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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Wahrscheinlich ist auf Camillus auch schon die grundsätzliche Umwand¬
lung der Tricirier zu einer Elitetruppe von Veteranen zurückzuführen.
Eine derartige Truppe, welche die Bestimmung hatte, als Reserve zu dienen
und namentlich die das Lager zu vertheidigen,*) dürfte den Galliern gegenüber
um so Wünschenswerther gewesen sein, als die ßquitös durch ihre Umwandlung
aus der Ritterschaft in eine Reiterei doch allmälig viel von ihrem alten Elite¬
charakter und ihrer Fähigkeit als Doppelkämpfer verwendet zu werden, ein¬
gebüßt haben mochten. In dieser Aussonderung der Triarier als einer Alters¬
klasse ist eine weitere Ursache jener grundsätzlichen Veränderungen zu
suchen, welche den Censusunterschied immer entschiedener zurückdrängten zu
Gunsten des Unterschiedes der Kriegsgeübtheit und des Dienstalters, auf welchem
seit den gallischen Kriegen die Eintheilung der Legion im Wesentlichen ruht.

Das innere Leben Rom's nach den gallischen Kriegen kennzeichnet sich durch
die unbestrittene Herrschaft der Nobilität. Gesetzlich gab es allerdings
keinen nennenswerthen politischen Unterschied zwischen den Bürgern mehr; die
Vorzüge jedoch, welche Vermögen, Geburt und eine von Geschlecht zu Geschlecht
fortgepflanzte politische Praxis den vornehmen Familien gewährten, zeigten sich
nach wie vor wirksam; der Geburtsadel erweiterte sich eben nnr zu einem
Beamtenadel, der auch im Heerwesen deutlich erkennbar ist. Bald schloß sich
hinter einer verhältnißmäßig kleinen Zahl plebejischer Familien, mit denen das
Patriziat sein früheres Monopol auf die Aemter theilen mußte, der Kreis der
sogen. Nobilität, und selten nur gelang es einem Koino iioviis, sich in den
herrschenden Ring einzuführen. Aber die ausgezeichnete Tüchtigkeit der Aristo¬
kratie erklärt es, daß sich das römische Volk bei dieser Lage der Dinge bis zum
Anfange des 2. Jahrhunderts beruhigte.

Uebrigens wurden der Plebs von Zeit zu Zeit auch Zugeständnisse gemacht
und darunter ist eins auf rein militärischem Gebiet, welches höchst merkwürdig
erscheint; es betrifft nämlich die Wahl der Militärtribunen, d. h. der
Stabsoffiziere der Legionen. Deren gab es bei jeder Legion sechs, also bei
den jährlich ausgehobenen vier Legionen 24. Ihre Ernennung kam ursprünglich
dem Konsul zu. Aber im Jahre 362 schon war dem Volke die Wahl von 6
Tribunen, also dem Viertel der Gesammtzahl, im Jahre 311 die von 16
Stabsoffizieren bewilligt worden, und im Jahre 207 endlich wurde, wie hier
vorgreifend bemerkt sei, die Wahl aller 24 Tribunen als Magistraten des
römischen Volkes den Tributconntien übertragen.**) Rein militärisch betrachtet,




") Dyonis 6, 15. -- Vergl, Niebuhr, R, G. II., S. 226; Köchly und Rüstow, Griech.
Kriegsschriftsteller I., S. 44 u. 60; Mcirqnard U- S. 343.
") Geppcrt: vo trilirmis luiliwi" in Ivzzionidus L-vo-uiormn. Berlin 1372.

Wahrscheinlich ist auf Camillus auch schon die grundsätzliche Umwand¬
lung der Tricirier zu einer Elitetruppe von Veteranen zurückzuführen.
Eine derartige Truppe, welche die Bestimmung hatte, als Reserve zu dienen
und namentlich die das Lager zu vertheidigen,*) dürfte den Galliern gegenüber
um so Wünschenswerther gewesen sein, als die ßquitös durch ihre Umwandlung
aus der Ritterschaft in eine Reiterei doch allmälig viel von ihrem alten Elite¬
charakter und ihrer Fähigkeit als Doppelkämpfer verwendet zu werden, ein¬
gebüßt haben mochten. In dieser Aussonderung der Triarier als einer Alters¬
klasse ist eine weitere Ursache jener grundsätzlichen Veränderungen zu
suchen, welche den Censusunterschied immer entschiedener zurückdrängten zu
Gunsten des Unterschiedes der Kriegsgeübtheit und des Dienstalters, auf welchem
seit den gallischen Kriegen die Eintheilung der Legion im Wesentlichen ruht.

