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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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tableau" vom 5. Januar mit kantonaler Verpflichtung weit lieber gewesen. Aber
es geht nicht anders, daher muß der Bund eintreten.

Die Verfassungsmäßigkeit der Bundesbetheiligung an der Sache, die selt¬
samerweise in "publizistischen Debatten" auch in Zweifel gezogen worden ist
-- bei uns würde die Vertretung solcher Zweifel wahrscheinlich Herr Windt-
horst oder ein anderer waschechter Partikularist übernehmen -- sucht die bun-
desräthliche Denkschrift nicht erst weitläufig zu begründen, da Art. 23 der
schweizerischen Bundesverfassung gerade auf Fälle der vorliegenden Art an¬
wendbar erscheint.

Maßgebend aber ist für den Bundesrath die Frage, ob die Bundesbethei¬
ligung vom politischen und Zweckmäßigkeitsstandpunkt zulässig und empfehlens-
werth sei. Diese Frage zerlegt sich eigentlich in zwei: Ist die Gotthardbahn-
gesellschaft im Stande die ihr obliegende Nachzahlung von 14 Millionen Franes
Aktien und 12 Millionen Obligationen an den Manu zu bringen? Und wird
es den Technikern möglich sein, den neuen Kostenanschlag einzuhalten.

Da die Aufbringung der nothwendigen Mehrbedürfnisse durch die Gott-
hardbahugesellschaft vorauszugehen hat, wenn eine weitere Betheiligung der
Vertragsstaaten eintreten soll, so trägt die Bereitwilligkeit der Vertragsstaaten,
also auch der Eidgenossenschaft, zur Zusage neuer Beihilfen nur einen even¬
tuellen Charakter. Es steht aber durchaus zu vermuthen, daß die Gesellschaft
das Erforderliche aufdringe.

Sehr lehrreich und tröstlich dagegen ist- dasjenige, was die Denkschrift
über die wahrscheinliche Richtigkeit der jetzigen Kostenanschläge sagt. Der
Hauptfehler, der bei den Anschlägen des Jahres 1869 gemacht wurde, bestand
darin, daß man glaubte auf Grund eines ganz ungenügenden Traecplanes im
Maßstabe von 1:10,000 bei einer Bahn dieser Art einigermaßen zuverlässige
Berechnungen aufstellen zu können nud dieser Irrthum ist es, der sich so schwer
gerächt hat. Heute dagegen haben wir es mit einem bis in alle Details hin¬
aus sorgfältig ausgearbeiteten Plane im Maßstabe von 1:1000 und bei schwie¬
rigem Terrain mit Schichteupläuen im Maßstabe von 1:500 mit Horizontal-
knrven in Abständen von nnr 1 Meter zu thun, einer Arbeit, welche die Frucht
mehrjähriger mühevoller Studien eines großen und ausgewählten Korps von
Ingenieuren darstellt, bei der also etwaige Jrrthttiner in der Berechnung der
Kosten sich bei eingehender Prüfung des gesammten Materials verhältnißmäßig
leicht müssen auffinden lassen. Namentlich ist das falsche Gerücht von einer
angeblich neuen Mißrechnuug, das so viel zur Verwerfung der Nachsubventivn
in Zürich beigetragen, durchaus ungegründet. Und endlich ist aus der Denk¬
schrift zu entnehmen, daß es möglich erscheint, durch einen soliden, vom Bun-


tableau" vom 5. Januar mit kantonaler Verpflichtung weit lieber gewesen. Aber
es geht nicht anders, daher muß der Bund eintreten.

Die Verfassungsmäßigkeit der Bundesbetheiligung an der Sache, die selt¬
samerweise in „publizistischen Debatten" auch in Zweifel gezogen worden ist
— bei uns würde die Vertretung solcher Zweifel wahrscheinlich Herr Windt-
horst oder ein anderer waschechter Partikularist übernehmen — sucht die bun-
desräthliche Denkschrift nicht erst weitläufig zu begründen, da Art. 23 der
schweizerischen Bundesverfassung gerade auf Fälle der vorliegenden Art an¬
wendbar erscheint.

Maßgebend aber ist für den Bundesrath die Frage, ob die Bundesbethei¬
ligung vom politischen und Zweckmäßigkeitsstandpunkt zulässig und empfehlens-
werth sei. Diese Frage zerlegt sich eigentlich in zwei: Ist die Gotthardbahn-
gesellschaft im Stande die ihr obliegende Nachzahlung von 14 Millionen Franes
Aktien und 12 Millionen Obligationen an den Manu zu bringen? Und wird
es den Technikern möglich sein, den neuen Kostenanschlag einzuhalten.

Da die Aufbringung der nothwendigen Mehrbedürfnisse durch die Gott-
hardbahugesellschaft vorauszugehen hat, wenn eine weitere Betheiligung der
Vertragsstaaten eintreten soll, so trägt die Bereitwilligkeit der Vertragsstaaten,
also auch der Eidgenossenschaft, zur Zusage neuer Beihilfen nur einen even¬
tuellen Charakter. Es steht aber durchaus zu vermuthen, daß die Gesellschaft
das Erforderliche aufdringe.

