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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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dem, Hausrnth, Luxusgegenständen jährlich eine Rate im Werthe von 25,000
Mark erhalten. Eine solche Familie "wäre also in der Lage, reichlichst zu
genießen und zu -- verschenken. Aber sie könnte nicht mehr kapitalisiren, ihren
Ueberfluß nicht mehr in Rentenqnellen verwandeln, sie wäre selbst bei intakten
Vererbungsrecht in 2--3 Generationen ans persönliche Arbeit, wie jede andere
Familie, angewiesen."

Entspricht nnn eine derartige Ablösung durch Genußmittelraten dem
Werthe, welchen die Kapitalien für ihre Eigenthümer haben? Das Interesse
derselben an dem Besitze ihrer Kapitalien ist rein wirthschaftlich betrachtet ein
doppeltes. Einerseits können sie im Bedarfsfall den Grundstock des Vermögens
angreifen, welcher ihnen dergestalt als Nothpfennig dient, andererseits ziehen
sie daraus Jahr für Jahr eine Quantität Früchte oder Zinsen, welche sie
nach Belieben verbrauchen oder wiederum zinsbar anlegen können. Nach
Schäffle würden sie allerdings für den Grundstock des Vermögens dnrch eine
Reihe von Ratenzahlungen entschädigt werden. Da sie dieselben aber im
besten Falle nur binnen kurzer Frist verzehren, nicht aber zinsbar anlegen
können, so würde ihnen der wichtigste Theil ihrer Vermögensrechte, die Rente,
die sie alljährlich aus dem intakt bleibenden Vermögen ziehen, ohne jegliches
Entgelt vom Staate genommen werden. Während jetzt der Besitzer von Grund¬
stücken oder Wertpapieren im Betrage von einer Million Mark bei dein
niedrig bemessenen Zinsfuß von 4°/g jährlich 40,000 Mark einnimmt, so lange
er lebt, und nach seinem Tode seine Erben die 40,000 Mark bekommen, ohne
daß die Substanz des Vermögens irgendwie angegriffen würde, bekäme er
nach Schäffle etwa 40 Jahre lang jährlich 25,000 Mark. Nach Ablauf dieser
40 Jahre erhält er weiter gar Nichts an Kapital oder Zinsen. Und das soll
eine volle und gerechte Ablösung sein!

Dürfen wir denn aber überhaupt auf die Zahlung auch nur einer solchen
durchaus ungenügenden Entschädigung rechnen? Auch dem vertrauensseligsten
Geiste muß es nachgerade klar sein, daß die gegen die "kapitalistischen Blut¬
sauger" Jahrzehnte hindurch systematisch fanatisirten Massen niemals den Be¬
sitzenden von hente den bedeutenderen Theil der gesellschaftliche": Genußmittel
für eine Reihe von Jahren zuwenden würden, wenn sie endlich das geträumte
goldene Zeitalter der Freiheit, Gleichheit und des Ueberflusses erreicht
zu haben glauben. Wie die Dinge jetzt liegen, ist eine Verwirklichung des
sozialistischen Zuwnftsstaats nur auf dem Wege einer sozialen Revolution,
eines laugen furchtbaren Ringens zwischen Besitzlosen und Besitzenden zu er¬
warten, von dem die Gräuel der Pariser Kommune nur eine schwache Vor¬
ahnung geben. Selbst wenn die sozialistischen Führer in den Zeiten des er¬
bittertsten Bürgerkrieges eine Mäßigung bethätigen sollten, von der sie bis jetzt


dem, Hausrnth, Luxusgegenständen jährlich eine Rate im Werthe von 25,000
Mark erhalten. Eine solche Familie „wäre also in der Lage, reichlichst zu
genießen und zu — verschenken. Aber sie könnte nicht mehr kapitalisiren, ihren
Ueberfluß nicht mehr in Rentenqnellen verwandeln, sie wäre selbst bei intakten
Vererbungsrecht in 2—3 Generationen ans persönliche Arbeit, wie jede andere
Familie, angewiesen."

Entspricht nnn eine derartige Ablösung durch Genußmittelraten dem
Werthe, welchen die Kapitalien für ihre Eigenthümer haben? Das Interesse
derselben an dem Besitze ihrer Kapitalien ist rein wirthschaftlich betrachtet ein
doppeltes. Einerseits können sie im Bedarfsfall den Grundstock des Vermögens
angreifen, welcher ihnen dergestalt als Nothpfennig dient, andererseits ziehen
sie daraus Jahr für Jahr eine Quantität Früchte oder Zinsen, welche sie
nach Belieben verbrauchen oder wiederum zinsbar anlegen können. Nach
Schäffle würden sie allerdings für den Grundstock des Vermögens dnrch eine
Reihe von Ratenzahlungen entschädigt werden. Da sie dieselben aber im
besten Falle nur binnen kurzer Frist verzehren, nicht aber zinsbar anlegen
können, so würde ihnen der wichtigste Theil ihrer Vermögensrechte, die Rente,
die sie alljährlich aus dem intakt bleibenden Vermögen ziehen, ohne jegliches
Entgelt vom Staate genommen werden. Während jetzt der Besitzer von Grund¬
stücken oder Wertpapieren im Betrage von einer Million Mark bei dein
niedrig bemessenen Zinsfuß von 4°/g jährlich 40,000 Mark einnimmt, so lange
er lebt, und nach seinem Tode seine Erben die 40,000 Mark bekommen, ohne
daß die Substanz des Vermögens irgendwie angegriffen würde, bekäme er
nach Schäffle etwa 40 Jahre lang jährlich 25,000 Mark. Nach Ablauf dieser
40 Jahre erhält er weiter gar Nichts an Kapital oder Zinsen. Und das soll
eine volle und gerechte Ablösung sein!

