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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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allerdings immer nur innerhalb der ansässigen Bürgerschaft. -- Die gesammte
waffenfähige Mannschaft wurde in Stammrollen eingetragen, welche die
Grundlage der Aushebungen bildeten. Vollzogen wurden diese im Namen
der Konsuln durch Staatsbeamte, welche vor Allem dafür zu sorgen hatten,
daß die Zusammensetzung der Legion eine zweckentsprechende Gliederung nach
Dienstalter, Waffenübung und Tüchtigkeit ermöglichte. Gegen diesen rein
militärischen Gesichtspunkt trat der politische einer Proportionellen Heranziehung
der Censusklassen nach und nach völlig zurück, und dadurch setzten sich Kriegs¬
leistung und bürgerliche Berechtigung wieder ins Gleichgewicht.

Diese Entwickelung vollzog sich während der gallischen Kriege.

Rom hatte die Bedrängniß Etrurien's durch die keltischen Gallier zu
seinem Angriff auf Veii benutzt. Veii war nach langem Kampf erobert und
zerstört und dadurch der römische Staat in eine höhere Machtsphäre emporge¬
hoben, seine Kraft nahezu verdoppelt. Aber sechs Jahre nach der Zerstörung
Veii's hausten die Gallier auch in den rauchenden Trümmern Rom's.

Das Einströmen keltischer Schwärme über die Alpen hatte von Jahr zu
Jahr zugenommen. Die fruchtbare Po-Ebene wurde durch sie fast wieder
zur Wildniß; das nördliche Italien zwischen Alpen und Apenninen, unter den
Etruskern ein Land blühender Kultur, empfing nun mit Recht den Namen des
cisalpinischen Gallien. Den freien Kelten gall es, recht im Gegensatze zu den
Römern, als schimpflich, mit eigenen Händen das Feld zu bestellen; unstät und
wanderlustig brachten ihre wilden Schaaren es nur zu höchst unvollkommenen
bürgerlichen Verfassungen; die einzige Ordnung, in welche sie sich fanden, war
die militärische. -- Gewöhnlich fochten sie zu Fuße; doch hatten sie auch
Reiterschaaren und Streitwagen.*) Abgesehen von dem hohen, gewaltigen
Schilde waren sie ohne Schutzwaffen, namentlich unbehelmt. Das lauge ein¬
schneidige, nur zum Hiebe geeignete, schlecht gehärtete Bronzeschwert in der
Faust stürzten sie sich mit gellendem Kriegsgeschrei in rasendem Anprall auf
den überraschten Feind, der, wenn er solcher Kampfart ungewohnt war, regel¬
mäßig durchbrochen und zersprengt wurde. -- So ging es denn auch den
Römern als sie im Jahre 390 den Kelten am Bache Allia entgegentraten.
Unter unerprobten Feldherrn (Camillus war verbannt) zogen die Quinten
übermüthig in den Kampf, nicht wie gegen ein Heer, sondern wie gegen
Räuber: waren es doch nnr Wilde, die man bekämpfen sollte; was bedürfte
es des Lagers und der Sicherung des Rückzuges? -- Der panische Schrecken,
die Flucht, die Niederlage waren furchtbar; der Abzug der Barbaren mußte



") Mommsen. Vergl. ?o1zch. II. 33, III. 114; tlo. XXII, 46. Plutarch: <Ä"n1I.
40 und 1.

allerdings immer nur innerhalb der ansässigen Bürgerschaft. — Die gesammte
waffenfähige Mannschaft wurde in Stammrollen eingetragen, welche die
Grundlage der Aushebungen bildeten. Vollzogen wurden diese im Namen
der Konsuln durch Staatsbeamte, welche vor Allem dafür zu sorgen hatten,
daß die Zusammensetzung der Legion eine zweckentsprechende Gliederung nach
Dienstalter, Waffenübung und Tüchtigkeit ermöglichte. Gegen diesen rein
militärischen Gesichtspunkt trat der politische einer Proportionellen Heranziehung
der Censusklassen nach und nach völlig zurück, und dadurch setzten sich Kriegs¬
leistung und bürgerliche Berechtigung wieder ins Gleichgewicht.

Diese Entwickelung vollzog sich während der gallischen Kriege.

Rom hatte die Bedrängniß Etrurien's durch die keltischen Gallier zu
seinem Angriff auf Veii benutzt. Veii war nach langem Kampf erobert und
zerstört und dadurch der römische Staat in eine höhere Machtsphäre emporge¬
hoben, seine Kraft nahezu verdoppelt. Aber sechs Jahre nach der Zerstörung
Veii's hausten die Gallier auch in den rauchenden Trümmern Rom's.

