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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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bereits ihre Quote zugesagt haben, werden nicht ohne Grund erklären, daß
diese Zusage ausdrücklich oder stillschweigend an die Voraussetzung geknüpft
war, daß die Kombination, wenigstens in ihren Hauptzügen gelinge. So lost
sich denn die ganze Kette, wenn der eine Ring -- Zürich -- sich nicht in die¬
selbe einfügt." Daß der Versuch einer nochmaligen Volksabstimmung im Kanton
Zürich verfassungsmäßig zulässig und der Kantvnsrath zu diesem Experiment
gern bereit sei, bezweifelt der Bundesrath nicht, aber "ob der Erfolg den Er¬
wartungen entsprechen würde, ist eine Frage, die, bei der erfahrungs¬
mäßigen Unberechenbarkeit aller Volksabstimmungen Niemand
auch nur mit halber Sicherheit zu beantworten vermag." Sicher,
fährt der Bericht fort, ist nur Eins: daß bei Einhaltung der gesetzlichen
Fristen für ein zweites Referendum, dieses erst "tief im Monat August" ein¬
geholt werden könne. Die schweizerische Bundesversammlung (das Parlament,
bestehend aus Nationalrath (Volkshaus) und Ständerath (Kantvnsregierungs-
vertretung) könne daher um so mehr nur eventuelle Beschlüsse fassen, als jeder
betheiligte Kanton seine Entscheidung erst nach derjenigen des Kanton Zürich
werde fassen wollen. Die Schweiz sehe sich dann, auch wenn die Bundes¬
versammlung zu'einer theilweisen Beihülfe aus Bundesmitteln sich bereit gezeigt,
"und ihr Antrag die Klippe des Referendums glücklich überwunden
hätte, in die sonderbare Lage versetzt, in Folge der Weigerung eines oder
einiger Kantone den definitiven Beitritt zum Luzerner Protokoll ablehnen zu
müssen und dann -- im Jahr-1879! -- die mühevolle Arbeit noch einmal
zu beginnen."

Bei dieser complizirten Sachlage und der gebieterischen Nothwendigkeit,
"nach den unsäglichen Zögerungen, endlich einmal zu einem Abschlüsse zu ge¬
langen, will es dem Bundesrathe scheinen, daß es fast verlorene Mühe
sei, noch weiter die Kombination vom 5. Januar 1878 zum Ausgangspunkt zu
nehmen, und daß es der Realität der Dinge besser entspreche, wenn man
schon von heute an dasselbe als gescheitert erklärt, wenigstens soweit es die Be¬
theiligung der Kantone betrifft." Die Verpflichtung der betheiligten Bahnen
dagegen zu anderthalb Millionen Franks hält der Bundesrath für unbestreitbar,
auch bei dieser kantonalen Renitenz. Daraus ergiebt sich nun nach Ansicht des
Bundesrathes die Alternative: entweder den Vertragsmächten zu erklären, daß
die Schweiz überhaupt daran verzweifle die acht Millionen Nachschuß für die
Gotthardbahu aufzubringen, oder die beiden Bahnen die anderthalb Millionen
aufbringen zu lassen, und die übrigen sechs und eine halbe Million
aus Bundesmitteln zuzusagen. Selbstverständlich greift der Bundes¬
rath nur ungern zu diesem Auskunftsmittel. Ihn: wäre das "Repartitions-


bereits ihre Quote zugesagt haben, werden nicht ohne Grund erklären, daß
diese Zusage ausdrücklich oder stillschweigend an die Voraussetzung geknüpft
war, daß die Kombination, wenigstens in ihren Hauptzügen gelinge. So lost
sich denn die ganze Kette, wenn der eine Ring — Zürich — sich nicht in die¬
selbe einfügt." Daß der Versuch einer nochmaligen Volksabstimmung im Kanton
Zürich verfassungsmäßig zulässig und der Kantvnsrath zu diesem Experiment
gern bereit sei, bezweifelt der Bundesrath nicht, aber „ob der Erfolg den Er¬
wartungen entsprechen würde, ist eine Frage, die, bei der erfahrungs¬
mäßigen Unberechenbarkeit aller Volksabstimmungen Niemand
auch nur mit halber Sicherheit zu beantworten vermag." Sicher,
fährt der Bericht fort, ist nur Eins: daß bei Einhaltung der gesetzlichen
Fristen für ein zweites Referendum, dieses erst „tief im Monat August" ein¬
geholt werden könne. Die schweizerische Bundesversammlung (das Parlament,
bestehend aus Nationalrath (Volkshaus) und Ständerath (Kantvnsregierungs-
vertretung) könne daher um so mehr nur eventuelle Beschlüsse fassen, als jeder
betheiligte Kanton seine Entscheidung erst nach derjenigen des Kanton Zürich
werde fassen wollen. Die Schweiz sehe sich dann, auch wenn die Bundes¬
versammlung zu'einer theilweisen Beihülfe aus Bundesmitteln sich bereit gezeigt,
„und ihr Antrag die Klippe des Referendums glücklich überwunden
hätte, in die sonderbare Lage versetzt, in Folge der Weigerung eines oder
einiger Kantone den definitiven Beitritt zum Luzerner Protokoll ablehnen zu
müssen und dann — im Jahr-1879! — die mühevolle Arbeit noch einmal
zu beginnen."

Bei dieser complizirten Sachlage und der gebieterischen Nothwendigkeit,
„nach den unsäglichen Zögerungen, endlich einmal zu einem Abschlüsse zu ge¬
langen, will es dem Bundesrathe scheinen, daß es fast verlorene Mühe
sei, noch weiter die Kombination vom 5. Januar 1878 zum Ausgangspunkt zu
nehmen, und daß es der Realität der Dinge besser entspreche, wenn man
schon von heute an dasselbe als gescheitert erklärt, wenigstens soweit es die Be¬
theiligung der Kantone betrifft." Die Verpflichtung der betheiligten Bahnen
dagegen zu anderthalb Millionen Franks hält der Bundesrath für unbestreitbar,
auch bei dieser kantonalen Renitenz. Daraus ergiebt sich nun nach Ansicht des
Bundesrathes die Alternative: entweder den Vertragsmächten zu erklären, daß
die Schweiz überhaupt daran verzweifle die acht Millionen Nachschuß für die
Gotthardbahu aufzubringen, oder die beiden Bahnen die anderthalb Millionen
aufbringen zu lassen, und die übrigen sechs und eine halbe Million
aus Bundesmitteln zuzusagen. Selbstverständlich greift der Bundes¬
rath nur ungern zu diesem Auskunftsmittel. Ihn: wäre das „Repartitions-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/125>, abgerufen am 22.07.2024.