Dürfen wir denn aber überhaupt auf die Zahlung auch nur einer solchen
durchaus ungenügenden Entschädigung rechnen? Auch dem vertrauensseligsten
Geiste muß es nachgerade klar sein, daß die gegen die „kapitalistischen Blut¬
sauger" Jahrzehnte hindurch systematisch fanatisirten Massen niemals den Be¬
sitzenden von hente den bedeutenderen Theil der gesellschaftliche«: Genußmittel
für eine Reihe von Jahren zuwenden würden, wenn sie endlich das geträumte
goldene Zeitalter der Freiheit, Gleichheit und des Ueberflusses erreicht
zu haben glauben. Wie die Dinge jetzt liegen, ist eine Verwirklichung des
sozialistischen Zuwnftsstaats nur auf dem Wege einer sozialen Revolution,
eines laugen furchtbaren Ringens zwischen Besitzlosen und Besitzenden zu er¬
warten, von dem die Gräuel der Pariser Kommune nur eine schwache Vor¬
ahnung geben. Selbst wenn die sozialistischen Führer in den Zeiten des er¬
bittertsten Bürgerkrieges eine Mäßigung bethätigen sollten, von der sie bis jetzt


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[0147] dem, Hausrnth, Luxusgegenständen jährlich eine Rate im Werthe von 25,000 Mark erhalten. Eine solche Familie „wäre also in der Lage, reichlichst zu genießen und zu — verschenken. Aber sie könnte nicht mehr kapitalisiren, ihren Ueberfluß nicht mehr in Rentenqnellen verwandeln, sie wäre selbst bei intakten Vererbungsrecht in 2—3 Generationen ans persönliche Arbeit, wie jede andere Familie, angewiesen." Entspricht nnn eine derartige Ablösung durch Genußmittelraten dem Werthe, welchen die Kapitalien für ihre Eigenthümer haben? Das Interesse derselben an dem Besitze ihrer Kapitalien ist rein wirthschaftlich betrachtet ein doppeltes. Einerseits können sie im Bedarfsfall den Grundstock des Vermögens angreifen, welcher ihnen dergestalt als Nothpfennig dient, andererseits ziehen sie daraus Jahr für Jahr eine Quantität Früchte oder Zinsen, welche sie nach Belieben verbrauchen oder wiederum zinsbar anlegen können. Nach Schäffle würden sie allerdings für den Grundstock des Vermögens dnrch eine Reihe von Ratenzahlungen entschädigt werden. Da sie dieselben aber im besten Falle nur binnen kurzer Frist verzehren, nicht aber zinsbar anlegen können, so würde ihnen der wichtigste Theil ihrer Vermögensrechte, die Rente, die sie alljährlich aus dem intakt bleibenden Vermögen ziehen, ohne jegliches Entgelt vom Staate genommen werden. Während jetzt der Besitzer von Grund¬ stücken oder Wertpapieren im Betrage von einer Million Mark bei dein niedrig bemessenen Zinsfuß von 4°/g jährlich 40,000 Mark einnimmt, so lange er lebt, und nach seinem Tode seine Erben die 40,000 Mark bekommen, ohne daß die Substanz des Vermögens irgendwie angegriffen würde, bekäme er nach Schäffle etwa 40 Jahre lang jährlich 25,000 Mark. Nach Ablauf dieser 40 Jahre erhält er weiter gar Nichts an Kapital oder Zinsen. Und das soll eine volle und gerechte Ablösung sein! Dürfen wir denn aber überhaupt auf die Zahlung auch nur einer solchen durchaus ungenügenden Entschädigung rechnen? Auch dem vertrauensseligsten Geiste muß es nachgerade klar sein, daß die gegen die „kapitalistischen Blut¬ sauger" Jahrzehnte hindurch systematisch fanatisirten Massen niemals den Be¬ sitzenden von hente den bedeutenderen Theil der gesellschaftliche«: Genußmittel für eine Reihe von Jahren zuwenden würden, wenn sie endlich das geträumte goldene Zeitalter der Freiheit, Gleichheit und des Ueberflusses erreicht zu haben glauben. Wie die Dinge jetzt liegen, ist eine Verwirklichung des sozialistischen Zuwnftsstaats nur auf dem Wege einer sozialen Revolution, eines laugen furchtbaren Ringens zwischen Besitzlosen und Besitzenden zu er¬ warten, von dem die Gräuel der Pariser Kommune nur eine schwache Vor¬ ahnung geben. Selbst wenn die sozialistischen Führer in den Zeiten des er¬ bittertsten Bürgerkrieges eine Mäßigung bethätigen sollten, von der sie bis jetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/147>, abgerufen am 22.07.2024.