Das Einströmen keltischer Schwärme über die Alpen hatte von Jahr zu
Jahr zugenommen. Die fruchtbare Po-Ebene wurde durch sie fast wieder
zur Wildniß; das nördliche Italien zwischen Alpen und Apenninen, unter den
Etruskern ein Land blühender Kultur, empfing nun mit Recht den Namen des
cisalpinischen Gallien. Den freien Kelten gall es, recht im Gegensatze zu den
Römern, als schimpflich, mit eigenen Händen das Feld zu bestellen; unstät und
wanderlustig brachten ihre wilden Schaaren es nur zu höchst unvollkommenen
bürgerlichen Verfassungen; die einzige Ordnung, in welche sie sich fanden, war
die militärische. — Gewöhnlich fochten sie zu Fuße; doch hatten sie auch
Reiterschaaren und Streitwagen.*) Abgesehen von dem hohen, gewaltigen
Schilde waren sie ohne Schutzwaffen, namentlich unbehelmt. Das lauge ein¬
schneidige, nur zum Hiebe geeignete, schlecht gehärtete Bronzeschwert in der
Faust stürzten sie sich mit gellendem Kriegsgeschrei in rasendem Anprall auf
den überraschten Feind, der, wenn er solcher Kampfart ungewohnt war, regel¬
mäßig durchbrochen und zersprengt wurde. — So ging es denn auch den
Römern als sie im Jahre 390 den Kelten am Bache Allia entgegentraten.
Unter unerprobten Feldherrn (Camillus war verbannt) zogen die Quinten
übermüthig in den Kampf, nicht wie gegen ein Heer, sondern wie gegen
Räuber: waren es doch nnr Wilde, die man bekämpfen sollte; was bedürfte
es des Lagers und der Sicherung des Rückzuges? — Der panische Schrecken,
die Flucht, die Niederlage waren furchtbar; der Abzug der Barbaren mußte



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[0132] allerdings immer nur innerhalb der ansässigen Bürgerschaft. — Die gesammte waffenfähige Mannschaft wurde in Stammrollen eingetragen, welche die Grundlage der Aushebungen bildeten. Vollzogen wurden diese im Namen der Konsuln durch Staatsbeamte, welche vor Allem dafür zu sorgen hatten, daß die Zusammensetzung der Legion eine zweckentsprechende Gliederung nach Dienstalter, Waffenübung und Tüchtigkeit ermöglichte. Gegen diesen rein militärischen Gesichtspunkt trat der politische einer Proportionellen Heranziehung der Censusklassen nach und nach völlig zurück, und dadurch setzten sich Kriegs¬ leistung und bürgerliche Berechtigung wieder ins Gleichgewicht. Diese Entwickelung vollzog sich während der gallischen Kriege. Rom hatte die Bedrängniß Etrurien's durch die keltischen Gallier zu seinem Angriff auf Veii benutzt. Veii war nach langem Kampf erobert und zerstört und dadurch der römische Staat in eine höhere Machtsphäre emporge¬ hoben, seine Kraft nahezu verdoppelt. Aber sechs Jahre nach der Zerstörung Veii's hausten die Gallier auch in den rauchenden Trümmern Rom's. Das Einströmen keltischer Schwärme über die Alpen hatte von Jahr zu Jahr zugenommen. Die fruchtbare Po-Ebene wurde durch sie fast wieder zur Wildniß; das nördliche Italien zwischen Alpen und Apenninen, unter den Etruskern ein Land blühender Kultur, empfing nun mit Recht den Namen des cisalpinischen Gallien. Den freien Kelten gall es, recht im Gegensatze zu den Römern, als schimpflich, mit eigenen Händen das Feld zu bestellen; unstät und wanderlustig brachten ihre wilden Schaaren es nur zu höchst unvollkommenen bürgerlichen Verfassungen; die einzige Ordnung, in welche sie sich fanden, war die militärische. — Gewöhnlich fochten sie zu Fuße; doch hatten sie auch Reiterschaaren und Streitwagen.*) Abgesehen von dem hohen, gewaltigen Schilde waren sie ohne Schutzwaffen, namentlich unbehelmt. Das lauge ein¬ schneidige, nur zum Hiebe geeignete, schlecht gehärtete Bronzeschwert in der Faust stürzten sie sich mit gellendem Kriegsgeschrei in rasendem Anprall auf den überraschten Feind, der, wenn er solcher Kampfart ungewohnt war, regel¬ mäßig durchbrochen und zersprengt wurde. — So ging es denn auch den Römern als sie im Jahre 390 den Kelten am Bache Allia entgegentraten. Unter unerprobten Feldherrn (Camillus war verbannt) zogen die Quinten übermüthig in den Kampf, nicht wie gegen ein Heer, sondern wie gegen Räuber: waren es doch nnr Wilde, die man bekämpfen sollte; was bedürfte es des Lagers und der Sicherung des Rückzuges? — Der panische Schrecken, die Flucht, die Niederlage waren furchtbar; der Abzug der Barbaren mußte ") Mommsen. Vergl. ?o1zch. II. 33, III. 114; tlo. XXII, 46. Plutarch: <Ä«n1I. 40 und 1.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/132>, abgerufen am 22.07.2024.