Das innere Leben Rom's nach den gallischen Kriegen kennzeichnet sich durch
die unbestrittene Herrschaft der Nobilität. Gesetzlich gab es allerdings
keinen nennenswerthen politischen Unterschied zwischen den Bürgern mehr; die
Vorzüge jedoch, welche Vermögen, Geburt und eine von Geschlecht zu Geschlecht
fortgepflanzte politische Praxis den vornehmen Familien gewährten, zeigten sich
nach wie vor wirksam; der Geburtsadel erweiterte sich eben nnr zu einem
Beamtenadel, der auch im Heerwesen deutlich erkennbar ist. Bald schloß sich
hinter einer verhältnißmäßig kleinen Zahl plebejischer Familien, mit denen das
Patriziat sein früheres Monopol auf die Aemter theilen mußte, der Kreis der
sogen. Nobilität, und selten nur gelang es einem Koino iioviis, sich in den
herrschenden Ring einzuführen. Aber die ausgezeichnete Tüchtigkeit der Aristo¬
kratie erklärt es, daß sich das römische Volk bei dieser Lage der Dinge bis zum
Anfange des 2. Jahrhunderts beruhigte.

Uebrigens wurden der Plebs von Zeit zu Zeit auch Zugeständnisse gemacht
und darunter ist eins auf rein militärischem Gebiet, welches höchst merkwürdig
erscheint; es betrifft nämlich die Wahl der Militärtribunen, d. h. der
Stabsoffiziere der Legionen. Deren gab es bei jeder Legion sechs, also bei
den jährlich ausgehobenen vier Legionen 24. Ihre Ernennung kam ursprünglich
dem Konsul zu. Aber im Jahre 362 schon war dem Volke die Wahl von 6
Tribunen, also dem Viertel der Gesammtzahl, im Jahre 311 die von 16
Stabsoffizieren bewilligt worden, und im Jahre 207 endlich wurde, wie hier
vorgreifend bemerkt sei, die Wahl aller 24 Tribunen als Magistraten des
römischen Volkes den Tributconntien übertragen.**) Rein militärisch betrachtet,




") Dyonis 6, 15. — Vergl, Niebuhr, R, G. II., S. 226; Köchly und Rüstow, Griech.
Kriegsschriftsteller I., S. 44 u. 60; Mcirqnard U- S. 343.
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[0134] Wahrscheinlich ist auf Camillus auch schon die grundsätzliche Umwand¬ lung der Tricirier zu einer Elitetruppe von Veteranen zurückzuführen. Eine derartige Truppe, welche die Bestimmung hatte, als Reserve zu dienen und namentlich die das Lager zu vertheidigen,*) dürfte den Galliern gegenüber um so Wünschenswerther gewesen sein, als die ßquitös durch ihre Umwandlung aus der Ritterschaft in eine Reiterei doch allmälig viel von ihrem alten Elite¬ charakter und ihrer Fähigkeit als Doppelkämpfer verwendet zu werden, ein¬ gebüßt haben mochten. In dieser Aussonderung der Triarier als einer Alters¬ klasse ist eine weitere Ursache jener grundsätzlichen Veränderungen zu suchen, welche den Censusunterschied immer entschiedener zurückdrängten zu Gunsten des Unterschiedes der Kriegsgeübtheit und des Dienstalters, auf welchem seit den gallischen Kriegen die Eintheilung der Legion im Wesentlichen ruht. Das innere Leben Rom's nach den gallischen Kriegen kennzeichnet sich durch die unbestrittene Herrschaft der Nobilität. Gesetzlich gab es allerdings keinen nennenswerthen politischen Unterschied zwischen den Bürgern mehr; die Vorzüge jedoch, welche Vermögen, Geburt und eine von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzte politische Praxis den vornehmen Familien gewährten, zeigten sich nach wie vor wirksam; der Geburtsadel erweiterte sich eben nnr zu einem Beamtenadel, der auch im Heerwesen deutlich erkennbar ist. Bald schloß sich hinter einer verhältnißmäßig kleinen Zahl plebejischer Familien, mit denen das Patriziat sein früheres Monopol auf die Aemter theilen mußte, der Kreis der sogen. Nobilität, und selten nur gelang es einem Koino iioviis, sich in den herrschenden Ring einzuführen. Aber die ausgezeichnete Tüchtigkeit der Aristo¬ kratie erklärt es, daß sich das römische Volk bei dieser Lage der Dinge bis zum Anfange des 2. Jahrhunderts beruhigte. Uebrigens wurden der Plebs von Zeit zu Zeit auch Zugeständnisse gemacht und darunter ist eins auf rein militärischem Gebiet, welches höchst merkwürdig erscheint; es betrifft nämlich die Wahl der Militärtribunen, d. h. der Stabsoffiziere der Legionen. Deren gab es bei jeder Legion sechs, also bei den jährlich ausgehobenen vier Legionen 24. Ihre Ernennung kam ursprünglich dem Konsul zu. Aber im Jahre 362 schon war dem Volke die Wahl von 6 Tribunen, also dem Viertel der Gesammtzahl, im Jahre 311 die von 16 Stabsoffizieren bewilligt worden, und im Jahre 207 endlich wurde, wie hier vorgreifend bemerkt sei, die Wahl aller 24 Tribunen als Magistraten des römischen Volkes den Tributconntien übertragen.**) Rein militärisch betrachtet, ") Dyonis 6, 15. — Vergl, Niebuhr, R, G. II., S. 226; Köchly und Rüstow, Griech. Kriegsschriftsteller I., S. 44 u. 60; Mcirqnard U- S. 343. ") Geppcrt: vo trilirmis luiliwi» in Ivzzionidus L-vo-uiormn. Berlin 1372.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/134>, abgerufen am 22.07.2024.