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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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angesehen werden könnten. Katharina von Bora hatte ursprünglich eine er¬
wiederte Neigung zu einem jungen Nürnberger Patrizier, Hieronymus Baum¬
gärtner, gehegt. Als dieser sich aber, in die Heimath zurückgekehrt, mit einen:
reichen Mädchen verlobt hatte, war ihr von Luther ein Geistlicher in Orlci-
münde, Dr. Glanz, zugedacht worden. Aber sie hatte ihn verschmäht und zugleich
ausgesprochen, wolle Luther oder Amsdorf sie wählen, so sei sie bereit. Und
Luther erklärte: "Wenn ich nicht alsbald und in der Stille hätte Hochzeit ge¬
halten mit Vorwissen wenig Leute, so hätten sie es alle verhindert, denn alle
meine besten Freunde schrieen: nicht diese, sondern eine andere."

Es bedarf wohl kaum einer besondern Hinweisung darauf, daß wir die
geistige Höhenlage des evangelischen Pfarrhauses im 1C>. Jahrhundert, wie wir
sie bei den Führern der reformatorischen Bewegung finden, nicht als allgemein
maßgebend voraussetzen dürfen. Geistlicher Stolz und Intoleranz waren Fehler,
deren sich so mancher Pfarrer schuldig machte; oft genug erschien die Pfarrerin
mehr als Magd wie als Frau -- die Frau Joh. Amt's gestattete sich nicht
dieselbe Kost mit ihrem Manne --, und die mangelhafte weibliche Bildung,
welche dnrch die Impulse einer großen Zeit im Ausgang des Jahrhunderts
nicht mehr ausgeglichen wurde, mußte dieses demüthigende Abhängigkeitsver¬
hältniß begünstigen. Kam etwa noch hinzu, daß das Pfarramt nur unter der
Bedingung erlangt war, daß der Bewerber des Junkers Kammerzofe oder des
Vorgängers Wittwe oder Tochter zu heirathen versprach, so war von vorn-
herein kein günstiger Boden vorhanden, ans dem die Pfarrfrau die ihr ge¬
bührende Stellung hätte gewinnen können.

Daß aber der Kern des evangelischen Pfarrhauses gesund war, dafür
legten die Leistungen desselben während des Dreißigjährigen Krieges Zeugniß
ab. Mehr wie audere Häuser dein Haß der Kaiserlichen Heere ausgesetzt, hat
es die schwersten Drangsale standhaft erduldet, und sein Haupt ist mit uner¬
müdlichem Eifer der Verpflichtung nachgekommen, mit Wort und Werk als der
Gemeinde Fürsprecher und Anwalt für die Milderung ihrer Noth einzutreten.

Die Kriegsflamme erlosch endlich, nachdem sie die entsetzlichsten Ver¬
wüstungen hervorgebracht hatte. Noth und Mangel herrschte überall, auch das
Pfarrhaus erhielt einen reich zugemessenen Theil, und seine Glieder vermochten
nicht immer auf der gesellschaftliche" Höhe zu bleiben. Wir finden seine
Töchter als Gattinnen von Organisten und Schulmeistern, auch als Ans-
geberinnen und Kammerjungfern ans Rittersitzen, wo sie wohl mit dem Koch
oder einem Wirthschaftsbeamten sich vermählen; sogar die Trauung einer
Pfarrerstochter mit einem Schneidermeister wird uns berichtet.

Eine soziale Hebung des Pfarrhauses bewirkte der Pietismus. Die be¬
wußte und methodisch geleitete Pflege des innern religiösen und sittlichen Lebens,


angesehen werden könnten. Katharina von Bora hatte ursprünglich eine er¬
wiederte Neigung zu einem jungen Nürnberger Patrizier, Hieronymus Baum¬
gärtner, gehegt. Als dieser sich aber, in die Heimath zurückgekehrt, mit einen:
reichen Mädchen verlobt hatte, war ihr von Luther ein Geistlicher in Orlci-
münde, Dr. Glanz, zugedacht worden. Aber sie hatte ihn verschmäht und zugleich
ausgesprochen, wolle Luther oder Amsdorf sie wählen, so sei sie bereit. Und
Luther erklärte: „Wenn ich nicht alsbald und in der Stille hätte Hochzeit ge¬
halten mit Vorwissen wenig Leute, so hätten sie es alle verhindert, denn alle
meine besten Freunde schrieen: nicht diese, sondern eine andere."

Es bedarf wohl kaum einer besondern Hinweisung darauf, daß wir die
geistige Höhenlage des evangelischen Pfarrhauses im 1C>. Jahrhundert, wie wir
sie bei den Führern der reformatorischen Bewegung finden, nicht als allgemein
maßgebend voraussetzen dürfen. Geistlicher Stolz und Intoleranz waren Fehler,
deren sich so mancher Pfarrer schuldig machte; oft genug erschien die Pfarrerin
mehr als Magd wie als Frau — die Frau Joh. Amt's gestattete sich nicht
dieselbe Kost mit ihrem Manne —, und die mangelhafte weibliche Bildung,
welche dnrch die Impulse einer großen Zeit im Ausgang des Jahrhunderts
nicht mehr ausgeglichen wurde, mußte dieses demüthigende Abhängigkeitsver¬
hältniß begünstigen. Kam etwa noch hinzu, daß das Pfarramt nur unter der
Bedingung erlangt war, daß der Bewerber des Junkers Kammerzofe oder des
Vorgängers Wittwe oder Tochter zu heirathen versprach, so war von vorn-
herein kein günstiger Boden vorhanden, ans dem die Pfarrfrau die ihr ge¬
bührende Stellung hätte gewinnen können.

Daß aber der Kern des evangelischen Pfarrhauses gesund war, dafür
legten die Leistungen desselben während des Dreißigjährigen Krieges Zeugniß
ab. Mehr wie audere Häuser dein Haß der Kaiserlichen Heere ausgesetzt, hat
es die schwersten Drangsale standhaft erduldet, und sein Haupt ist mit uner¬
müdlichem Eifer der Verpflichtung nachgekommen, mit Wort und Werk als der
Gemeinde Fürsprecher und Anwalt für die Milderung ihrer Noth einzutreten.

Die Kriegsflamme erlosch endlich, nachdem sie die entsetzlichsten Ver¬
wüstungen hervorgebracht hatte. Noth und Mangel herrschte überall, auch das
Pfarrhaus erhielt einen reich zugemessenen Theil, und seine Glieder vermochten
nicht immer auf der gesellschaftliche« Höhe zu bleiben. Wir finden seine
Töchter als Gattinnen von Organisten und Schulmeistern, auch als Ans-
geberinnen und Kammerjungfern ans Rittersitzen, wo sie wohl mit dem Koch
oder einem Wirthschaftsbeamten sich vermählen; sogar die Trauung einer
Pfarrerstochter mit einem Schneidermeister wird uns berichtet.

Eine soziale Hebung des Pfarrhauses bewirkte der Pietismus. Die be¬
wußte und methodisch geleitete Pflege des innern religiösen und sittlichen Lebens,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/12>, abgerufen am 05.02.2025.