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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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pflegnngsgeld, aber nicht aus der Staatskasse, sondern von den einzelnen
Tribus, zu denen es gehörte, sodaß die Last doch ans den Gemeinden ruhte.
Zweimal waren bereits Anträge auf Soldzahlnng aus dem Pachtgelde der
Staatsländereieu gescheitert, und während die Domanialbesitznngen sich in Folge
der glücklichen Kriege mehr und mehr ausdehnten, jedoch lediglich den reichen
Patriziern zu Gute kamen, griffen in der Bauerschaft Verarmung
und Verschuldung immer mehr um sich. Jetzt, da es sich um den
veientischen Krieg handelte, sahen die Landleute den offenbaren Ruin vor
Augen; sie waren im Begriffe, ihre Einwilligung zur Kriegserklärung zu versagen,
und in dieser Zwangslage entschloß sich endlich der Senat, regelmäßigen
Sold zu zahlen, d. h. die bisherigen Verpflegungsgelder der Distrikte
ans die Staatskasse zu übernehmen. Damit wurde der Sold angewiesen
auf den Ertrag der indirekten Steuern und der Domänen. Nur
für den Fall, daß die Staatskasse augenblicklich leer sei, wurde des Soldes
wegen eine allgemeine Anlage (tiidnwin) ausgeschrieben, die indeß als
Zwangsanleihe betrachtet und vom Staate späterhin zurückgezahlt ward.*) --
Das tndrckulQ vertheilte man derart auf die Bürger, daß man 1 in seltenen
Fällen auch 2 oder L pro Mille des Steuerkapitals erhob. Livius erzählt,
daß es bei der ersten Steuerzahlung Aussehen erregte, als einige Senatoren
ihre pfündiger Kupferasse auf Wagen in die Schatzkammer fahren ließen. --
Zum Solde wurde übrigens uoch ein Beuteantheil ausgezahlt. Mit
Ausnahme der Gefangenen, die zum Besten der öffentlichen Kasse versteigert
wurden, fiel die gestimmte Beute von Veii, wie die der volskischen Staat Anxur
den Legionen anheim. Auch verringerte man während der Kriege die Summe
der Beisteuer dadurch, daß man sich Lieferungen an Geld, Kleidern und Ge¬
treide ausbedang, so oft der Feind Waffenstillstand oder andere Vergünstigungen
begehrte.**) -- Diese Einrichtungen find von der größten Bedeutung geworden
sowohl für eine weitere Entwickelung des Heerwesens und die Art der Krieg¬
führung wie für das innere Staatsleben.

Bisher waren die Etrusker auch in militärischer Beziehung das Vorbild
der Römer gewesen; man hat Ursache, anzunehmen, daß sogar die auf die Ver¬
mögensklassen begründete Heerespflichtigkeit eine Nachahmung tuskischer
Einrichtungen war.***) Mit der Einführung des Soldes emanzipirten sich die
Römer von ihrem Vorbilde. Denn während die tyrrhenischen Städte, griechischer
Art folgend, neben dem Bürgerdienste die Werbung von Soldknechten betrieben
zu haben scheinen, hütete sich Rom davor, einen so verhängnißvollen Weg zu





') Mommsen a, a, O.
°""> Gott: Kulturbilder aus Hellas und Rom,
Müller'S Etrusker, I. 390.

pflegnngsgeld, aber nicht aus der Staatskasse, sondern von den einzelnen
Tribus, zu denen es gehörte, sodaß die Last doch ans den Gemeinden ruhte.
Zweimal waren bereits Anträge auf Soldzahlnng aus dem Pachtgelde der
Staatsländereieu gescheitert, und während die Domanialbesitznngen sich in Folge
der glücklichen Kriege mehr und mehr ausdehnten, jedoch lediglich den reichen
Patriziern zu Gute kamen, griffen in der Bauerschaft Verarmung
und Verschuldung immer mehr um sich. Jetzt, da es sich um den
veientischen Krieg handelte, sahen die Landleute den offenbaren Ruin vor
Augen; sie waren im Begriffe, ihre Einwilligung zur Kriegserklärung zu versagen,
und in dieser Zwangslage entschloß sich endlich der Senat, regelmäßigen
Sold zu zahlen, d. h. die bisherigen Verpflegungsgelder der Distrikte
ans die Staatskasse zu übernehmen. Damit wurde der Sold angewiesen
auf den Ertrag der indirekten Steuern und der Domänen. Nur
für den Fall, daß die Staatskasse augenblicklich leer sei, wurde des Soldes
wegen eine allgemeine Anlage (tiidnwin) ausgeschrieben, die indeß als
Zwangsanleihe betrachtet und vom Staate späterhin zurückgezahlt ward.*) —
Das tndrckulQ vertheilte man derart auf die Bürger, daß man 1 in seltenen
Fällen auch 2 oder L pro Mille des Steuerkapitals erhob. Livius erzählt,
daß es bei der ersten Steuerzahlung Aussehen erregte, als einige Senatoren
ihre pfündiger Kupferasse auf Wagen in die Schatzkammer fahren ließen. —
Zum Solde wurde übrigens uoch ein Beuteantheil ausgezahlt. Mit
Ausnahme der Gefangenen, die zum Besten der öffentlichen Kasse versteigert
wurden, fiel die gestimmte Beute von Veii, wie die der volskischen Staat Anxur
den Legionen anheim. Auch verringerte man während der Kriege die Summe
der Beisteuer dadurch, daß man sich Lieferungen an Geld, Kleidern und Ge¬
treide ausbedang, so oft der Feind Waffenstillstand oder andere Vergünstigungen
begehrte.**) — Diese Einrichtungen find von der größten Bedeutung geworden
sowohl für eine weitere Entwickelung des Heerwesens und die Art der Krieg¬
führung wie für das innere Staatsleben.

