
drücklich auch des Todes von Regnault. Sie begeht dabei freilich -- nebenbei
bemerkt -- einen starken Pleonasmus, wenn sie emphatisch von "jungen
Männern" redet, die in der vollen Blüthe ihrer Künstlerschaft auf den Schlacht¬
feldern gefallen sind. Die Franktireurs de la Seine, denen sich die Pariser
Maler mit Vorliebe anschlössen, haben sich nicht allzusehr exponirt.

Regnault's Hinrichtung in Granada, die bereits in Wien zu sehen war,
und sein Reiterporträt des Generals Prim, unstreitig eines der besten historischen
Bildnisse, welche die moderne Kunst hervorgebracht, sind auch jetzt wieder der
Ausstellung einverleibt, um das Andenken an den seiner Kunst zu früh Ent¬
rissenen rege zu halten. Die Hinrichtung in Granada ist die Frucht einer
Reise, die der Künstler nach Spanien und Algier unternommen hat. Auf der
Stufe des Hofes eines in den herrlichsten Farben prangenden maurischen
Palastes steht ein Henker, der mit geschäftsmäßiger Kaltblütigkeit das Blut
von seinem Säbel wischt, nachdem er eben einem Verbrecher, der zu seineu
Füßen liegt, das Haupt vom Rumpfe getrennt. Der Körper des Enthaupteten
liegt noch auf den Stufen, der Kopf mit den gräßlich verzerrten Augen ist bereits
die Stufen herabgerollt und aus dem Stumpfe des Halses ergießt sich wie
ein Springquell ein breiter Blutstrom auf das bunte Mosaik des marmornen
Fußbodens. Regnault hat bereits die Naturwahrheit, die doch gewiß schon
grausig genng gewesen wäre, noch insofern übertrieben, als er dem abgehauenen
Kopfe das fahle, bläuliche Kolorit eines Leichnams gegeben hat, der schon
Tage lang im Grabe oder im Wasser gelegen hat. Andere sind noch über ihn
hinausgegangen. So Leeomte-du-Rouy, ein Schüler Gerome's, der den blinden
Oedipus gemalt hat, wie er sich in einem Grabgewölbe, vermuthlich dem Erb¬
begräbnisse seiner Familie, mit Antigone und Jsmene auf den kreideweißen, blau
angelaufenen Leichnam der durch schrecklichen Selbstmord umgekommenen Jokaste
wirft. Rings herum stehen noch andere Katafalke mit aufgebahrten Leichnamen.
Derselbe Maler zeigt uns noch Theophil Gautier's "Mumie", einen Pharaonen
auf dem Dache seines Palastes, über den sich ein sternbesäter Himmel spannt.
Vor dem egyptischen Despoten liegen drei Sklaven in ihrem Blute, welche


und durch seine Salome mit dein Haupte Johannes des Täufers die Periode
der Schreckensherrschaft in der französischen Malerei inaugurirt. Wenn auch
die Märtyrerkrone, welche der junge Maler durch den Tod für sein Vaterland
erworben hat, in den Augen seiner Landsleute seine künstlerische Bedeutung
um ein Erkleckliches gehoben hat, so läßt sich doch nicht in Abrede stellen, daß
die französische Malerei in Henri Regnault eines ihrer hoffnungsvollsten Talente
verloren hat. Die Vorrede zum offiziellen Katalog gedenkt, indem sie die Ver¬
luste aufzählt, welche die Kunst Frankreich's im letzten Jahrzehnt erlitten, aus¬
drücklich auch des Todes von Regnault. Sie begeht dabei freilich — nebenbei
bemerkt — einen starken Pleonasmus, wenn sie emphatisch von „jungen
Männern" redet, die in der vollen Blüthe ihrer Künstlerschaft auf den Schlacht¬
feldern gefallen sind. Die Franktireurs de la Seine, denen sich die Pariser
Maler mit Vorliebe anschlössen, haben sich nicht allzusehr exponirt.

Regnault's Hinrichtung in Granada, die bereits in Wien zu sehen war,
und sein Reiterporträt des Generals Prim, unstreitig eines der besten historischen
Bildnisse, welche die moderne Kunst hervorgebracht, sind auch jetzt wieder der
Ausstellung einverleibt, um das Andenken an den seiner Kunst zu früh Ent¬
rissenen rege zu halten. Die Hinrichtung in Granada ist die Frucht einer
Reise, die der Künstler nach Spanien und Algier unternommen hat. Auf der
Stufe des Hofes eines in den herrlichsten Farben prangenden maurischen
Palastes steht ein Henker, der mit geschäftsmäßiger Kaltblütigkeit das Blut
von seinem Säbel wischt, nachdem er eben einem Verbrecher, der zu seineu
Füßen liegt, das Haupt vom Rumpfe getrennt. Der Körper des Enthaupteten
liegt noch auf den Stufen, der Kopf mit den gräßlich verzerrten Augen ist bereits
die Stufen herabgerollt und aus dem Stumpfe des Halses ergießt sich wie
ein Springquell ein breiter Blutstrom auf das bunte Mosaik des marmornen
Fußbodens. Regnault hat bereits die Naturwahrheit, die doch gewiß schon
grausig genng gewesen wäre, noch insofern übertrieben, als er dem abgehauenen
Kopfe das fahle, bläuliche Kolorit eines Leichnams gegeben hat, der schon
Tage lang im Grabe oder im Wasser gelegen hat. Andere sind noch über ihn
hinausgegangen. So Leeomte-du-Rouy, ein Schüler Gerome's, der den blinden
Oedipus gemalt hat, wie er sich in einem Grabgewölbe, vermuthlich dem Erb¬
begräbnisse seiner Familie, mit Antigone und Jsmene auf den kreideweißen, blau
angelaufenen Leichnam der durch schrecklichen Selbstmord umgekommenen Jokaste
wirft. Rings herum stehen noch andere Katafalke mit aufgebahrten Leichnamen.
Derselbe Maler zeigt uns noch Theophil Gautier's „Mumie", einen Pharaonen
auf dem Dache seines Palastes, über den sich ein sternbesäter Himmel spannt.
Vor dem egyptischen Despoten liegen drei Sklaven in ihrem Blute, welche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/159>, abgerufen am 22.07.2024.