Sehr lehrreich und tröstlich dagegen ist- dasjenige, was die Denkschrift
über die wahrscheinliche Richtigkeit der jetzigen Kostenanschläge sagt. Der
Hauptfehler, der bei den Anschlägen des Jahres 1869 gemacht wurde, bestand
darin, daß man glaubte auf Grund eines ganz ungenügenden Traecplanes im
Maßstabe von 1:10,000 bei einer Bahn dieser Art einigermaßen zuverlässige
Berechnungen aufstellen zu können nud dieser Irrthum ist es, der sich so schwer
gerächt hat. Heute dagegen haben wir es mit einem bis in alle Details hin¬
aus sorgfältig ausgearbeiteten Plane im Maßstabe von 1:1000 und bei schwie¬
rigem Terrain mit Schichteupläuen im Maßstabe von 1:500 mit Horizontal-
knrven in Abständen von nnr 1 Meter zu thun, einer Arbeit, welche die Frucht
mehrjähriger mühevoller Studien eines großen und ausgewählten Korps von
Ingenieuren darstellt, bei der also etwaige Jrrthttiner in der Berechnung der
Kosten sich bei eingehender Prüfung des gesammten Materials verhältnißmäßig
leicht müssen auffinden lassen. Namentlich ist das falsche Gerücht von einer
angeblich neuen Mißrechnuug, das so viel zur Verwerfung der Nachsubventivn
in Zürich beigetragen, durchaus ungegründet. Und endlich ist aus der Denk¬
schrift zu entnehmen, daß es möglich erscheint, durch einen soliden, vom Bun-


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[0126] tableau" vom 5. Januar mit kantonaler Verpflichtung weit lieber gewesen. Aber es geht nicht anders, daher muß der Bund eintreten. Die Verfassungsmäßigkeit der Bundesbetheiligung an der Sache, die selt¬ samerweise in „publizistischen Debatten" auch in Zweifel gezogen worden ist — bei uns würde die Vertretung solcher Zweifel wahrscheinlich Herr Windt- horst oder ein anderer waschechter Partikularist übernehmen — sucht die bun- desräthliche Denkschrift nicht erst weitläufig zu begründen, da Art. 23 der schweizerischen Bundesverfassung gerade auf Fälle der vorliegenden Art an¬ wendbar erscheint. Maßgebend aber ist für den Bundesrath die Frage, ob die Bundesbethei¬ ligung vom politischen und Zweckmäßigkeitsstandpunkt zulässig und empfehlens- werth sei. Diese Frage zerlegt sich eigentlich in zwei: Ist die Gotthardbahn- gesellschaft im Stande die ihr obliegende Nachzahlung von 14 Millionen Franes Aktien und 12 Millionen Obligationen an den Manu zu bringen? Und wird es den Technikern möglich sein, den neuen Kostenanschlag einzuhalten. Da die Aufbringung der nothwendigen Mehrbedürfnisse durch die Gott- hardbahugesellschaft vorauszugehen hat, wenn eine weitere Betheiligung der Vertragsstaaten eintreten soll, so trägt die Bereitwilligkeit der Vertragsstaaten, also auch der Eidgenossenschaft, zur Zusage neuer Beihilfen nur einen even¬ tuellen Charakter. Es steht aber durchaus zu vermuthen, daß die Gesellschaft das Erforderliche aufdringe. Sehr lehrreich und tröstlich dagegen ist- dasjenige, was die Denkschrift über die wahrscheinliche Richtigkeit der jetzigen Kostenanschläge sagt. Der Hauptfehler, der bei den Anschlägen des Jahres 1869 gemacht wurde, bestand darin, daß man glaubte auf Grund eines ganz ungenügenden Traecplanes im Maßstabe von 1:10,000 bei einer Bahn dieser Art einigermaßen zuverlässige Berechnungen aufstellen zu können nud dieser Irrthum ist es, der sich so schwer gerächt hat. Heute dagegen haben wir es mit einem bis in alle Details hin¬ aus sorgfältig ausgearbeiteten Plane im Maßstabe von 1:1000 und bei schwie¬ rigem Terrain mit Schichteupläuen im Maßstabe von 1:500 mit Horizontal- knrven in Abständen von nnr 1 Meter zu thun, einer Arbeit, welche die Frucht mehrjähriger mühevoller Studien eines großen und ausgewählten Korps von Ingenieuren darstellt, bei der also etwaige Jrrthttiner in der Berechnung der Kosten sich bei eingehender Prüfung des gesammten Materials verhältnißmäßig leicht müssen auffinden lassen. Namentlich ist das falsche Gerücht von einer angeblich neuen Mißrechnuug, das so viel zur Verwerfung der Nachsubventivn in Zürich beigetragen, durchaus ungegründet. Und endlich ist aus der Denk¬ schrift zu entnehmen, daß es möglich erscheint, durch einen soliden, vom Bun-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/126>, abgerufen am 22.07.2024.