Bisher waren die Etrusker auch in militärischer Beziehung das Vorbild
der Römer gewesen; man hat Ursache, anzunehmen, daß sogar die auf die Ver¬
mögensklassen begründete Heerespflichtigkeit eine Nachahmung tuskischer
Einrichtungen war.***) Mit der Einführung des Soldes emanzipirten sich die
Römer von ihrem Vorbilde. Denn während die tyrrhenischen Städte, griechischer
Art folgend, neben dem Bürgerdienste die Werbung von Soldknechten betrieben
zu haben scheinen, hütete sich Rom davor, einen so verhängnißvollen Weg zu





') Mommsen a, a, O.
°"»> Gott: Kulturbilder aus Hellas und Rom,
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[0130] pflegnngsgeld, aber nicht aus der Staatskasse, sondern von den einzelnen Tribus, zu denen es gehörte, sodaß die Last doch ans den Gemeinden ruhte. Zweimal waren bereits Anträge auf Soldzahlnng aus dem Pachtgelde der Staatsländereieu gescheitert, und während die Domanialbesitznngen sich in Folge der glücklichen Kriege mehr und mehr ausdehnten, jedoch lediglich den reichen Patriziern zu Gute kamen, griffen in der Bauerschaft Verarmung und Verschuldung immer mehr um sich. Jetzt, da es sich um den veientischen Krieg handelte, sahen die Landleute den offenbaren Ruin vor Augen; sie waren im Begriffe, ihre Einwilligung zur Kriegserklärung zu versagen, und in dieser Zwangslage entschloß sich endlich der Senat, regelmäßigen Sold zu zahlen, d. h. die bisherigen Verpflegungsgelder der Distrikte ans die Staatskasse zu übernehmen. Damit wurde der Sold angewiesen auf den Ertrag der indirekten Steuern und der Domänen. Nur für den Fall, daß die Staatskasse augenblicklich leer sei, wurde des Soldes wegen eine allgemeine Anlage (tiidnwin) ausgeschrieben, die indeß als Zwangsanleihe betrachtet und vom Staate späterhin zurückgezahlt ward.*) — Das tndrckulQ vertheilte man derart auf die Bürger, daß man 1 in seltenen Fällen auch 2 oder L pro Mille des Steuerkapitals erhob. Livius erzählt, daß es bei der ersten Steuerzahlung Aussehen erregte, als einige Senatoren ihre pfündiger Kupferasse auf Wagen in die Schatzkammer fahren ließen. — Zum Solde wurde übrigens uoch ein Beuteantheil ausgezahlt. Mit Ausnahme der Gefangenen, die zum Besten der öffentlichen Kasse versteigert wurden, fiel die gestimmte Beute von Veii, wie die der volskischen Staat Anxur den Legionen anheim. Auch verringerte man während der Kriege die Summe der Beisteuer dadurch, daß man sich Lieferungen an Geld, Kleidern und Ge¬ treide ausbedang, so oft der Feind Waffenstillstand oder andere Vergünstigungen begehrte.**) — Diese Einrichtungen find von der größten Bedeutung geworden sowohl für eine weitere Entwickelung des Heerwesens und die Art der Krieg¬ führung wie für das innere Staatsleben. Bisher waren die Etrusker auch in militärischer Beziehung das Vorbild der Römer gewesen; man hat Ursache, anzunehmen, daß sogar die auf die Ver¬ mögensklassen begründete Heerespflichtigkeit eine Nachahmung tuskischer Einrichtungen war.***) Mit der Einführung des Soldes emanzipirten sich die Römer von ihrem Vorbilde. Denn während die tyrrhenischen Städte, griechischer Art folgend, neben dem Bürgerdienste die Werbung von Soldknechten betrieben zu haben scheinen, hütete sich Rom davor, einen so verhängnißvollen Weg zu ') Mommsen a, a, O. °"»> Gott: Kulturbilder aus Hellas und Rom, Müller'S Etrusker, I. 390.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/130>, abgerufen am 25.08.2024.